Omar Akba - Großrichter von Bagdad

[Ringelroth]

Nach der Kurzgeschichte "Das Schwert der Gerechtigkeit" v. E.W. Heine

Omar Akba, der Großrichter von Bagdad wusste, dass es wieder ein anstrengender Tag werden würde.
Als der Gerichtsdiener den Gong geschlagen hatte, trat ein dicklicher Mann mit Turban vor und sagte: „Hört, erhabener Hüter der Gerechtigkeit, heute Morgen beim zweiten Ruf des Muezzins war ich mit meiner Ziege Nura in der Oberstadt unterwegs, um sie mit dem Bock meiner mütterlichen Base zu vermählen. Als wir den Basar der Töpfer erreichten, kam uns jenes törichte Weib dort entgegen.“ Er zeigte auf ein dunkelhäutiges Beduinenmädchen, das am Boden hockte.
„Sie führte einen Ziegenbock am Strick und als das geile Ungeheuer uns erblickte, riss es sich los, brachte mich zu Fall und verging sich an meiner Nura.“

„Es gibt keinen Paragrafen, der das verbietet“, sagte Omar Akba.

„Darum geht’s nicht, Euer Ehren“, entgegnete der Dicke. „Wir befanden uns doch auf dem Töpferbasar und ein erheblicher Teil der ausgelegten Ware ging bei der Vergewaltigung zu Bruch.“

„Er lügt“, schrie das beschuldigte Mädchen aufgebracht. „Mein Böckchen Ghazi ist zahm wie ein Hündchen. Ich war gerade auf dem Weg, ihn kastrieren zu lassen, weil er in meinem Zelt schläft und wie alle unkastrierten Böcke etwas streng riecht. Als wir dann beim Basar der Töpfer ankamen, spazierte dieser Mann mit seiner heißen Ziege. So wie man eine heiße Hündin einsperrt, so sperrt man auch ein heiße Ziege ein. Er allein trägt die Schuld.“

Omar Akba strich durch seinen Bart und dachte nach. Dann blickte er ins Publikum und zeigte auf einen jungen Mann: „Wie würdest du entscheiden, wärst du an meiner Stelle?“

„Das Mädchen ist schuldig.“
Die anderen Männer nickten und applaudierten.

„Und du“, fragte der Großrichter eine Mutter mit einem kleinen Kind auf dem Arm, „wie würdest du entscheiden?“

„Der Dicke ist schuldig.“
„So ist es“, riefen die Frauen und klatschten Beifall.

Omar Akba sagte: „Wir haben das Urteil der Böcke und der Ziegen gehört. Was aber sagt uns die Weisheit des Alters?“

Ein weißbärtiger Mullah erhob sich.
„Es ist wie bei zwei Magneten, die sich gegenseitig anziehen. Beide Seiten müssen für die Kosten aufkommen.“

„Wie müsste das Urteil lauten, wenn das Mädchen zwei Böcke zum Hodenschneider geführt hätte?“

Der Mullah antwortete: „Dann müsste das Mädchen zwei Drittel des Schadens bezahlen. Der Dicke nur ein Drittel. Denn zwei Böcke haben doppelt so viele Beine wie eine Ziege.“

„Wenn der angerichtete Schaden nach der Anzahl der Beine bemessen wird“, sprach Omar Akba, „dann ergeht dieses Urteil. Das Mädchen zahlt ein Drittel und der dicke Mann zahlt zwei Drittel.

„Wieso soll ich doppelt soviel zahlen?“, schrie der Dicke. „Das ist ungerecht.“

„Es ist gerecht“, entgegnete der Großrichter. „Weil Ziegen beim Liebesspiel auf vier Beinen stehen und Böcke nur auf ihren beiden Hinterbeinen.“

[Thing]

Klasse!