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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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17.08.2016, 19:46 | #1 |
Vom Warten
Vom Warten (prosaisch)
Sie hat die beiden alten Eltern, den Hof, den kranken Mann. Sie hatte keine Chance. Hatte sie keine Chance? Was wäre gewesen, wenn sie sich einen besseren als meinen Vater gesucht hätte? Hätte sie sich nicht doch noch von ihm trennen können? Nach der Gewalt. Vor mir. Warum gibt`s mich überhaupt? Ich bin ein Symptom ihrer Ausweglosigkeit. Ihrer selbstgewählten Ausweglosigkeit? Was haben meine Großeltern mit ihr gemacht, dass sie sich nicht um sich selbst kümmern kann? Nicht darf. Nicht wagt. Ich bin weit weg. Sie denkt, dass ich mein Leben lebe. Frei und einfach. Mein kleines überschaubares Leben. Aber das stimmt nicht. Ich warte. Ich warte, dass ich es endlich leben kann. Frei und einfach. Ich warte, auf den Tag an dem ich den schweren Karren nicht mehr hinter mir herziehen muss, der beladen ist mit den Sorgen und den Schuldgefühlen. Soll ich ihr helfen? Kann ich ihr helfen? Wann hört es auf? Wie schlimm wird es noch? Kann sie was dafür? Kann ich was dafür? Wie sehr leidet sie? Leidet sie überhaupt? Darf ich überhaupt so leben, wenn sie leidet? Darf ich überhaupt glücklich sein? Ich könnte es. Es ist alles da. Alles was man sich wünschen kann und mehr als ich je zu wünschen gewagt hätte. Es ist alles da. Aber es geht nicht. Nur schwer. Nur wenn die Kraft reicht den Karren den Berg raufzuziehen und die Gedanken reichen ihn dabei zu vergessen. Und manchmal reicht die Kraft nicht. Doch das ist selten geworden. Ich bin stark geworden im Karrenziehen. Und manchmal reichen die Gedanken nicht. Dann ist das Jetzt und Hier nicht hell und laut genug. Wenn die Ruhe kommt würgt mir der Karren den Hals. Also keine Ruhe. Bloß keine Ruhe. So wie sie. Weiter machen, weiter rennen, auffüllen, dass kein Raum bleibt, dass man den Karren nicht merkt, während man ihn zieht. Wie lange noch? 10 Jahre? 15? Was kommt da noch? Wird’s noch viel schlimmer? Ich warte und weiß, dass es dumm ist und kann nicht anders. Kann nicht einfach anfangen zu leben, solange es so ist. Und lebe doch schon so lange. Damit. |
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22.08.2016, 19:56 | #2 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.469
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Und das Seil reißt der Karren rollt den Berg herunter. Und durch den Ruck bin ich schneller oben. Blicke ein wenig trübsinnig dem Karren hinter her wie er an den Felsen zerschmettert. Dann weine ich vor Glück und Trauer. Ihn los zu sein und darauf verzichten zu müssen. Ohne Zelt und Licht unterwegs zu sein kann gruselig werden.
Aber die Füße sind wie Federn und der Tag ist noch jung. Nichts hält mich mehr von dieser Mär die ich in Büchern mit mir schleppte und ich bin mir nicht mal mehr sicher ob überhaupt etwas davon geschehen ist. Vom Gipfel aus geht es Berg ab. Ich genieße das Panorama des Tals vor mir... wie das Mondlicht auf dem See tanzt. Ich singe ein Lied: " hab mein Wagen vollgeladen... voll mit alten Weibern..." |
24.08.2016, 16:27 | #3 |
"...als wir in die Stadt nei`kamen, hub`n se an zu keifen"
Meine Frau singt mir das immer vor. Sie singt es so: "Hab mein Wagen vollgeladen, voll mit alten Weibern, als wir in die Stadt nei´kamen, fing`n se an zu feiern. @dr. Frankenstein: Danke für den schönen Schluss! (Denn hier ist weit und breit kein LI, nur das eigene) |
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