Besonnen bei Poetry.de

Thing · 18.09.2011, 21:08

Im Dämmer schloß sich hinter mir die Tür.
Der Fensterriegel war so nah. Ich voller Beben.
Was sollte mir dies jammervolle Leben?
Nur Tagespflicht, nie wirklich eigne Kür.

Dennoch: Es stand mir nichts dafür,
so leicht und einfach aufzugeben.
Es galt, im Eifer fort zu streben,
zu leisten nach der eigenen Gebühr.

Das Dasein hat zu viele Seiten,
von der nicht eine ich zerreißen darf,
weil es mich auch in gute Seiten warf.

So ward ich mählich denn besonnen.
Hab meine Worte mir zurechtgesponnen,
die durch das Morgen mich geleiten.

(c)

Ilka-Maria · 19.09.2011, 07:10

Zitat:

Zitat von Thing

Das Dasein hat zu viele Seiten,
von der nicht eine ich zerreißen darf,
weil es mich auch in gute Seiten warf.

Lieber Thing,

die eigenwillige Wortwahl, die man von Dir gewohnt ist, macht das Lesen auch bei diesem Gedicht wieder spannend. Selbst wenn das Thema erfaßt ist und man ahnt, wohin die Reise geht, lauert man trotzdem weiter auf den nächsten Einfall.

Lediglich der Singular ("von der" statt "von denen") und die Doppelung von "Seiten" in der dritten Strophe stören ein wenig.

LG
Ilka-M.

Ex-Odiumediae · 19.09.2011, 09:09

Ich dachte, Du könnest keine Sonette?

Man könnte es metrisch anpassen, ohne es zu verunstalten und hätte ein wunderbares Sonett. Ich weiß nicht, ob die Strophen zufällig denen eines Sonetts ähneln, aber das Reimschema abba abba cdd eec und die (soweit ich es richtig beurteile) sauberen Sinneinheiten spricht dafür, dass es Absicht war.

Wunderbar!

Thing · 19.09.2011, 09:27

Geht mir runter wie Öl.

Nein, war keine Absicht, war schierer Zufall.
Ich kann nämlich keine Sonette dichten.
Es fügte sich seinerzeit so.

Wo und wie kann ich verbessern?

LG
Thing

Ilka-Maria · 19.09.2011, 09:43

Zitat:

Zitat von Thing

Nein, war keine Absicht, war schierer Zufall.
Ich kann nämlich keine Sonette dichten.
Es fügte sich seinerzeit so.

Ich halte das für ein Understatement.

Thing · 19.09.2011, 09:45

Ehrlich:
Ist es nicht!
Du wirst in meiner Sammlung keine Sonette entdecken.

Thing

Ex-Kaleidoskop · 19.09.2011, 11:14

Ja, Thing es klingt sehr schön. Würdest du es als Sonett schreiben wollen, fehlt nicht viel. Es bräuchte pro Zeile fünf Hebungen (betonte Silben),immer im Wechsel mit einer unbetonten Silbe. Jede Zeile muss unbetont anfangen.

Im Dämmer schloß sich hinter mir die Tür.
perfekt
Der Fensterriegel war so nah. Ich voller Beben.
eine Hebung zuviel
Was sollte mir dies jammervolle Leben?
perfekt
Nur Tagespflicht, nie wirklich eigne Kür.
perfekt

Du bist also einem Sonett schon sehr nah. Ich möchte behaupten, dass dein Gedicht nicht zuletzt deshalb einen so schönen Klang hat. Die festen Formen waren bei den alten Dichtern nicht ohne Grund beliebt. Deine Wortwahl und die Thematik passen sehr gut zu dieser Form.

Ich habe es gern gelesen.

lg,
kalei

Ex-Odiumediae · 19.09.2011, 11:28

Zitat:

Zitat von Thing

Ehrlich:
Ist es nicht!
Du wirst in meiner Sammlung keine Sonette entdecken.

Was ich immer noch schade finde.

Erich Kykal · 19.09.2011, 13:21

Hi, Rom!

Wunderbar, nur bei den 3Zeilern am Ende hapert's ein klein wenig. 3 Sachen:

Das volle Dasein hat zu viele Seiten, Zeile sonst zu kurz. (Es sollen 5 Heber sein)
von der nicht eine ich zerreißen darf,
weil es mich auch in gute Seiten warf.

Ich wurde mählich weise und besonnen. Zeilenlänge, Hebungsanzahl:5!
Hab meine Worte mir zurechtgesponnen,
die mich nach jedem Morgen hingeleiten. Auch hier: Bei dir - nur 4 Heber. Jetzt:5.

So wäre nun, denke ich, alles, wie es sein soll - allerdings denke ich auf relativ unkundiger Basis. Wenn ein Berufener in Sachen Sonett es bestätigt, wirst du sicher sein.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

(c)[/QUOTE]

Thing · 19.09.2011, 16:55

Es war aber nicht d e r Morgen gemeint, sondern d a s Morgen...

Ex-Odiumediae · 19.09.2011, 17:33

Zitat:

Zitat von Thing

Es war aber nicht d e r Morgen gemeint, sondern d a s Morgen...

Haahahahahaha! Subtil, aber jetzt, durch das späte Verstehen, umso lustiger.

Erich Kykal · 19.09.2011, 19:30

"die sachte durch das Morgen mich geleiten."

Dann eben so.

LG, eKy

Thing · 19.09.2011, 19:35

Habt Dank!

Ich werde bei poetry um eine Korrektur nachsuchen.

Thing

Erich Kykal · 19.09.2011, 19:41

Oder zu "zitierst" das Gedicht nach unten, korrigierst es selber und beuntertitelst es als 2. Version oder Bearbeitete Version...auch eine Möglichkeit.

Thing · 19.09.2011, 23:29

"beuntertiteln" ist genial!

Thing · 30.06.2015, 19:48

Überarbeitete Fassung:

Im Dämmer schloß sich hinter mir die Tür.
Der Fensterriegel war so nah. Ich voller Beben.
Was sollte mir dies jammervolle Leben?
Nur Tagespflicht, nie wirklich eigne Kür.

Dennoch: Es stand mir nichts dafür,
so leicht und einfach aufzugeben.
Es galt, im Eifer fort zu streben,
zu leisten nach der eigenen Gebühr.

Das volle Dasein hat zu viele Seiten,
von der nicht eine ich zerreißen darf,
weil es mich auch in gute Zeilen warf.

Ich wurde mählich weise und besonnen.
Hab meine Worte mir zurechtgesponnen,
die mich zu meinem Morgen hingeleiten.

Thing · 01.07.2015, 15:36

hab ganz, ganz herzlichen Dank für dieses bezaubernde Kompliment!

Freundliche Grüße
vom
Thing

(Wenn ich drastisch-rüde und/oder vulgär schreibe, ist es immer Satire oder Parodie)

Wolfmozart · 04.07.2015, 12:16

Hallo Thing,

ein schönes philosophisches Gedicht.
Ausgefallen in Inhalt und Ausführung.
Gern gelesen

wolfmozart

Thing · 08.07.2015, 11:59

Dir einen besonders herzlichen Dankesgruß

v.
Thing!

Ex-Poesieger · 08.07.2015, 12:28

Hätte der Tod sich besser erklären können?

Vielen Dank + MFG

Thing · 08.07.2015, 12:44

Er mußte wieder i.L. gehen.

MfG
Thing

Ex-Ralfchen · 08.07.2015, 14:10

ein text den man mögen kann oder nicht. ich bin möglicherweise ein möger. busserl aus kaufbeuren...

Thing · 08.07.2015, 14:46

Ich dachte, Du bist auch i.L.
(In Lauerstellung)
?

18.09.2011, 21:08	#1
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Besonnen Im Dämmer schloß sich hinter mir die Tür. Der Fensterriegel war so nah. Ich voller Beben. Was sollte mir dies jammervolle Leben? Nur Tagespflicht, nie wirklich eigne Kür. Dennoch: Es stand mir nichts dafür, so leicht und einfach aufzugeben. Es galt, im Eifer fort zu streben, zu leisten nach der eigenen Gebühr. Das Dasein hat zu viele Seiten, von der nicht eine ich zerreißen darf, weil es mich auch in gute Seiten warf. So ward ich mählich denn besonnen. Hab meine Worte mir zurechtgesponnen, die durch das Morgen mich geleiten. (c)

30.06.2015, 19:48	#16
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Besonnen Überarbeitete Fassung: Im Dämmer schloß sich hinter mir die Tür. Der Fensterriegel war so nah. Ich voller Beben. Was sollte mir dies jammervolle Leben? Nur Tagespflicht, nie wirklich eigne Kür. Dennoch: Es stand mir nichts dafür, so leicht und einfach aufzugeben. Es galt, im Eifer fort zu streben, zu leisten nach der eigenen Gebühr. Das volle Dasein hat zu viele Seiten, von der nicht eine ich zerreißen darf, weil es mich auch in gute Zeilen warf. Ich wurde mählich weise und besonnen. Hab meine Worte mir zurechtgesponnen, die mich zu meinem Morgen hingeleiten.

01.07.2015, 15:36	#17
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Jonny - hab ganz, ganz herzlichen Dank für dieses bezaubernde Kompliment! Freundliche Grüße vom Thing (Wenn ich drastisch-rüde und/oder vulgär schreibe, ist es immer Satire oder Parodie)

08.07.2015, 11:59	#19
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber wolfmozart - Dir einen besonders herzlichen Dankesgruß v. Thing!

19.09.2011, 09:09	#3
Ex-Odiumediae abgemeldet Dabei seit: 07/2010 Beiträge: 1.151 Meine Gedichte	Ich dachte, Du könnest keine Sonette? Man könnte es metrisch anpassen, ohne es zu verunstalten und hätte ein wunderbares Sonett. Ich weiß nicht, ob die Strophen zufällig denen eines Sonetts ähneln, aber das Reimschema abba abba cdd eec und die (soweit ich es richtig beurteile) sauberen Sinneinheiten spricht dafür, dass es Absicht war. Wunderbar!

19.09.2011, 09:27	#4
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Geht mir runter wie Öl. Nein, war keine Absicht, war schierer Zufall. Ich kann nämlich keine Sonette dichten. Es fügte sich seinerzeit so. Wo und wie kann ich verbessern? LG Thing

19.09.2011, 09:45	#6
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ehrlich: Ist es nicht! Du wirst in meiner Sammlung keine Sonette entdecken. Thing

19.09.2011, 11:14	#7
Ex-Kaleidoskop abgemeldet Dabei seit: 07/2011 Beiträge: 217 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ja, Thing es klingt sehr schön. Würdest du es als Sonett schreiben wollen, fehlt nicht viel. Es bräuchte pro Zeile fünf Hebungen (betonte Silben),immer im Wechsel mit einer unbetonten Silbe. Jede Zeile muss unbetont anfangen. Im Dämmer schloß sich hinter mir die Tür. perfekt Der Fensterriegel war so nah. Ich voller Beben. eine Hebung zuviel Was sollte mir dies jammervolle Leben? perfekt Nur Tagespflicht, nie wirklich eigne Kür. perfekt Du bist also einem Sonett schon sehr nah. Ich möchte behaupten, dass dein Gedicht nicht zuletzt deshalb einen so schönen Klang hat. Die festen Formen waren bei den alten Dichtern nicht ohne Grund beliebt. Deine Wortwahl und die Thematik passen sehr gut zu dieser Form. Ich habe es gern gelesen. lg, kalei

19.09.2011, 13:21	#9
Erich Kykal Dabei seit: 09/2011 Ort: Österreich Alter: 59 Beiträge: 876 Meine Gedichte	Hi, Rom! Wunderbar, nur bei den 3Zeilern am Ende hapert's ein klein wenig. 3 Sachen: Das volle Dasein hat zu viele Seiten, Zeile sonst zu kurz. (Es sollen 5 Heber sein) von der nicht eine ich zerreißen darf, weil es mich auch in gute Seiten warf. Ich wurde mählich weise und besonnen. Zeilenlänge, Hebungsanzahl:5! Hab meine Worte mir zurechtgesponnen, die mich nach jedem Morgen hingeleiten. Auch hier: Bei dir - nur 4 Heber. Jetzt:5. So wäre nun, denke ich, alles, wie es sein soll - allerdings denke ich auf relativ unkundiger Basis. Wenn ein Berufener in Sachen Sonett es bestätigt, wirst du sicher sein. Sehr gern gelesen! LG, eKy (c)[/QUOTE]

19.09.2011, 16:55	#10
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Es war aber nicht d e r Morgen gemeint, sondern d a s Morgen...

19.09.2011, 19:30	#12
Erich Kykal Dabei seit: 09/2011 Ort: Österreich Alter: 59 Beiträge: 876 Meine Gedichte	"die sachte durch das Morgen mich geleiten." Dann eben so. LG, eKy

19.09.2011, 19:35	#13
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Habt Dank! Ich werde bei poetry um eine Korrektur nachsuchen. Thing

19.09.2011, 19:41	#14
Erich Kykal Dabei seit: 09/2011 Ort: Österreich Alter: 59 Beiträge: 876 Meine Gedichte	Oder zu "zitierst" das Gedicht nach unten, korrigierst es selber und beuntertitelst es als 2. Version oder Bearbeitete Version...auch eine Möglichkeit.

19.09.2011, 23:29	#15
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	"beuntertiteln" ist genial!

04.07.2015, 12:16	#18
Wolfmozart Dabei seit: 04/2012 Alter: 59 Beiträge: 1.300 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hallo Thing, ein schönes philosophisches Gedicht. Ausgefallen in Inhalt und Ausführung. Gern gelesen wolfmozart

08.07.2015, 12:28	#20
Ex-Poesieger abgemeldet Dabei seit: 11/2009 Beiträge: 7.220 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hätte der Tod sich besser erklären können? Vielen Dank + MFG

08.07.2015, 12:44	#21
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Er mußte wieder i.L. gehen. MfG Thing

08.07.2015, 14:10	#22
Ex-Ralfchen abgemeldet Dabei seit: 10/2009 Alter: 77 Beiträge: 17.302 Meine Gedichte Meine Favoriten	ein text den man mögen kann oder nicht. ich bin möglicherweise ein möger. busserl aus kaufbeuren...

08.07.2015, 14:46	#23
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ich dachte, Du bist auch i.L. (In Lauerstellung) ?