Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Gefühlte Momente und Emotionen

Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 30.03.2014, 08:41   #1
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.153

Standard Wut

Ich sitze wie auf heißen Kohlen,
mein Blut erreicht den Siedepunkt
und ungebremst, mit eisern Sohlen,
tritt Schmerz brutal das Herz mir wund.

Du hattest längst des Todes Weihen,
dein Zukunftsplaudern war nur List,
ich werde es dir nie verzeihen,
dass du allein gestorben bist.

30. März 2014
© Ilka-Maria
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 09:54   #2
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Standard Hallo, Ilka-Maria -

Ja,
das hat Wucht, ist wirklich wie ein Tritt.
Ein Beweis mehr dafür, wie lapidar ein Dichter an das Thema herangehen kann.
Ein, weil sehr spontaner, sehr gelungener Beweis.

(Zumal ich persönlich das Gefühl nachempfinden kann.)


Freundlichen Gruß
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 10:02   #3
weiblich anna amalia
 
Dabei seit: 01/2014
Beiträge: 3.534

Guten morgen ihr beiden,

Seltsamerweise empfinde ich die Wut und die Wucht nicht so sehr.. Aber das mag an den Kohlen liegen. Ich assoziiere damit Eisenbahn und gemütlicher Bollerofen... Es ist immer wieder für mich erstaunlich, was welche Bilder in uns erzeugen.....

Aber Wut inspiriert bin ich jetzt auch!!!!

Schönen Tag

Ännchen
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 10:18   #4
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von anna amalia Beitrag anzeigen
Guten morgen ihr beiden,
Aber das mag an den Kohlen liegen. Ich assoziiere damit Eisenbahn und gemütlicher Bollerofen...


Ännchen
Jemanden auf glühende Kohlen zu setzen, bedeutete , ihn der Folter der Inquisition zu unterziehen.


LG!
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 10:26   #5
weiblich anna amalia
 
Dabei seit: 01/2014
Beiträge: 3.534

Thing, das weiß ich , aber trotzdem kommen bei mir die oben genannten Assoziationen ... Mein Gehirn ist irgendwie anders manchmal ... Vielleicht wegen der zwei Sprachen...

Aber danke für die Erklärung..

Warmherzige Grüsse

Ännchen
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 10:28   #6
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.153

Zitat:
Zitat von anna amalia Beitrag anzeigen
Seltsamerweise empfinde ich die Wut und die Wucht nicht so sehr.. Aber das mag an den Kohlen liegen. Ich assoziiere damit Eisenbahn und gemütlicher Bollerofen... Es ist immer wieder für mich erstaunlich, was welche Bilder in uns erzeugen.....
Da staune ich auch, liebe Anna Amalia. Eisenbahn mit gemütlichem Bollerofen? Ist das eine falsch verstandene Romantik, genährt aus der Nostalgie moderner Zeiten?

Als die Loks noch mit der Kohlenkraft betrieben wurden, war das für die Heizer Knochenarbeit. Außerdem waren die alten Loks nicht oder nur ungenügend gefedert. Die Leute, die auf solch einer Maschine arbeiteten, hatten deshalb schon in frühen Lebensjahren völlig ruinierte Kniegelenke. Da hieß es, bis zum bitteren Ende mit Schmerzen weitermachen, denn unser Sozialsystem mit Frühverrentung gab es nicht.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 10:38   #7
weiblich anna amalia
 
Dabei seit: 01/2014
Beiträge: 3.534

Ihr Lieben,

Det wees ick allet ooch....

Trotzdem kommt beim Begriff Kohlen in meinem Kopf erstens !!! Eisenbahn und zweitens!!! Bollerofen....
So ist's nun mal....
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 10:39   #8
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Luther benutzt das Bild als Beispiel des Mutes, den der Glaube auch im Leid und in der Marter gibt: "Wenn ihr auch auf feurigen Kohlen ginget, so soll's euch dünken, als ginget ihr auf Rosen."
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 10:42   #9
weiblich anna amalia
 
Dabei seit: 01/2014
Beiträge: 3.534

Danke für dieses Zitat, lieber Thing ...

Grüße von

Der Luthernachfahrin
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 11:14   #10
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Das wandelt im Thema einseitiger Abgänge das in "ohne dich" aufgegriffene Gefühl des Zurückgelassenen von Enttäuschung in Wut. Auch diese emotionale Spielart und seine Gestaltung gefallen mir, Ilka.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 11:20   #11
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Ich sitze wie auf heißen Kohlen,
mein Blut erreicht den Siedepunkt
und ungebremst, mit eisern Sohlen,
tritt Schmerz brutal das Herz mir wund.

Du hattest längst des Todes Weihen,
dein Zukunftsplaudern war nur List,
ich werde es dir nie verzeihen,
c
30. März 2014
© Ilka-Maria


Zitat:
dass du allein gestorben bist.
ist eine Variante zu

"daß du vor mir gestorben bist"
oder
ungesyntaxt:
"Daß wir nicht im gleichen Moment gestorben sind".

War das gemeint?
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 11:43   #12
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.153

Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
ist eine Variante zu

"daß du vor mir gestorben bist"
oder
ungesyntaxt:
"Daß wir nicht im gleichen Moment gestorben sind".

War das gemeint?
Die Ungenauigkeit war beabsichtigt, weil ich Interpretationsmöglichkeiten zulassen wollte. Ein einfaches "... vor mir gestorben ..." könnte in Frage kommen, aber es gäbe auch den Fall des Freitodes, in den der geliebte Mensch nicht hineingezogen werden soll, oder auch des Verscheidens ohne eine letzte Gelegenheit, voneinander Abschied genommen zu haben.

Wie aus dem Text hervogeht, hat der Verstorbene seine tödliche Krankheit verschwiegen, er wollte den letzten Abschnitt seines Lebens im Geheimen gehen. Schon das ist eine Form von Alleinsein, auch neben einem begleitenden Menschen. Und es hat einen anderen Sinn, als "... vor mir gestorben", denn das klänge ja fast wie ein Vorwurf, nicht gewartet zu haben, bis man selbst tot ist und einem der Schmerz des Überlebens erspart bleibt, den dann gefälligst der andere zu tragen hat. Und das habe ich gewiss nicht ausdrücken wollen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.03.2014, 11:45   #13
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Die Ungenauigkeit war beabsichtigt, weil ich Interpretationsmöglichkeiten zulassen wollte.

Ist Dir gelungen.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.03.2014, 00:00   #14
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073

Hallo, Ilka,

mich beschäftigt bei diesem Gedicht die Gefühlslage des LIs, die du klar und eindringlich festgehalten hast.

Gefühle fragen nicht danach, ob sie richtig, berechtigt sind oder nicht. Sie entstehen einfach. Als Leser, der dieses Gefühl auch nachvollziehen kann, denk ich hier aber weiter und hinterfrage es.
Mein Gedanke hierzu, als Anstoß:
Ich kann verstehen, dass das LI zutiefst verletzt, enttäuscht, fassungslos und allein mit seinem Schmerz ist, weil das LD sich nicht geöffnet hat, es nicht ins Vertrauen gezogen hat. Aber Wut? Und es will ihm nicht verzeihen?
Was ist da zu verzeihen? Das LD hat geschwiegen, warum auch immer.
Es wollte diesen letzten Weg allein gehen und das ist seine ureigene Entscheidung.
Auch, wenn sie noch so weh tut: Man hat doch kein Recht auf Vertrauen, oder wie in diesem Fall, ein Du beim Sterben zu begleiten, man kann es sich nur wünschen.

Dein Gedicht ist gut. Wollte diesen Gedanken nur los werden.

lieben Gruß, simba
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.03.2014, 00:25   #15
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.153

Deine Gedanken sind richtig, Simba. Niemand kann einen Menschen unter Anklage stellen, weil er früher als man selbst sterben muss (oder will), das wäre einfach nur irrational und ungerecht. Trotzdem entstehen solche Gefühle. Sie kommen aus der Machtlosigkeit gegen das Schicksal, und Machtlosigkeit löst sich häufig in Wut auf.

Die Grundidee zu meinem Gedicht erhielt ich vor langer Zeit von Geraldine Chaplin, die in einem Interview erzählte, ihre Mutter Oona habe dem Vater nie verzeihen können, dass er gestorben ist. Ich war zunächst darüber befremdet, weil mir ein solcher Vorwurf nie eingefallen wäre, aber trotzdem habe ich es verstanden: Es war Oona Chaplins Art, mit ihrer Trauer leben zu können, denn offenbar war sie auch nach vielen Jahren nicht in der Lage, diese Trauer zu verarbeiten (Oona überlebte Charlie Chaplin um 14 Jahre).

Danke für's Lesen und für Deine Gedanken.

LG
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.03.2014, 04:13   #16
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Dabei war sie um Jahrzehnte jünger als Charlie.

Ich will nicht viel aus der Familie weitererzählen, aber es bleibt ja anonym:

Ich sah jemanden am Küchentisch zusammengesunken ( nicht sehr lange nach dem Begräbnis) und laut rufend:
"Wie konntest Du nur, wie konntest Du nur!"
Zwar nicht voller Wut, aber sehr vorwurfsvoll.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Wut




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.