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Alt 21.01.2013, 18:48   #1
männlich Desperado
 
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Standard Seven Ways

„Sieben Wege muss ich gehen“,
erzählt mir die Sängerin mit den kohlrabenschwarzen Haaren und der Hakennase, „an sieben Orten sein, eine Welle bin ich, barfuß tanze ich und singe eine Hymne auf die Rache, unter der gebrochenen Flagge, wie sieht's aus mit deinen Bürgerrechten, Desperado, sag mir deinen Namen!“

„Welchen davon?“, frag ich müde zurück.

„Ein Mensch, der nichts mehr zu verlieren hat“, sinniert der vollbärtige Quäker unter seinem flachkrempigen Hut und zieht dabei die Stirn in Falten, „der ist zu allem fähig, zu allem Bösen und allem Guten.“

„Well“, sag ich, „das steht mal fest, Reverend, ist aber nicht die Frage. Dass er zur gleichen Zeit zu beidem fähig ist und es im selben Atemzug tun kann, das ist sein Problem.“

„Vor allem das seiner Mitmenschen!“, lacht die Sängerin heiser.

„Ach wieso“, beschwichtige ich, „alles eine Frage der Entgegnung, des Umgangs miteinander, wie soll ich's erklären...
nun, nehmen wir mal an, ich mach einem ein Friedensangebot, der mich für einen Krieger oder Bandido oder Freischärler oder sonst was hält, mir entsprechend drohend in den Ohren liegt und stetig auf die Pelle rücken will, und der weist es spöttisch lachend zurück, dann lacht er zuletzt, weil er zum letzten Mal gelacht hat, nämlich von da ab nichts mehr zu lachen und einen Kerl im Nacken sitzen hat, von dem er sich wünscht, er sei ihm nie begegnet.

Hab mir nie Gedanken gemacht drüber, ob das nun gut ist oder böse, wozu auch? Kannst du dir nicht leisten in der Wüste, derlei feingeistige Fragen. Wenn da irgendwer glaubt, er müsse dir dein Daseinsrecht streitig machen, dann kannst du entweder die Gegend verlassen oder bleiben und dich ihm stellen, das heißt, ihm auf Dauer nicht ausweichen, weil der nun mal keine Ruhe geben will.

Da ich nun sowieso nie was andres gekannt hab als um mein Lebensrecht kämpfen zu müssen, bin ich das zwar gewohnt und könnte ebenso gut still und heimlich verduften, mach ich ja auch oft genug, nur seh ich das grundsätzlich irgendwie nicht so recht ein, woher sich da einer das Recht nimmt, mir das meine abzusprechen. Und manchmal hab ich schlicht und ergreifend keine Lust, ihm nachzugeben, das ist alles, keine Ahnung wieso und warum, ist einfach so.“

„Und dann?“, will die Sängerin wissen, ihre Augen funkeln vor Neugier.

„Was dann? Dann ist er ein toter Mann, früher oder später, liegt ganz allein an ihm, auf jeden Fall aber mit Sicherheit. Was soll die dämliche Frage?“

„Ich werde für dich beten, mein Sohn“, meint der Quäker sichtlich betroffen.

„Tu'n sie das mal ruhig, Reverend, kann ja nicht schaden.“

Die Leute in den Städten sind so begriffsstutzig manchmal, dass man nur noch seufzen möchte.
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Alt 23.01.2013, 09:43   #2
männlich Desperado
 
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Mal was andres: Ein Kommentar vom Schreiber selber.

Die obige Geschichte ist nur die halbe Wahrheit.

Und so könnte man durchaus sagen, sie ist gelogen. So ist er nicht, der Desperado, und auch nicht sein Erfinder.

Ihre Fortsetzung "Seven Stars" unter selbiger Rubrik gibt ihr die nötige Ernsthaftigkeit und segnet quasi die Berechtigung der angerissenen Gedankengänge ab, die in "Seven Ways" noch als sarkastischer Pragmatismus abgetan werden könnten.

Ich habe schon immer Leuten misstraut, die sich als lupenreine Demokraten ausgeben und gleichzeitig andere aburteilen wie Nazis. Nicht selten haben sie in ihrer Familien-Chronik einen tiefbraunen Fleck zu verbergen, von dem sich entschieden abzusetzen sie unablässig getrieben sind und so selbst in -lediglich unter "legitimem" Vorzeichen stehende- Menschenverachtung und Demagogie schlittern.

Aber auch ohne derlei Vorbelastung mutieren immer wieder Leute zu selbstgerechten Scheinheiligen und werden zu Blendern, die vor keinem Mittel der Heuchelei, Anbiederung, Lüge und Verleumdung zurückschrecken, um sich als lautere und unbefleckte Streiter der Wahrhaftigkeit darzustellen in dem einzigen Verlangen, geliebt, geachtet und bewundert zu werden. Sie suhlen sich quasi im Dreck, um sich reinzuwaschen.

Es ist sinnlos, sie aus ihrer selbst geschaffenen Scheinwelt des guten und gerechten Menschen befreien zu wollen, weil sie schon lange nicht mehr unterscheiden können zwischen Wahrheit und Lüge und jeden diesbezüglichen Versuch als Angriff gegen ihre Menschenrechte empfinden- ohne sich zu vergegenwärtigen, dass sie dieselben andauernd mit Füßen treten.

Ihre Selbstgerechtigkeit ist unantastbar, jede Infragestellung ihrer Mission wird mit Selbstmitleid und zur Schau gestelltem Weltschmerz abgeschmettert. Der Böse bist immer du.

Dagegen bist du machtlos.
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