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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 26.02.2007, 21:07   #1
turmfalke
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 677

Standard danach.rückblick.

Dies ist mein 10xDrabble für den Wettbewerb, aber da ich nicht teilnehmen darf, poste ich es jetzt einfach

danach.rückblick.

Blinzelnd schaue ich den Mond an. Aber der kann mir auch nicht helfen. Die Straßenlaterne leuchtet ohnehin heller. Der Regen kam erst, als ich dich fand. Ohne jeden Zweifel war das eine Warnung. Meine Hände schmerzen. Zu fest habe ich gebetet. Der Beton unter mir ist kalt. Nie habe ich dein Gesicht klarer gesehen als jetzt. Die Luft ist so schwer. Du hast gesagt, dass du nicht kannst, dass du nicht liebst, nicht mehr. Warum lächle ich jetzt? Mein Gesicht ist ganz verzerrt. Ich denke, der Mond ist noch derselbe, die Sterne sind noch dieselben… der Regen putzt sie bloß.

Du warst von Anfang an anders. Du warst ganz normal und dadurch umso wertvoller. Ich fand dich direkt besonders. Die Art, wie du dir die Haare aus der Stirn gestrichen hast, gefiel mir sofort. Sie waren aufgehellt von der Sonne, die auch deine Haut braun gebrannt hatte. In deinem Nacken war dieser unendlich weiche Flaum. Und deine Kette… die mit dem silbernen Anhänger und der spanischen Münze. Drei Stunden standen wir da an dem Tag, an dem wir uns kennen lernten. Fast alles habe ich gesagt. Dein Lachen klang nach warmem Wind in Baumwipfeln. Die Hitze ließ die Luft flirren.

Ich war immer dieselbe. Unscheinbar, der Kumpeltyp. Klein, große Klappe. Und unglücklich. Warum auch immer, da ich alles hatte, was man sich nur wünschen konnte. Nur keine Liebe. Ich glaube, irgendwer hatte einfach vergessen, bei mir die Option „verlieben“ einzubauen. Wo waren die ganzen Schmetterlinge bitte? Um mich flogen sie wohl stets einen Bogen. Vielleicht erwartete ich auch zu viel. Das hab ich schon immer getan. Bevor ich sitzen konnte, wollte ich gehen. Und das erste Wort, das ich sagte, war „nein“. Wie auch immer. Ich habe nie ganz verstehen können, wieso du dich in mich verliebt hast, mich mochtest.

Ich wusste nicht, dass ich an den Innenseiten meiner Arme Gänsehaut bekommen konnte. Ich habe es festgestellt im Freibad. Als ich mit dir dort war. Neben dir im Gras lag. Eigentlich komisch, dass ich überhaupt eine Gänsehaut bekam. Denn die Sonne wärmte meinen Körper. Deine Augen waren geschlossen. Ich weiß noch genau, dass ich deswegen gelächelt habe. Ein warmer Wind ließ eine Strähne auf deiner Stirn hin und her flattern. Auf deiner linken Hand waren sieben Muttermale. Ich habe dieses Bild in mich aufgesogen. Und noch heute, wenn ich daran denke, bekomme ich eine Gänsehaut. An den Innenseiten meiner Arme.

Ich wusste es. Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass du dich sofort verliebt hast. Aber wahrhaben wollte ich es nicht. Ich wollte mit dir befreundet sein. Das erste Mal, dass ich bei einem Jungen wirklich nur der Kumpeltyp sein wollte. Aber du hast gedacht, ich würde auch etwas für dich empfinden. Als ich dir klar machen musste, dass es nicht so ist, hat es mich nicht getroffen. Nicht so sehr. Es tat mir leid, ja, aber… nicht so sehr wie am Ende. Der Kontakt war abgebrochen. Wir gingen ohnehin nicht mehr ins Freibad. Es war kalt geworden. Zu kalt.

Irgendwann hast du dich wieder gemeldet. Ein harmloses Gespräch, kein Problem, uns beiden ging es gut, wir kamen gut damit klar. Wir telefonierten viel und lang, trafen uns sogar gelegentlich, hatten lange Diskussionen und konnten miteinander schweigen. Aber du hast das kaputt gemacht. Das war eine ganz normale Freundschaft, aber du musstest mir wieder sagen, dass du mich liebtest. Ich konnte damit nicht umgehen, also brach der Kontakt erneut ab. Es war zuviel für mich, zuviel für dich. Ich konnte zwar ohne dich, aber mit dir wäre es mir lieber gewesen. Ich hatte keine Ahnung, wie viel du mir bedeutetest.

Mich plagte ein schlechtes Gewissen. Ich wusste, dass ich dir wehgetan hatte. Und ich konnte nichts dagegen tun. So grausam das auch klingt. Aber eigentlich war es deine Schuld. Denn wieder meldetest du dich. Viermal wiederholte sich diese Schleife. Viermal noch, jedes Mal wurde ich schwächer. Du wusstest, wie viel du mir wert warst. Ich hatte es dir oft gesagt. Und du hast es geschafft, mich zu beeinflussen. War ich mir anfangs noch so sicher, dass ich nicht mit dir zusammen sein könnte, so gab es inzwischen Momente, in denen es sich einfach verdammt richtig anfühlte. Es waren zu wenige.

Wir unterhielten uns oft in Metaphern. Du wolltest mich davon überzeugen, dass ich das Richtige tun würde, wenn ich dir vertraute. Du sagtest, wenn nicht du der Richtige für mich wärest, so wäre es keiner. Ich habe es dir sogar geglaubt. Ab und zu habe ich es geglaubt. Doch dann hast du mich in einen Käfig gesperrt. In einen goldenen, sehr klischeehaft. Aber ich bin nun mal ein Vogel. Ich will frei sein. Ich will selbst entscheiden, wann ich bei jemandem bleiben will und wann nicht. Du hast es erst zu spät verstanden. Es war einfach zu spät. Für uns.

Dennoch gab es einen Abend, der für mich der schönste meines Lebens war. Wir fuhren aufs Feld raus. In die Kiesgrube. Als wir ankamen, war es schon dunkel. Aber ich hab dir vertraut. Bin dir blind hinterher gelaufen. Als du mich auf den höchsten Hügel führtest, war ich meines Atems beraubt. Die Wolken waren so nah. Und der Wind so stark, dass ich schwach wurde. Ich ließ dich mich küssen. An diesem Abend wollte ich nur dich, nur mit dir allein dort stehen und den Wind in meinen Haaren spüren. Und frei sein wie ein Vogel. Den Sternen ganz nah.

Es war ein hässliches Ende. Voller Tränen und Missverständnisse. Ein endgültiger Schlussstrich und weitere Striche auf meiner Haut. Sie war inzwischen wieder verblasst. Doch richtig schlimm wurde es erst, als ich merkte, dass ich dich liebte. Es wurde mir bewusst, endlich bewusst. Ich konnte es mir selbst zugeben. Berauscht von dem Gefühl, endlich Liebe zu spüren, bat ich dich um eine Chance. An diesem Abend hast du mein Leben zerstört. Alles, was ich bis dahin hatte, diesen Funken Hoffnung, hast du einfach weggepustet. Ich habe dich nur gebeten, zu gehen, am Ende. Deine Kette war in meinen Händen ganz kalt.
turmfalke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.03.2007, 17:44   #2
jule
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 378

Du hast dir so viel Mühe gemacht, ein 10er Drabble zu schreiben und niemand hat es bisher kommentiert. Dem will ich mal Abhilfe schaffen
Vorweg ein paar Verbesserungen meinerseits:

Zitat:
Ich glaube, irgendwer hatte einfach vergessen, bei mir die Option „verlieben“ einzubauen.
Zitat:
Das war eine ganz normale Freundschaft, aber du musstest mir wieder sagen, dass du mich liebtest
Zitat:
Wir unterhielten uns oft in Metaphern. Du wolltest mich davon überzeugen, dass ich das Richtige tun würde, wenn ich dir vertraute.
(Ein weiters Wort für diesen Absatz kannst du bestimmt an anderer Stelle einbauen)

Zitat:
Aber dann hast du mich in einen Käfig gesperrt. In einen goldenen, sehr klischeehaft. Aber ich bin nun mal ein Vogel.
Zwei mal "Aber", vielleicht das zweite "aber" nicht an den Satzanfang stellen.

Zitat:
Aber ich habe dir vertraut. Bin dir blind hinterher gelaufen.
Vielleicht als Option: "Aber ich vertraute dir. Ich bin dir blind hinterher gelaufen."

Zitat:
Ich konnte es mir selbst zugeben.
Kann man das so sagen?


Ich mag den Text, jedoch ist er sehr abgehackt geschrieben. Ich gehe mal davon aus, dass sich das auf das lyrIch bezieht, da sie auch ein eher "harter" Mensch ist, also weniger weiche Züge besitzt. Im drittletzten Absatz wird die Struktur etwas weicher, so wie auch "sie". Allerdings würde ich dann den nächsten Absatz ebenfalls in weicheren Zügen schreiben.

Ansonsten habe ich nichts zu meckern, die Absätze können alle als Drabble für sich stehen, sie passen wunderbar zusammen, die Sprache ist schön, es ist also gelungen

Liebe Grüße,
Jule
jule ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.03.2007, 17:55   #3
turmfalke
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 677

Liebe jule,
vielen Dank für deine Bemühungen
Die Fehler habe ich (glaub ich) alle berichtigt, danke für die Hinweise darauf.

Die weicheren Züge ab dem drittletzten Absatz sind gewollt, ja. Nur verstehe ich nicht ganz, wieso du den nächsten zu "hart" findest...? Ich denke, er ist ziemlich sanft.
Und der letzte Abschnitt (gleichzeitig ja der Bogen zum ersten) ist absichtlich wieder abgehackt.

Vielen vielen Dank fürs Herauskramen und kommentieren
Liebste Grüße,
falke
turmfalke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.03.2007, 18:02   #4
jule
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 378

Der letzte Absatz ist meiner Meinung auch berechtigt so, wie er ist, allerdings ist mir der vorletzte zu abgehackt. Ich würde einfach mehr Sätze verbinden, in etwa wie beim drittletzten Absatz. Im Grunde hast du das schon größtenteils getan, aber dann einen Punkt, statt ein Komma gesetzt, wodurch es abgehackter klingt.

Oh jee, ich bin gerade ganz schön kleinlich oder? Aber irgendwie sagt mir das mein Gefühl
jule ist offline   Mit Zitat antworten
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