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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 20.02.2011, 12:37   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Folterknecht

Aus den Augen preßt der Wind
Tränen, die nicht Trauer sind,
nur um seinen Spaß zu haben,
sich an ihrem Quell zu laben.

In die Wangen, fein und weich,
beißt er, um zu schmecken Fleisch,
dringt mit Nadeln, kalt und spitz,
in der Nase letzten Ritz,

läßt heißen Atem Hochzeit halten
mit luftig tanzenden Gestalten
beim frostig-weißen Bal paré:
Dies' himmlisch Kind tut nichts als weh!

20. Februar 2011
© Ilka-Maria
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Alt 20.02.2011, 12:47   #2
Ex-Odiumediae
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Schöne Wortwahl und Metaphern! Besonders der letzte Reim gefällt mir.

Das einzige, was ich nicht ganz passend finde, ist, dass Klischee, dass es dem Scharfrichter Spaß gemacht hat. Das hat es meistens sicher nicht, denn es war sein Beruf, der lediglich gut bezahlt wurde (das es ein unehrlicher Beruf war, dem sonst niemand hätte nachgehen wollen, selbst jene nicht, die bereits als unehrlich galten und den menschlichen Körper kannten, wie z.B. Bader, Scherer, Barbiere, etc.).
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Alt 20.02.2011, 13:01   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Odiumediae Beitrag anzeigen
Das einzige, was ich nicht ganz passend finde, ist, dass Klischee, dass es dem Scharfrichter Spaß gemacht hat. Das hat es meistens sicher nicht, denn es war sein Beruf, der lediglich gut bezahlt wurde.
Der Einwand ist berechtigt, aber nur zum Teil. Es gab - und gibt auch heute noch - Menschen, die sich an Grausamkeiten "hochziehen". Wie sonst kannst Du mir erklären, daß es z.B. im alten England "normal" war, bei einer Hinrichtung den Verurteilten nur solange zu Hängen, bis er gerade noch ein Lebenszeichen von sich gab, ihm dann bei lebendigem Leib Gliedmaßen abzuhacken und ihm schließlich den Bauch aufzuschlitzen, um die Gedärme herauszuziehen? So etwas macht man, um sich daran zu weiden, und die Obrigkeit, die dieses Schauspiel haben wollte, hat sich auch entsprechend die Henker ausgesucht.

Außerdem: In meinem Gedicht geht es nicht um Hinrichtung und also nicht um Henker, sondern um Folter, und zwar im übertragenen Sinne. Wenn man nicht gerade so verrückt ist wie Scott, den Pol erforschen zu wollen, kann man sich der Kältefolter gut entziehen. Mein Gedichtchen ist auch keine Klage, sondern mehr ein kleines Hadern mit der Unbill der (gut erträglichen) Natur. Wie sagt man: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Ich dachte, dieser Schuß Humor würde verstanden.

Danke für Deinen Kommentar und das Lob.

LG
Ilka-M.
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Alt 20.02.2011, 13:01   #4
Thing
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Und ich dachte, daß der Frostwind gemeint sei!
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Alt 20.02.2011, 13:03   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
Und ich dachte, daß der Frostwind gemeint sei!
Damit lagst Du auch genau richtig.
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Alt 20.02.2011, 13:38   #6
Ex-Odiumediae
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Der Einwand ist berechtigt, aber nur zum Teil. Es gab - und gibt auch heute noch - Menschen, die sich an Grausamkeiten "hochziehen". Wie sonst kannst Du mir erklären, daß es z.B. im alten England "normal" war, bei einer Hinrichtung den Verurteilten nur solange zu Hängen, bis er gerade noch ein Lebenszeichen von sich gab, ihm dann bei lebendigem Leib Gliedmaßen abzuhacken und ihm schließlich den Bauch aufzuschlitzen, um die Gedärme herauszuziehen? So etwas macht man, um sich daran zu weiden, und die Obrigkeit, die dieses Schauspiel haben wollte, hat sich auch entsprechend die Henker ausgesucht.
Das ist Unsinn. Sadisten hat es immer gegeben und wird es immer geben. Aber die Obrigkeit hat sich den Henker nur in Ausnahmefällen ausgesucht, denn es war, wie gesagt, ein unehrlicher Beruf. Scharfrichter haben zumeist nur innerhalb ihres Kreises geheiratet, Städte hatten ihre fest angestellten Scharfrichter, auch in England, da gab es im herkömmlichen Sinne keine Auswahl zu treffen; man hatte seine festen Kandidaten.

Was die Hinrichtungen angeht, meistens wurden die Opfer vorher vom Scharfrichter erwürgt, damit sie eben nicht leiden mussten. Selbst vor dem Rädern und Vierteilen, Strafen, die ohnehin nur in wenigen Fällen verhängt wurden (z.B. bei besonders niederträchtigen Raubmorden, Vergewaltigung – schwere Verbrechen gegen die menschliche Gemeinschaft).
Die Hinrichtung in ihrer archaischen Form ist teils Rache, hauptsächlich aber Abschreckung und gesellschaftliches Reinigungsritual, das wiederum die Gemeinschaft stärken soll. Das versteht man, wenn man sich vor Augen führt, wie die menschliche Gesellschaft im Mittelalter und der Frühen Neuzeit organisiert war. Man musste sich, weit stärker als heutzutage, aufeinander verlassen können. Dorf- und Stadtgemeinschaften waren gesellschaftlich eng miteinander verzahnt. Fiel ein Zahnrad dieser Gesellschaft aus, konnte das weitaus schwerwiegendere Folgen für die soziale Umgebung haben, als es auf den ersten Blick für das geschädigte Individuum der Fall gewesen zu sein schien. Mit 'Menschlichkeit' im heutigen Sinne hatte das wenig zu tun.
Nachlesen kann man das in mehreren von Richard van Dülmens Werken. Darin bekommt man einen Eindruck von der Zusammengehörigkeit der seriösen Geschichte mit der Sozialanthropologie. Zahlreiche popularwissenschaftliche Publikationen halten leider die alten Klischees von der dunklen, blutrünstigen Zeit noch immer aufrecht.


Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Außerdem: In meinem Gedicht geht es nicht um Hinrichtung und also nicht um Henker, sondern um Folter, und zwar im übertragenen Sinne. Wenn man nicht gerade so verrückt ist wie Scott, den Pol erforschen zu wollen, kann man sich der Kältefolter gut entziehen. Mein Gedichtchen ist auch keine Klage, sondern mehr ein kleines Hadern mit der Unbill der (gut erträglichen) Natur. Wie sagt man: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Ich dachte, dieser Schuß Humor würde verstanden.
Das es nicht primär um die Hinrichtung und Folter im herkömmlichen Sinne geht, habe ich verstanden. Bitte entschuldige meine lange vom eigentlichen Thema abweichende Rede. Ich finde es einfach ärgerlich, wenn ich in guten Texten wie diesem auf Klischees stoße, selbst wenn sie in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht meinen Anstoß finden sollten.
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Alt 20.02.2011, 16:58   #7
männlich Kanone
 
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Hey Ilka-Maria,

gefällt mir sehr gut dein Werk.
Vor allem:
Zitat:
läßt heißen Atem Hochzeit halten
mit luftig tanzenden Gestalten
beim frostig-weißen Bal paré:
Dies' himmlisch Kind tut nichts als weh!
Welch wunderbare Strophe !


Lieber Gruß (kein frostiger)

Kanone
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Alt 20.02.2011, 17:19   #8
weiblich Ilka-Maria
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Odi,

warst Du schon mal in Rothenburg und hast das Kriminalmuseum besichtigt? Und Dir sowohl im Museum wie auch im Katalog die Folter- und Hinrichtungsinstrumente angesehen?

Weißt Du verbindlich, wieviele Henker es gab, die sich an ein Berufsethos hielten? Oder wieviele Laien, die doch lieber quälten oder ihre Handlungen nicht selbst entscheiden konnten?

Weshalb rotteten sich Menschenmengen bei Hinrichtungen zusammen? Ist das, abgesehen vom Schinderkarren und dem anschließend schmerzhaften Tod, nicht schon eine Quälerei an sich, in der größten Erniedrigung und in einer völlig wehrlosen Haltung, ja in größter Todesangst zur Schau gestellt zu werden?

Welchen Sinn hätte es gemacht, gemanden auf das Rad zu flechten, wenn er vorher schon von Henkers Gnaden erwürgt worden wäre? Und was ist mit den Menschen, denen man die Haut bei lebendigem Leib vom Fleisch zog?

William Wallace wurde bei lebendigem Leib ausgeweidet, und das war zu seiner Zeit in England "Standard".

Kann man der Folter und der Hinrichtung überhaupt etwas Gutes zureden?

Von finsteren Zeitaltern will ich gar nicht sprechen. Die Menschen waren früher nicht anders als heute, und ließe man sie, wären sie zu denselben Taten fähig.

Es gibt eine Szene in dem Film "Lawrence von Arabien", in der Lawrence zugibt, das Abschlachten von wehrlosen Türken genossen zu haben und deshalb vor sich selbst erschrocken zu sein. Das war keine Drehbuch-Erfindung, die Passage geht zurück auf sein biografisches Buch "Die sieben Säulen der Weisheit".

Das hat jetzt nichts mit meinem Gedicht zu tun, das ja nur Metaphern enthält; aber die Sache ist nun mal auf die ernste Schiene geschoben worden.

Gruß
Ilka
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Alt 20.02.2011, 17:26   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Kanone Beitrag anzeigen
Hey Ilka-Maria,

gefällt mir sehr gut dein Werk.
Vor allem:


Welch wunderbare Strophe !


Lieber Gruß (kein frostiger)

Kanone
Danke Dir. Meistens ist es die letzte Strophe, die am meisten Kopfzerbrechen macht. Umso schöner, wenn sie gefällt.

LG
Ilka-M.
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Alt 20.02.2011, 17:44   #10
Ex-Odiumediae
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Odi,

warst Du schon mal in Rothenburg und hast das Kriminalmuseum besichtigt? Und Dir sowohl im Museum wie auch im Katalog die Folter- und Hinrichtungsinstrumente angesehen?
Nicht in Rothenburg, aber in Prag und in London. Das ist aber pure Sensationslust, kaum ernstzunehmende Fakten.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Weißt Du verbindlich, wieviele Henker es gab, die sich an ein Berufsethos hielten? Oder wieviele Laien, die doch lieber quälten oder ihre Handlungen nicht selbst entscheiden konnten?
Die Wenigsten, denn bei der Folter mussten in deutschen Landen in der Regel der Richter, Gerichtsdiener, Gerichtsschreiber und der Knecht des Scharfrichters anwesend sein. Letzterer führte meist nur die Aufsicht (was wieder gegen den unterstellten Sadismus spricht). Einen Berufsethos hielten sie aber fast alle, wie es damals üblich war.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Weshalb rotteten sich Menschenmengen bei Hinrichtungen zusammen? Ist das, abgesehen vom Schinderkarren und dem anschließend schmerzhaften Tod, nicht schon eine Quälerei an sich, in der größten Erniedrigung und in einer völlig wehrlosen Haltung, ja in größter Todesangst zur Schau gestellt zu werden?
Natürlich, aber das hat nichts mit dem Thema zu tun. Hinrichtungen waren lange Zeit öffentliche Veranstaltungen und wurden wie Jahrmärkte geführt.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Welchen Sinn hätte es gemacht, gemanden auf das Rad zu flechten, wenn er vorher schon von Henkers Gnaden erwürgt worden wäre? Und was ist mit den Menschen, denen man die Haut bei lebendigem Leib vom Fleisch zog?
Einen symbolischen Sinn. Das ist der Hauptpunkt meiner Argumentation. Die Folter wie die Hinrichtung sind ein Reinigungsakt und auch meist als solcher aufgefasst worden. Unterschätze nicht seine gesellschaftliche Bedeutung, vor allem in dr Frühen Neuzeit.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
William Wallace wurde bei lebendigem Leib ausgeweidet, und das war zu seiner Zeit in England "Standard".
Nein, das war es eben nicht, sogar ganz bestimmt nicht. Siehe oben. Besagte Lektüre ist auch aufschlussreich.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Kann man der Folter und der Hinrichtung überhaupt etwas Gutes zureden?
Ja, die Menschen damals konnten es, auch wenn wir das heute nicht verstehen können.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Von finsteren Zeitaltern will ich gar nicht sprechen. Die Menschen waren früher nicht anders als heute, und ließe man sie, wären sie zu denselben Taten fähig.
Die Menschen waren anders als heute. Man sieht es unter Anderem daran, dass es heute viel weniger und weniger grausame Hinrichtungen gibt. Es hat sich viel geändert, allein schon in der europäischen Gesellschaft.


Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Es gibt eine Szene in dem Film "Lawrence von Arabien", in der Lawrence zugibt, das Abschlachten von wehrlosen Türken genossen zu haben und deshalb vor sich selbst erschrocken zu sein. Das war keine Drehbuch-Erfindung, die Passage geht zurück auf sein biografisches Buch "Die sieben Säulen der Weisheit".
Das hat an sich nichts mit dem Thema zu tun, außer dass es bestätigt, was wir beide wissen; nämlich das viele Menschen von Gewalt und Grausamkeit fasziniert sind. Aber auf dieser Grundlage davon auszugehen, dass die Mehrheit der Scharfrichter Sadisten waren, ist nicht haltbar.
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Alt 20.02.2011, 17:55   #11
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Tut mir leid, Odi, das überzeugt mich alles nicht. Unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit wurden auch Frauen (sowie Männer und Tiere) der Hexerei und Zauberei "überführt", ganz nach Behördenbrauch und Protokoll. Diese einzuhalten ändert aber nichts an der Perversität. Das hat ungefähr die Qualität wie der "klinisch saubere" Krieg gegen den Irak.

Außerdem hast Du meine Frage nicht beantwortet, weshalb sich Menschenmassen bei Hinrichtungen zusammenrotteten. Du hast lediglich gesagt, das sei früher eben so gewesen. Meine Antwort: Lust am Ansehen des Leidens anderer. Susan Sontag hat darüber ein Buch geschrieben.
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Alt 20.02.2011, 18:04   #12
Thing
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Sensationsgier. Archaische Lust am Grauen. Wodurch auch immer entstandener Sadismus.
Dunkelste und schlimmste Instinkte.
Gilt in meinen Augen noch mehr für Folter als für Hinrichtung.
Hexenverfolgung mit all dem Grauen: Habgier!!! Danach Rachsucht, wodurch das Denunziantentum zu ungeheurer Blüte gelangte.

Da ist mir der eisige Winter als Quäler lieber!!!!
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Alt 20.02.2011, 18:14   #13
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Tut mir leid, Odi, das überzeugt mich alles nicht. Unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit wurden auch Frauen (sowie Männer und Tiere) der Hexerei und Zauberei "überführt", ganz nach Behördenbrauch und Protokoll. Diese einzuhalten ändert aber nichts an der Perversität. Das hat ungefähr die Qualität wie der "klinisch saubere" Krieg gegen den Irak.

Außerdem hast Du meine Frage nicht beantwortet, weshalb sich Menschenmassen bei Hinrichtungen zusammenrotteten. Du hast lediglich gesagt, das sei früher eben so gewesen. Meine Antwort: Lust am Ansehen des Leidens anderer. Susan Sontag hat darüber ein Buch geschrieben.
Das überzeugt Dich nicht, weil Du Dich nicht verbessern lassen möchtest, ist jetzt meine Schätzung.

Ich habe Deine Frage sehr wohl beantwortet, sogar zwei Mal, ein Mal bereits, bevor Du sie gestellt hast. Hinrichtungen waren Spektakel, sie wurden wie Jahrmärkte aufgezogen, die Menschen haben für einige Stunden die Arbeit ruhen lassen, es wurden Getränke und Essen verkauft. Wie noch im 15. Jahrhundert der Kirchgang war eine Hinrichtung ein soziales Ereignis, bei dem man zugegen sein musste. Die Faszination am Tod und am Leiden anderer sowie Rache spielen natürlich eine Rolle.

Susan Sontag hat darüber ein Buch geschrieben? Na, und? Gib einfach mal in der Amazon-Suche das Wort Folter ein, was meinst Du, wie viele Publikationen Dir da geboten werden? Damit lässt sich Geld machen. Die wenigsten dieser Publikationen sind jedoch nicht voller Klischees oder bestechen höchstens durch fehlende Quellenangaben und reißerische Aufmachung à la Kirchschlager (und der ist sogar Germanist und Historiker, ich finde das eine unheimliche Nestbeschmutzung).

Die Hexenverfolgungen äußerten sich vor allem durch allgemeine Paranoia, Angst, Aberglaube sowie Gier und Missgunst. Wie du selbst sagst, fanden sie nach damaligem Recht statt. Der springende Punkt ist jedoch, dass die Menschen auf dieses 'Rechtssystem' vertraut und auch die abergläubischen Vorwürfe zum größten Teil geglaubt haben. Man kann die Geschichte der Folter und der Hinrichtungen nicht nach heutigen moralischen "Standards" und modernen Ansichten beurteilen.
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Alt 20.02.2011, 18:18   #14
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
Da ist mir der eisige Winter als Quäler lieber!!!!
Mir ist er nicht lieb. Als ich am Freitag zur S-Bahn lief, kullerten mir links und recht die Tränen aus den Augenwinkeln, nur wegen der kalten Luft. Dagegen konnte ich gar nichts machen. Und das ist richtig peinlich: Da kommt man völlig verheult auf dem Bahnsteig an, obwohl einem gar nicht zum Heulen ist, und jeder glotzt. Das war der Aufhänger für das Gedichtchen.
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Alt 20.02.2011, 18:19   #15
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Zitat:
Zitat von Odiumediae Beitrag anzeigen
Das überzeugt Dich nicht, weil Du Dich nicht verbessern lassen möchtest, ist jetzt meine Schätzung.

Ich habe Deine Frage sehr wohl beantwortet, sogar zwei Mal, ein Mal bereits, bevor Du sie gestellt hast. Hinrichtungen waren Spektakel, sie wurden wie Jahrmärkte aufgezogen, die Menschen haben für einige Stunden die Arbeit ruhen lassen, es wurden Getränke und Essen verkauft. Wie noch im 15. Jahrhundert der Kirchgang war eine Hinrichtung ein soziales Ereignis, bei dem man zugegen sein musste. Die Faszination am Tod und am Leiden anderer sowie Rache spielen natürlich eine Rolle.

Susan Sontag hat darüber ein Buch geschrieben? Na, und? Gib einfach mal in der Amazon-Suche das Wort Folter ein, was meinst Du, wie viele Publikationen Dir da geboten werden? Damit lässt sich Geld machen. Die wenigsten dieser Publikationen sind jedoch nicht voller Klischees oder bestechen höchstens durch fehlende Quellenangaben und reißerische Aufmachung à la Kirchschlager (und der ist sogar Germanist und Historiker, ich finde das eine unheimliche Nestbeschmutzung).

Die Hexenverfolgungen äußerten sich vor allem durch allgemeine Paranoia, Angst, Aberglaube sowie Gier und Missgunst. Wie du selbst sagst, fanden sie nach damaligem Recht statt. Der springende Punkt ist jedoch, dass die Menschen auf dieses 'Rechtssystem' vertraut und auch die abergläubischen Vorwürfe zum größten Teil geglaubt haben. Man kann die Geschichte der Folter und der Hinrichtungen nicht nach heutigen moralischen "Standards" und modernen Ansichten beurteilen.
Danke, das ist deutlich. Jetzt hast Du mich überzeugt. Trotzdem hat es aber nichts damit zu tun, ob Menschen einer Hinrichtung aus Sensationsgier beiwohnen wollten oder sich abgestoßen fühlten. Sind nun die meisten hingegangen oder die meisten ferngeblieben?

Merkwürdig, welch eine Diskussion ein kleines Naturgedicht lostreten kann. Wäre nicht passiert, hätte ich einen anderen Titel gewählt. Und ich hatte tatsächlich erst einen anderen im Sinn.
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Alt 20.02.2011, 18:34   #16
Ex-Odiumediae
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Danke, das ist deutlich. Jetzt hast Du mich überzeugt. Trotzdem hat es aber nichts damit zu tun, ob Menschen einer Hinrichtung aus Sensationsgier beiwohnen wollten oder sich abgestoßen fühlten. Sind nun die meisten hingegangen oder die meisten ferngeblieben?

Merkwürdig, welch eine Diskussion ein kleines Naturgedicht lostreten kann. Wäre nicht passiert, hätte ich einen anderen Titel gewählt. Und ich hatte tatsächlich erst einen anderen im Sinn.
Das klingt beinahe sarkastisch, wenn ich nicht mittlerweile etwas besser einschätzen könnte, wie Deine Reaktionen gemeint sind, hätte ich das falsch verstehen können.

Naja, es tut mir Leid, Deinen Thread zugemüllt zu haben. Vielleicht hätte man diese Diskussion doch in einem separaten Thread führen sollen, denn dem Wind in Deinem Gedicht steht es natürlich zu, sadistisch zu sein. Wenn man diese Freiheit nicht hätte, seine lyrischen oder literarischen Bezugsobjekte zu gestalten, wie es einem gefällt, wo bliebe dann der Reiz?

Wieder zurück zum Thema: ein feines Gedicht.
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Alt 20.02.2011, 19:18   #17
Thing
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Die tränenden Augen kenne ich auch.
Aber ein schneidender Wind ist nun einmal keine milde Frühlingsbrise.
Dafür wärmt die Delikatesse Deines Gedichtes mein Herz.

Mir ist auch schon - ungelogen - ein Tropfen an der Nase gefroren.
Wir hatten hier einen sehr drastischen Ausdruck:

"Da gefriert einem ja der Ginkel in der Nase!"



Thing
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