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Alt 21.04.2014, 11:57   #1
weiblich Ilka-Maria
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Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.115


Standard Treppab

Ich hörte seine Schritte auf der Treppe und wie sie vor der Tür innehielten, und ich wartete darauf, dass er aufschloss, wie er es immer tat, wenn er von einer Geschäftsreise zurückkam. Aber er schloss nicht auf, sondern ging die Treppe hinunter zum Auto, obwohl es nichts Nennenswertes mehr zu holen gab, denn als ich die Tür öffnete, erblickte ich auf dem Treppenabsatz seinen Koffer, in dem alles verstaut war, was er für die paar Tage gebraucht hatte.

Es ging um den minimalen Zeitgewinn von dreieinhalb Minuten, bevor er mir unter die Augen treten musste, weil er hier zuhause war, mit mir verheiratet war, Vater meines Kindes war, sein Bett hier hatte und jeden Morgen hier seinen Kaffee trank.

Nachdem er mich mit einem flüchtigen Kuss begrüßt und anschließend den Inhalt seines Koffers umständlich ausgepackt hatte, um noch mehr Zeit zu gewinnen, saßen wir schließlich nebeneinander auf der Couch, ich entspannt, er jedoch aufgewühlt. Seine Körpersprache war die eines Kindes, das gerade in der Nachbarschaft etwas angestellt hatte und nicht wusste, ob es besser ist, sofort zu beichten oder abzuwarten, ob die Sache überhaupt ans Licht kommt.

Dann begann er zu erzählen: Der Kollege, der ihn auf der Geschäftsreise begleitet hatte, jung verheiratet und Vater eines wenige Monate alten Kindes, war den Verführungskünsten einer Frau zum Opfer gefallen. Für ihn ein „one-night stand“ – nicht jedoch für die Frau, die ihn seitdem telefonisch belästigte, weil sie mehr von ihm wollte.

Ich hatte mulmige Gefühle darüber, weshalb das so aufregend war, hatte sogar einen vagen Verdacht, gab aber nur sachlich-kühle Kommentare ab. Instinktiv begriff ich, dass ich mich in einem Moment befand, wo die Existenz unserer kleinen Familie auf dem Spiel stand. Also stellte ich keine Fragen.

Es rettete nichts: Von diesem Abend an ging es treppab.

21. April 2014
© Ilka-Maria
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Alt 21.04.2014, 12:05   #2
Thing
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Beiträge: 34.998


Standard Hallo, Ilka-Maria -

Titel, Geschichte und Darstellung sind dermaßen kongruent,
daß sie als beispielthaft gelten können.

Vor allem die distanziert-kühle Präsentation, die das >Leiden des Li nicht ganz übertünchen kann, macht hier die Qualität aus.


Baff:
Thing
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Alt 21.04.2014, 16:36   #3
weiblich Ex Täubchen
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Dabei seit: 01/2014
Beiträge: 432


Super dargestellt. Du weißt ja bereits, deine Prosa erfreut sich großer Beliebtheit bei mir.
Hier würde es mich in den Fingern jucken, dies zum Anlass zu nehmen, das typische Verhalten der Geschlechter in der Geschichte unter die Lupe zu nehmen.

LG Täubchen
Ex Täubchen ist offline   Mit Zitat antworten
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