Der letzte zecher

[Jenno Casali]

DER LETZTE ZECHER

Wenn der letzte Zecher seine Zeche bezahlt
Dann hat der Wirt
Zum letzten Mal gegähnt

Wenn der letzte Zecher
Den Straßenlaternen begegnet,
Wird abgezählt –
Bei 17, Haus links

Wenn der letzte Zecher mit dem Mond streitet
Dann schweigt alle Philosophie

Wenn der letzte Zecher
Zu seiner Traditionshecke kommt
Ist auch dieser Halt
Nicht unmotiviert

Wenn der letzte Zecher
Dem ersten Müllmann Gute Nacht sagt
Dann ist es
Heute



© Jenno Casali

[Ex Pedroburla]

In jener Szene-Kneipe im Stuttgarter "Bohnenviertel", die ich in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts öfters "frequentierte", gab es mal - neben anderen authentischen "Originalen" - einen "Lebenskünstler", der regelmäßig kurz vor'm Zapfenstreich und volltrunken die ernsthafteste Absicht äußerte, NIE WIEDER zu saufen > die dringlichste Empfehlung seines Leberarztes. Und einmal blieb er tatsächlich relativ abstinent - stolperte jedoch beim vorzeitigen Verlassen der Kneipe auf einer der Treppenstufen so unglücklich, dass er seine Frau zur Witwe machte! *

* Was selbstverständlich von den sonstigen Stammgästen ausdiskutiert wurde > und zwar mit dem Ergebnis, dass man besser NIE auf gute Gewohnheiten verzichten sollte!


Gruß Pedroburla

[gummibaum]

Prosaisch, aber nicht schlecht.

LG gummibaum

[Ex Pedroburla]

Zitat von gummibaum

Prosaisch, aber nicht schlecht.

LG gummibaum

Gerne denke ich auch an eine - in besagter Kneipe dazumal sehr präsente - kräftig, korpulent anmutende "Giselle la Rouge"; ihre sämtliche Behaarung war rötlichgelb > was man eindeutig zu eruieren vermochte, wenn sie breitbeinig über einem - was dort des Öfteren vorkam, wegen der säuferischen Freuden - auf dem Boden Darniederliegenden grätschte > hauptsächlich, um selbigen wieder "ins Leben zurück" zu holen: Was ihr meistens gelang, obwohl nur allzu oft mit blinzelnden Verzögerungen, die sich selbiger gönnte ...*

* Einer dieser war übrigens ein "Meister Friedensreich Hundertwasser", der von allen Stammgästen nur "sto gram" (hundert Gramm) genannt wurde - wegen seiner Vorliebe für russische Trinkgewohnheiten aus vollen Gläsern, selbstverständlich ex ...


PS: Oder soll's NOCH "prosaischer" bzw. "blueslike" sein, etwa was von John Cranko, dem Ballettösen? DAS aber wäre nur für Backstage-Insider interessant - doch jene wissen's schon ...

[Thing]

ich schließe mich gummibaum nur zu gerne an:
Ein Prosagedicht (oder lyrische, gestrophte Prosa? Eine gekonnte Mischung)
mit viel syntaktischem und metrischem Gefühl präsentiert.
Ein Paradebeispiel für einen gelungenen Text!

Freundlichen Gruß
von
Thing

***

Gerne denke ich auch an eine - in besagter Kneipe dazumal sehr präsente - kräftig, korpulent anmutende "Giselle la Rouge"; ihre sämtliche Behaarung war rötlichgelb > was man eindeutig zu eruieren vermochte, wenn sie breitbeinig über einem - was dort des Öfteren vorkam, wegen der säuferischen Freuden - auf dem Boden Darniederliegenden grätschte > hauptsächlich, um selbigen wieder "ins Leben zurück" zu holen: Was ihr meistens gelang, obwohl nur allzu oft mit blinzelnden Verzögerungen, die sich selbiger gönnte ...

Das glaube ich gerne.
Wieder eine Unappetitlichkeit der schon gewohnten Art, die mit dem schönen Casali-Text nicht das Geringste zu tun hat.
Schmierig und widerlich.

[shoshin]

hahaha, die "traditionshecke" hat mir am besten gefallen!
lg
shoshin

[Ex Pedroburla]

Zitat von Jenno Casali

DER LETZTE ZECHER

Wenn der letzte Zecher seine Zeche bezahlt
Dann hat der Wirt
Zum letzten Mal gegähnt

Wenn der letzte Zecher
Den Straßenlaternen begegnet,
Wird abgezählt –
Bei 17, Haus links

Wenn der letzte Zecher mit dem Mond streitet
Dann schweigt alle Philosophie

Wenn der letzte Zecher
Zu seiner Traditionshecke kommt
Ist auch dieser Halt
Nicht unmotiviert

Wenn der letzte Zecher
Dem ersten Müllmann Gute Nacht sagt
Dann ist es
Heute

© Jenno Casali

Vergiss es

Also pass auf, wenn ich sterbe, will ich
keine Tränen, sieh nur zu, dass ich
abgeräumt werde, ich hatte ein
erfülltes Leben, und wenn überhaupt einer
eine Startvorgabe hatte, dann ich.
Ich hatte sieben oder acht Leben
in einem. Mehr kann man
nicht wollen.
Am Ende sind wir alle gleich
also bitte keine Reden
es sei denn, du willst sagen:
Er wettete auf Pferde
und darauf verstand er sich
sehr gut.

Du bist nach mir dran, und
ich weiß schon jetzt etwas
das du nicht weißt.
Vielleicht.

Charles Bukowski

[anna amalia]

Ich wuerde zu der Stuttgarter Kneipenszene sagen: Never change a running system!

Der Text hat innerlich in der Tat good old Charles auferstehen lassen und mir gefiel die Wendung im letzten Abschnitt besonders gut!!!

Nachtgedanken aus B.

Anna amalia