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Alt 16.06.2013, 19:34   #1
weiblich allons-y
 
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Standard Piano Man

Kapitel 1:
Es war ein kalter, nasser Montag, etwas zu kalt und zu nass für September, aber es war das beste Wetter um ein gutes Buch zu lesen. Ich kam eher als gewöhnlich von der Schule wieder, mein Geographie Lehrer Mr. Campbell war krank und die letzte Stunde ist ausgefallen. Zum Sport oder anderen „Nach-der-Schule-Aktivitäten“ ging ich zu gewöhnlich nicht, schon gar nicht bei so einem Wetter.
Mein Dad saß in seinem Arbeitszimmer, er las grade wieder einen Krimi, sein Lieblings-Genre. Am Abend zuvor meinte er zu mir, dass das Buch wirklich gut sei. Mehr verriet er mir nie über Bücher, er sagte, das zerstöre die Spannung. Aber ich wusste, dass ich den Großteil der Bücher, die Dad gelesen hatte, nie lesen würde, weil es viel zu viele waren und viele auch einfach nicht meinem Geschmack entsprachen.
Ich kam also früher von der Schule nach Hause, und begrüßte meinen Vater. Dann ging ich in die Küche um mir einen Apfel zu holen und verschwand in meinem Zimmer. Ich setzte mich in meine Leseecke, die aus einem Erweiterten Fensterbrett mit Wandregalen, tausenden von Kissen und Decken und einer guten Leselampe bestand. Dann schlug ich den zweiten Teil von Die Tribute von Panem auf. Ich liebte diese Serie einfach. Am Abend zuvor hatte ich zum dritten Mal den ersten Band zu Ende gelesen, und mit dem Zweiten fing ich auch das dritte Mal an. Ich war grade im fünften Kapitel angekommen, in dem Katniss sich für das Abendessen vorbereitet, als bei uns das Telefon klingelte. Es klingelte nicht oft bei uns, und ich war grade in das Buch vertieft gewesen, deshalb schreckte ich hoch. Ich lief zum Telefon, das in der Küche stand, und meldete mich mit „Maya Freeman, wer ist da bitte?“
„Hallo Bienchen, ich bin‘s.“
Na super, der hat mir grade noch gefehlt. Die Stimme am anderen Ende gehörte George Collins, einem Arbeitskollegen und gutem Freund von Dad. Ich verabscheute ihn. Er war der einzige, der mich in meinem ganzen Leben Bienchen genannt hatte, nur wegen Biene Maja, der Kindersendung. Aber das war noch eine Kleinigkeit, über die ich leicht hinwegsehen konnte. George war ekelerregend. Er war fett, und zwar richtig, hatte eine Halbglatze, die er versuchte mit einzelnen Haarsträhnen zu verdecken, so wie man es manchmal bei älteren Männern sieht, und hatte nie ein sauberes Hemd an. Immer waren Fett- oder Kaffeeflecken drauf. Und wenn er ausnahmsweise mal ein sauberes Hemd an hatte, was ungefähr drei Mal im Jahr vorkam, dauerte es auch maximal zehn Minuten, bis es wieder dreckig war. Außerdem hatte er diesen Blick drauf. Diesen Blick, den man sich vorstellt, wenn man über Pädophile nachdenkt. Etwas zu breites Grinsen wenn er mich ansah. Wenn wir alleine waren, was Gott sei Dank nicht allzu oft passierte, nannte er mich immer Süße und legte seinen Arm um mich, oder seine Hand auf meinen Oberschenkel. Das machte er besonders gerne, wenn ich einen Rock oder eine kurze Hose anhatte. Ich drohte ihm dann mit meinen Selbstverteidigungskünsten, doch er lachte mich nur aus. George traute mir anscheinend nicht zu, ihm mal richtig in die Eier zu treten, da ich ja so ein zartes Mädchen sei, wie er immer gesagt hat. Ich hatte auf Dads drängen mehrere Selbstverteidigungskurse mitgemacht, und traute mir das durchaus zu.
„Hi, George“, sagte ich kühl.
„Das geht aber auch freundlicher, Bienchen.“
„Tut mir leid, grad nicht.“
„Na gut, ist dein Dad da?“
„Ja.“
Schweigen am anderen Ende der Leitung. Nach etwa zehn Sekunden kam dann, etwas genervt, Georges Quietsche-Stimmchen aus dem Hörer.
„Kann ich ihn sprechen?“
„Klar, warum sagst du das nicht gleich?“, entgegnete ich frech. Eigentlich bin ich kein Zyniker, aber bei George kann ich mir das nicht verkneifen. Ich wartete auf eine wütende Antwort, aber leider kam nichts. Schade, ich hatte grad Lust auf ein kleines Wortgefecht. Also ging ich zu Dad ins Arbeitszimmer, und gab ihm den Hörer.
„George“, sagte ich knapp und verschwand wieder in meinem Zimmer.
Kurz darauf klopfte Dad an meiner Tür und sagte, er würde zu George fahren, um etwas wegen der Arbeit zu besprechen.
Ich verabschiedete mich knapp, da ich keine Lust hatte, mir einen Vortrag darüber anzuhören, dass ich zu George freundlicher sein sollte. Ich sah meinem Vater an, dass sein Freund ihm von unserem kleinen Gespräch erzählt hatte. Mein Dad hielt nicht viel von Zynikern, deswegen hielt ich mich auch immer zurück.
Zum Glück nickte er schnaubend und verließ die Wohnung.
Ich legte mein Buch beiseite und dachte über das Gespräch nach, das Dad und ich geführt hatten, nachdem mich George zum dritten Mal angepackt hatte (Ja, ich zähle mit, im Augenblick ist er bei 14 Mal, Händeschütteln zählt nicht).
Ich war grade erst 12 gewesen.
„Dad, letztens, als George zum Essen da war, und du kurz in der Küche warst, da hat der mich an sich gezogen, und seine Hand hier hin gelegt.“ Ich habe auf meinen linken Oberschenkel gezeigt. „Das hat der nicht zum ersten Mal gemacht, vorher auch schon zwei Mal.“
„Maya, George ist mein bester Freund.“ Dad schaute mit tief in die Augen. Seine Schokobraunen Augen sahen meinen nicht im Geringsten ähnlich. Ich hatte die Augen meiner Mutter geerbt, blau grau, mit einem trüben Blick. Ich hatte alles von meiner Mutter geerbt, zumindest vom Aussehen her; zierliche Figur, nicht besonders groß, Rostrote, unbändige Locken. Armer Dad, ich musste ihn jeden Tag an seine Exfrau erinnern.
„Er würde dir nie etwas antun, und das weißt du auch.“ Sein Blick durchbohrte mich förmlich.
„Ja“ Ich musste meine Augen abwenden. Ich hasste es, wenn Dad mich so anstarrte, als ob er so bis in meine Seele guckt, um dort dann meine Meinung zu ändern.
Drei Wochen später hatte ich meine erste Selbstverteidigungsstunde. Dad vertraute George anscheinend doch nicht richtig.
Ich musste lächeln und las das Buch weiter.
Nach einer halben Stunde klingelte das Telefon wieder. Ich schreckte erneut hoch. Was war denn bloß los heute?
Ich ging dran, und Dad berichtete mir, dass er mit George noch einen trinken gehen wollte. Ich schaute auf die Uhr. Es war halb sechs.
„Bisschen früh, oder?“
„Nein Maya, ein kleiner Drink geht immer.“
„Ich schick dich zu einer Therapeutin, die soll mal deinen Alkoholkonsum checken.“
„Ich hab dich auch lieb, mein Schatz. Bis nachher.“
Ich musste lächeln.
„Bis nachher.“ Hoffentlich hatte er das Lächeln nicht gehört, ich wollte ihm nämlich sehr deutlich machen, was ich von einem kleinen Drink hielt.
Da ich wusste, das Dad vor Mitternacht nicht nach Hause kommen würde, wenn er erst einmal mit George in der Kneipe saß, brauchte ich auch nicht zu Kochen. Trotzdem hatte ich Hunger, also bestellte ich mir eine Pizza. Als dann um viertel nach sechs meine Pizza Salami angekommen war, warf ich mich auf die Couch und guckte Fernsehen. Es lief an dem Abend nichts besonderes, also schob ich die dritte Staffel von „Scrubs“ in den DVD-Spieler und ließ die Zeit vergehen. Auf Hausaufgaben hatte ich keine Lust, es standen sowieso keine Klausuren oder Ähnliches an. Um 22.37 Uhr klingelte das Telefon erneut.

~ to be continued ~
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