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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 29.08.2006, 22:47   #1
Todesengel
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 4

Standard Höllenqual

Wieder mal ein Tagtraum auf den ein Blackout folgte in dem dieses Gedicht entstand...=/



Verlassen steh ich an der Klippe,
plane nur noch meine letzten Schritte,
bevor ich in die Tiefe falle
und auf die spitzen Felsen pralle.

Doch da erscheint ein helles Licht,
die Gestalt darin erkenn ich nicht.
Sie sieht mich an und flüstert mir zu:
"Auch so bekommst du keine Ruh'!
Du wirst dich nur noch weiter quälen,
die endlos erscheinenden Stunden zählen,
dich fragen, warum alles ist geschehen,
doch die Lösung wirst du so nicht sehen!"

Ich stehe da, kann mich nicht bewegen.
Ich kann nichts mehr hören und auch nicht mehr reden.
Da packt mich diese Gestalt
und drückt mich zu Boden, fast ohne Gewalt.

Ich schließe die Augen, versuche zu vergessen,
wovon ich so lange im Herz war besessen.
Ich wache auf und sehe dich an
und frage mich, warum das nicht immer so sein kann.´

Doch plötzlich, ganz ohne Grund,
öffnest du deinen schönen Mund.
Du schreist mich nur an
und verschwindest auch dann.

Noch einmal drehst du dich um,
hältst mich fest und schaust herum.
Ich spüre dein Haar, es ist weich wie Seide.
Rammst in mich den Dolch, siehst zu wie ich leide.

Der Dolch zertrennt Gefühle, Gedanken.
Plötzlich fängst du an zu wanken.
Machst mich zu Grunde mit deinen Waffen
und merkst, du kannst es nicht ohne mich schaffen.

Leblos liege ich da, mein Geist schaut dir zu.
Sieht zu wie du leidest, ohne dass ich etwas tu.
Du sinkst zu Boden, legst dich neben mich,
und spürst, nun bin ich nicht mehr da für dich.

Ich wache auf, es war nur ein Traum,
wir sitzen immer noch im selben Raum.
Zwei gute Freunde, die es nicht ahnen,
was sie ohne den andern erleiden für Qualen!
Todesengel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.08.2006, 00:58   #2
weiblich ravna
 
Benutzerbild von ravna
 
Dabei seit: 04/2005
Ort: Berlin
Alter: 38
Beiträge: 732

Schon als ich deinen Nick und den dazugehörigen Titel deines Gedichtes las, freute ich mich: Endlich eine schwarze Seele im Poetry die sich eingehend mit den wirklich ernsten Dingen des Lebens befasst. Meine Erwartungen hast du sogar noch übertroffen. Was du schreibst hat Anspruch darauf um die Welt zu gehen und den Menschen als Weisheit von Kindesbeinen an gelehrt zu werden. Ich Kleinhirn vermag nur oberflächlich deine Worte zu interpretieren, möchte es aber dennoch tun, weil ich gerne deine weisen Worte zu meinen minderbemittelten Gedanken hören möchte.

Bereits der Titel „Höllenqual“ ist von der Wortwahl her ungeheuer innovativ. Ich finde es immer wieder schön zu sehen, dass ein Autor die Fähigkeit hat über bisher unberührte Themen zu schreiben. „Höllenqual“ deutet darauf hin, dass du dich in deinem Text mit der christlichen Mystik auseinandersetzen möchtest, vielleicht sogar einen Kontrast zu den Himmelsfreuden in Form der Engelsscharen aufbauen wirst, eventuell auf den Fall Luzifers eingehst… so viele interessante Ansätze.

Dann die erste Strophe: Tatsächlich, der Fall Luzifers (sogar aus der Ich-Perspektive), ich sehe es förmlich vor mir: der Engel, der gegen Gott aufbegehrt, der durchaus um die Folgen weiß… herrlich. In der zweiten Strophe taucht dann ja auch Gott auf, der Luzifer noch eine Warnung ausspricht bevor dieser in der dritten Strophe die Verbannung erfährt. Die vierte Strophe symbolisiert dementsprechend das Erwachen Luzifers und seine Erkenntnis um die Verbannung. In der fünften, sechsten und siebten Strophe erfolgt sehr schön und metaphernreich die endgültige Trennung. In der Achten versucht Luzifer eine Rechtfertigung seiner Tat, die unglaublich naiv klingt, was sie ja letzten Endes auch ist. Abschließend folgt dann die Strophe, die den gesamten Fall als Lüge enttarnt, wodurch du zu Recht Kritik am Bild, welches die Kirche zu vermitteln sucht, übst.

Interessant finde ich auch, dass du dein Gedicht in neun Strophen aufgebaut hast, eine Zahl, welche du sicher nicht ohne Hintergedanken gewählt hast. Immerhin steht die Zahl „9“ als Symbol der Vollkommenheit, ist sie doch 3*3, die Trinität des einen Gottes multipliziert mit sich selbst, auch von dir angedachte Parallelen zu einer Novene schließe ich nicht aus.

Selbstverständlich kann man dein Gedicht auch noch auf einer deutlich diesseitigeren Ebene lesen. Wie gesagt, es ist sehr vielseitig. Im Falle einer „ebenerdigen“ Interpretation möchte ich noch die folgenden Gedanken äußern: Der Titel „Höllenqual“ stünde in diesem Falle natürlich für die tiefen Gefühle eines depressiven Menschen, welcher in der ersten Strophe offenkundig Suizidgedanken hat. In der zweiten Strophe folgt dann das Erscheinen eines Retters, eines Freundes, ein Mensch, der einen andern Menschen nicht im Stich lässt. So zumindest der erste Eindruck. Doch bereits in der dritten Strophe beginnt sich das wahre Gesicht dieses „Freundes“ zu zeigen, denn das lyrische Ich kann nicht mit ihm reden und auch wenn es nur ein wenig ist, so ist es doch Tatsache das der vermeintliche Retter Gewalt benutzt um seinen Willen gegen den des lyr. Ichs durchzusetzen. Dies wird dem lyr. Ich in der vierten Strophe dann auch radikal bewusst, es versucht die Freundschafts-, vielleicht sogar Liebesgefühle zu unterdrücken, öffnet seine Augen und sieht das dieser andere Mensch in Wahrheit brutal und eigennützig ist. In der Fünften kommt dann auch schon die Wendung des „Retters“, in der Sechsten wird klar, was seine eigentliche Motivation ist: durch starke Metaphern beschreibst du hier eine Vergewaltigung, die natürlich, was du in der Siebten offenbarst, Opfer und Täter braucht. In der achten erfolgt dann die Dissoziation des lyr. Ichs, eine nur natürliche Folge bei Vergewaltigungen, die dem Täter auch direkt die Lust am Opfer nimmt. In der letzten Strophe erfolgt dann die traurige aber leider so oft wahre Verdrängung der Tat „nur gute Freunde“ denkt sich das Opfer, immer wieder, bis es selbst nicht mehr an die Tat glaubt.

Ich hoffe nun, dass meine wenigen Gedanken deinem Text annährend gerecht werden konnte, ich bin stolz eine so talentierte und mit Kreativität gesegnete Autorin wie dich in diesem Forum begrüßen zu dürfen.

Ergebene Grüße,
Ravna
ravna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.08.2006, 11:47   #3
Yve
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 756

Der Text gefällt mir gut, selbst wenn ich Reimform eigentlich nicht mag, aber dir ist das gelungen. Es liest sich gut und klingt nicht erzwungen. Inhaltlich hätte es doch ein Stück tragischer sein können, aber bei der Reimform ist das manchmal schwer machbar.

Yve
Yve ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.08.2006, 16:42   #4
Todesengel
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 4

Ich finde es überraschend, dass es dir so deutlich wurde um was es in meinem Gedicht geht.Tatsächlich handelt es sich hierbei um beide Themen, einmal den Fall Luzifers, jedoch passierte mir eine tragische Geschichte kurz nach dem Schreiben des Gedichtes und ich konnte nun auch mich in meinem Text wiederfinden, was ich sehr interessant und auch merkwürdig fand.
Ich bin froh, dass es gefällt

Todesengel
Todesengel ist offline   Mit Zitat antworten
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