Gedicht aus Glas

[Billy Bibbit]

Gedicht aus Glas


Die Menschen paaren sich auf den Plätzen
und ein Fotograf macht ein paar Bilder.
Der Kirchturm verneigt sich ungläubig.
Ein paar Hunde pinkeln an ein Verbotschild,
während sich ein Fallschirmspringer abseilt.
Die Ansprüche sinken.

Ein Priester versinkt in Meditation
und erkennt sich in einem Baum wieder.
Die Tauben versammeln sich zum Tanz.
Es ist wieder mal ein Sonntag,
aber die Glocken verweigern die Zeitzeichen.
Die Erwartungen steigen.

Elefantenhorden ziehen durch die Gassen
und bewegen sich filigran an
denkmalgeschützten Fassaden vorbei.
Eine Frau schaut aus dem Fenster
und schwenkt eine Fahne.
Der Regen verwischt die Spuren.
Ermittler sitzen beim Kaffee und fragen nichts.
Das Wissen stagniert.

Ich schreibe ein Gedicht aus Glas
und veröffentliche es in den Schaufenstern der Stadt.

.

[Schmuddelkind]

Tolle Bilder und auch die "Zwischenmessages"

Die Ansprüche sinken.

Die Erwartungen steigen.

Das Wissen stagniert.

gefallen mir sehr.

Aber aus irgendeienem Grund konnten mich die letzten beiden Verse nicht ganz überzeugen. Vielleicht konnte ich einfach zu wenig mit dem Bild anfangen.

Aber gerne gelesen hab ichs trotzdem!

LG

[Ex-Poesieger]

Ausgeträumter
blendete ich mich ein.
Eingelebter
blendete ich mich aus.
Doch Blende warst immer du.
Mich verfolgend
durch noch nicht passiertes.

[Sonnenwind]

mir gefällt der text. sehr sogar.

aber:

erstens würde ich schreiben: "Es ist wieder Sonntag".
nicht: "Es ist wieder mal ein Sonntag".

und zweitens würde ich ihn aus gegebenem anlaß
um folgenden zusatz erweitern:

"doch draußen steht einer, der schweigt und ruft:
lies!

oder so ähnlich.

interessanter text, wirklich. sehr gern gelesen.

lg
Sonnenwind

[Ilka-Maria]

Ich finde das Gedicht auch außerordentlich gut. Aber die beiden letzten Verse hätte ich weggelassen. Sie wollen erklären, wo jede Erklärung überflüssig ist.

[Ex-Richard 42]

Ich finde den Wortfall sehr gelungen, habe aber Probleme mit der Interpretation (wie so oft). Vielleicht hilft mir jmd auf die Sprünge...?

[Ex-Poesieger]

Hast du meine Interpretation übersehen?

[Ex-Richard 42]

Ich habe die Interpretation in Deinem Beitrag nicht rauslesen können.

[Ex-Poesieger]

Woran liegt das?

[Ex-Richard 42]

Sag Du es mir.

[Ilka-Maria]

Zitat von Richard 42

Ich finde den Wortfall sehr gelungen, habe aber Probleme mit der Interpretation (wie so oft). Vielleicht hilft mir jmd auf die Sprünge...?

Setze die Szenen in Deinem Kopf in Filmbilder um und denke dabei z.B. an Dali, Bunuel, David Lynch ... Da ist nichts zum Interpretieren, nur zum Schauen und Fühlen, ähnlich wie bei der Erinnerung an einen Traum.

[Ex-Richard 42]

Versuche ich. Aber mir fehlt die Intention, aus der heraus diese Bilder entworfen wurden. Das, was man damit ausdrücken wollte und wie die Beschreibungen in den ersten Versen der Strophen mit der Schlussfolgerung im jeweils letzten Vers zusammenpassen. (z.B. Die Ansprüche sinken)

[Ilka-Maria]

Zitat von Richard 42

Versuche ich. Aber mir fehlt die Intention, aus der heraus diese Bilder entworfen wurden. Das, was man damit ausdrücken wollte und wie die Beschreibungen in den ersten Versen der Strophen mit der Schlussfolgerung im jeweils letzten Vers zusammenpassen. (z.B. Die Ansprüche sinken)

Ich könnte Dir jede einzelne Zeile auseinandernehmen und über das Gedicht eine Abhandlung von hundert Seiten schreiben. Ich könnte damit richtig oder auch falsch liegen oder Schreiber herausfordern, die dann noch mehr Seiten über ihre eigenen Interpretationen produzieren.

Das kannst Du selbst. Du musst es nur wollen.

[Ex-Poesieger]

Wie soll ich es dir sagen?

[Ilka-Maria]

Zitat von Poesieger

Wie soll ich es dir sagen?

Gar nicht.

[Zaubersee]

Die Ansprüche sinken:

alles wird zur Möglichkeit angepriesen, verboten, heilig, obszön, egal;

Ausgeträumter
blendete ich mich ein.

Jemand, der schon seine Träume verloren hat, schaut , ob ihm diese unendlichen Möglichkeiten noch etwas geben könnten.

Die Erwartungen steigen:

Mit kuriosen kleinen Alltagsphilosophien versuchen Einige diese Bodenlosigkeit s. o. zu überwinden und steigern sich in verrückte Ablenkungsthesen

Eingelebter
blendete ich mich aus.

…. Jemand findet dass der Einblendungsversuch nicht lohnenswert war.

Das Wissen stagniert:

es lebt sich weiter in der erfolglosen leeren Weise der erste Strophe, vielleicht etwas filigraner, erfahrender, aber ohne Wissenssteigerung oder Lösungsansatz."

Der Regen verwischt die Spuren

… irgendwann weiß niemand mehr, wie alles anfing und warum die Dinge sind wie sie sind.

Doch Blende warst immer du.

… vielleicht kann man sich gegenseitig die Schuld geben…

Ich schreibe ein Gedicht aus Glas
und veröffentliche es in den Schaufenstern der Stadt.

…. das Lyrische Ich zeigt offen/öffentlich/ transparent, was das Problem ist …. jeder kann es sehen und könnte nach Lösungsansätzen suchen …. oder überlegen, warum das noch nicht geschehen ist.

Mich verfolgend
durch noch nicht passiertes.

…. hier wird deutlicher ausgesprochen, dass eben noch nichts passiert ist … keine Lösungsansätze erarbeitet.


Vielleicht ist es so oder doch ganz anders …. ausschlaggebend ist nicht die Richtigkeit des Interpretationsversuches, sondern die Korrespondenz zwischen Text und Leser.

L.G.

Zaubersee

[Ex-Poesieger]

Doch Blende warst immer du.

und veröffentliche es in den Schaufenstern der Stadt.

Alles was ich mache ist Liebeserklärung hätte ich an deiner Stelle mit etwas weniger Skalpellmesser gesagt. Sonst wirkt es eben so:

Ausgeträumter
blendete ich mich ein.