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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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27.03.2010, 08:17 | #1 |
Forumsleitung
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Büsingpalais
Nur Außenmauern - das war's.
Ausgebombt 1943. Die Treppe flankiert von verwundeten Steinlöwen mit hohlem Blick über brüchigen Stufen. Was, wenn sie beide plötzlich ihre bemähnten Köpfe herumdrehten und in die Welt sähen, erlöst vom Wächterdasein? Kinderphantasien! Erster Januar, wir suchen im Park nach Blindgängern, gehen Wege und Hecken ab, finden im Schnee eine Puppe, einen verlorenen Nikolaus. Ob der wohl brennt? Wir zünden Streichhölzer. Und wenn Gott uns dafür straft? Der Heilige kokelt nicht mal, trotzdem, das Gewissen nagt, steiffingrig begraben wir ihn unter gefrorenem Laub. 24. März 2010 by Ilka-M. |
27.03.2010, 09:25 | #2 |
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889
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Liebe Ilka-Maria,
ich habe ja schon einige deiner Gedichte aus der Offenbach Reihe gelesen, aber dieses ist für mich bis jetzt das Beste. Weil es so eindringlich ist. So berührt. Kinder die Blindgänger suchen und Nikoläuse anzünden. Mit anschliessend schlechtem Gewissen. Das geht einem schon nah beim Lesen. Auch wenn man diese Nachkriegszeit nicht erlebt hat. Man erlebt sie durch dein Gedicht. Liebe Grüsse Corazon |
27.03.2010, 12:32 | #3 | |
Hallo,
Für mich ist es leider kein Gedicht, sondern eine Geschichte. Mit wenigen Wörtern mehr kannst du es hintereinander wegschreiben. Keine Metrik, keine Reime (gut, das brauchen modere Gedicht nicht zwingend), nur wenige Bilder, keine stilistischen Feinheiten. So plätschern die ersten 12 Verse dahin, ohne /große) Stärken. Die letzten 2 Strophen sind da etwas gelungener. Das Motiv der Monitionssuchenden Kinder, die nachdem sie alles verloren haben davor Angst haben von Gott bestraft zu werden weil sie eine Puppe anzünden. Für mich das beste an dem was du schreibst: Zitat:
Glasauge Bill |
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27.03.2010, 13:04 | #4 |
Forumsleitung
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Erst mal Euch beiden vielen Dank für die Kommentare.
Mir geht es in erster Linie um ein Stimmungsbild, deshalb habe ich auf Reime verzichtet. Da das Gedicht in einen Zyklus gehört, will ich bei einem bestimmten Stil bleiben. Das einfache Schildern von Alltäglichkeiten ist gewollt, denn es geht um die Nachkriegserinnerungen eines Kindes, und damals ging es noch sehr einfach zu, denn man besaß fast nichts (zumindest war es bei uns so, weil meine Mutter Flüchtling aus Pommern und mein Vater über zweieinhalb Jahre lang Kriegsgefangener war). Da konnten Banalitäten durchaus aufregend sein, man war ja erfinderisch. Die Steinlöwen des Büsingpalais dienten uns mit ihren breiten Rücken jedenfalls regelmäßig als Reittiere, und das fanden wir großartig. Offenbar vermutet ihr, es handele sich bei den Blindgängern um "Munition". Dabei habe ich doch deutlich geschrieben, daß die Begebenheit am ersten Januar stattfindet. Und was knallt denn wohl in der Nacht davor? Was suchen denn Kinder am nächsten Tag, in der Hoffnung, sie könnten noch ein bißchen etwas ballern lassen? Ich dachte eigentlich, das sei völlig klar, weil das sehr viele Kinder tun, auch heute noch (meinen Sohn hatten diese Spielereien fast einmal das Augenlicht gekostet). Die einzige "Munition", die man jemals in Offenbach entdeckt hat, waren Fliegerbomben, und die lagen tief im Boden. So, ich linke mich jetzt mal für eine Weile aus - hab' einen wichtigen Termin auf dem Bieberer Berg. Liebe Grüße Ilka-M. |