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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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23.08.2012, 10:26 | #1 |
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Russenluxus
Wie herrlich ist’s im Russenlager,
hier wird ein Fettsack wieder mager, pro Tag gibt’s einmal dünnen Brei und dazu kräftig Schufterei, das ist mal endlich die Diät, die kräftig auf die Bäuche schlägt, zwar gehen auch die Muskeln drauf, das nimmt man aber gern in Kauf. Und mehrmals Sex an jedem Abend, das ist für Geist und Körper labend! Viel schöner ist’s kaum anderswo (vielleicht noch in Guantanamo). Fünf Jahre für zwei Grämmchen Gras, das ist das rechte Augenmaß, zwar ist der Luxus nicht ganz billig, doch für die Schlankheit ist man willig. Zahlt man den Wärtern harte Rubel, gibt’s nach fünf Jahren großen Jubel: Man hält den heißgeliebten Gast noch ein paar Jährchen fest im Knast. 23. August 2012 by Ilka-Maria |
23.08.2012, 10:33 | #2 |
R.I.P.
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Gelungene Satire.
Kabarettreif. |
25.08.2012, 00:01 | #3 |
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Die Aussage dieses Textes spiegelt sehr eindrucksvoll die äußerst begrenzte Sichtweise des kleinen mannes wider. Dieser, durch sein Umfeld geprägte Zeitgenosse, behandelt selbst Themen, die sein Urteilsvermögen offensichtlich bei weitem übersteigen, nach Tageslaune. Er würde auch niemals auf die Idee kommen, in dem hier vorliegenden Textbeitrag ein Pendant zu einem Textbeitrag mit dem Titel (sagen wir mal): "Japanerluxus", "Amerikanerluxus" oder "Irgendwo-in-den-ehemaligen-Kolonien-europäischer-Länder-Luxus" zu sehen. Psst..., daß es hierbei auch um Menschen geht, die für einen schlechten Scherz herhalten müssen, wird niemandem auf die Nase gebunden. Es ist ein hervorragend gelungenes Beispiel für das Einhergehen von stark ausgeprägter Profilierungssucht, Ignoranz, Verdrängung und Voreingenommenheit.
bG Bane |
25.08.2012, 07:52 | #4 |
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Lieber Bane,
mein Text ist keine Erfindung von mir. Dem Gedicht liegt der Tatsachenbericht eines Engländers zugrunde, der bei seinem Ausreiseversuch wegen zwei Gramm Haschisch (der lächerliche Rest einer Vorabendfeier) zunächst zu sieben Jahren, dann reduziert zu vier Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Er hatte beim Zoll eine Geste des russischen Beamten nicht verstanden, der Schmiergeld haben wollte, sonst wäre dem Engländer eine Anklage erspart geblieben. Im Klassifizierungssinne handelte sich ganz sicher um einen "kleinen Mann", aber inwieweit ihm die Sichtweise auf die Zustände im Gefängnis versperrt waren, kann ich nicht beurteilen, da muß ich mich schon auf sein Zeugnis verlassen, denn schließlich war er der Insasse, nicht ich. Seiner Aussage nach brauchte er nach seiner Freilassung immerhin einige Jahre, um sein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Die Jahre im Gefängnis hatten seiner Familie ein Vermögen an Bestechungsgeldern gekostet, ansonsten wäre dieser Mann, unterernährt und zu harter Fabrikarbeit verdonnert, jedweder Krankheit ausgesetzt gewesen. Seine größte Angst jedoch war, nachts aus der Zelle geholt und vergewaltigt zu werden, was er dann aber "nur" akustisch miterleben mußte. Soviel zum Bericht eines Betroffenen. Was mich jedoch noch mehr überzeugte, war die Forderung Medwedews während seiner Präsidentschaft (2009), die unmenschlichen Verhältnisse in den russischen Gefängnissen zu beseitigen und den Strafvollzug westlichen Verhältnissen anzupassen. Ich fürchte jedoch, da ist nicht viel geschehen. Ich gebe offen zu, daß ich mich bei meinen Texten lieber auf die Berichte von Betroffenen verlasse, als selbst erst so eine Geschichte durchmachen zu müssen. Schließlich läßt sich ja auch niemand hinrichten, um hinterher ein Gedicht für oder gegen die Todesstrafe schreiben zu können. Und zum Abschluß: Ich schreibe derartige Texte nicht, ohne zuvor recherchiert zu haben. Wenn ich nur fabulieren will, mache ich das klar und deutlich. Insofern greift dein Kommentar von Anfang bis Ende völlig ins Leere. Besten Gruß Ilka |
25.08.2012, 08:00 | #5 |
R.I.P.
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Dann relativiere ich:
Sarkasmus, ehrlich und gallebitter. . . . Erinnert mich an einen Film, in dem ein authentisches (gleiches) Schicksal geschildert wurde. Ein geshanghaiter Amerikaner (?) wurde als Spion gekapert und entgegen der Abmachung als Bauernopfer den Russen überlassen. Irgendwann nach Jahren gelang ihm eine abenteuerliche Flucht, aber rehabilitiert wurde er nie. |
25.08.2012, 09:28 | #6 | |
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Zitat:
Ich schlage vor, die Recherchen geringfügig auszuweiten. Das kann den hier kaum wahrnehmbaren Horizont erheblich erweitern. Auf dem Weg dorthin kann es etwas holprig werden. Blessuren? Angekratztes Ego? Hmm... Naja, davon stribt man nicht. Es wartet ein unbeschreiblicher Aha-Effekt. Viel Erfolg! Bane |
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25.08.2012, 09:33 | #7 | |
R.I.P.
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Zitat:
Hatten wir solche Kommis nicht bereits ad nauseam? >Nichts Neues unter der Sonne. Quen jucktum? Aber: Nihil nisi bene! Oder bane? stark ausgeprägter Profilierungssucht, Ignoranz, Verdrängung und Voreingenommenheit. Wem das gilt? Selbsterkenntnis äußert sich hin und wieder auf diese Art... |
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25.08.2012, 09:38 | #8 | |
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Zitat:
Hingerichtet wird auch in China und in anderen Ländern, das stimmt. Hingerichtet wird auch in den U.S.A., aber mit Tendenz rückläufig, und ganz bestimmt nicht wegen zwei Gramm Haschisch. Es geht in meiner Satire auch um die Verhältnismäßigkeit, die von Dir völlig außer acht gelassen wird. Ich hatte den ehemaligen russichen Präsidenten zitiert, für den die Gefängnisse in den westlichen Demokratien offensichtlich Vorbild sind, und ich gehe davon aus, daß er wußte, worüber er sprach. Außerdem: Ich hatte mich, wie gesagt, an einen Tatsachenbericht angelehnt, und dieser Mann, um den es darin geht, war nun mal in Russland inhaftiert und nicht in irgendeinem anderen Land dieser Erde. Mit Ignoranz hat das überhaupt nichts zu tun. Wenn Dir die Zustände in einem dieser anderen Länder nicht gefallen, kannst Du ja selbst ein Gedicht darüber schreiben, das steht Dir völlig frei. Einfach nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist ziemlich wenig. Aber Du hattest anfangs gedacht, ich hätte mir das alles aus den Fingern gesogen, und jetzt weißt Du nicht mehr, wie Du Deinen ersten Kommentar erfolgreich verteidigen kannst. Durchsichtiger können Deine Bemühungen gar nicht mehr sein. |
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25.08.2012, 12:27 | #9 |
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Russenluxus
Ilka-Maria,
du schreibst ein Gedicht, um zu zeigen, wie schrecklich die Verhältnisse in einem russischen Gefängnis sind. Ich nehme dir das Hintergrundmaterial absolut ab, der Engländer hat vielleicht (aus naheliegenden Gründen) ein bisschen, aber nicht sehr übertrieben. Du selbst aber kennst das Ganze folglich nur vom Hörensagen. Da wäre es aber angebracht gewesen, genau auf diesen Engländer im Gedicht einzugehen. Das tust du aber nicht, sondern holst zu einem Rundumschlag gegen russische Gefängnisse aus, um so indirekt herauszustellen, wie demokratisch unsere deutschen Gefängnisse sind, das ist nämlich der Nebeneffekt. Dabei spielt, und das scheint in jeder Zeile durch, eine bestimmte Art von Russophobie eine Rolle und die bekannte nationalistische Überheblichkeit, wozu wir Deutschen ja nun nach diesem Krieg wahrlich keinen Anlass haben. Schon der Titel "Russenluxus" weist darauf hin. Zudem verallgemeinerst du auf gut Glück die Schilderung des Engländers, und das ist unredlich. Redlich wäre gewesen, wenn du dich ganz auf das Erlebnis des Engländers bezogen hättest. Was du in deinem Antwortkommentar schreibst, steht nicht im Gedicht. Was nützt ein sauber geschriebenes Gedicht, wenn es so viel Hass, so viel Nationalismus transportiert? Da ziehe ich ein weniger routiniertes Gedicht anderer User deinem ganz bestimmt vor. Nitribitto |
25.08.2012, 14:58 | #10 |
Archipel Gulag, sprich Urmeer Glawnoje Uprawlenije Lagerej sprich "Hauptverwaltung der Lager", euphemistischer Zynismus pur, Russophobie? Alexander Isajewitsch Solschenizyn hat demnach ein wenig übertrieben?
Ich kann den Adenauer nun wirklich nicht ab schon wegen der (Wieder)Einführung der Bundewehr samt Wehrpflicht, aber er soll mal -sinngemäß- entsetzt ausgerufen haben: "Kommunismus? Nur das nicht, Deutschland bleibe bewahrt vom Kommunismus!" Und wo der gute Mann recht hat, da hat er recht. Der Gefangene von Alcatraz nur ein billiges Alibi? Papillon ein nationalistisches Schauermärchen? I shall be released, Leute, und diese geradezu demagogische Abqualifizierung eines erschütternden, bildlich erdrückenden und aufwühlend sarkastischen Gedichtes, noch dazu vor realem Hintergrund... Gratulation, Ilka-Maria! ... das geht mir dann doch entschieden zu weit! Betroffene Grüße Desperado |
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25.08.2012, 15:22 | #11 |
R.I.P.
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Iwan Denissowitsch war nur allzuwahr.
Wer n i c h t hat ihn seinerzeit gelesen? Ebenso grausig wahr ist Ilka-Marias Entlarvung. |
25.08.2012, 16:08 | #12 |
Das totalitäre, absolutistische, menschenverachtende und zynisch frivol unverschämte Regime Chinas geisterte durch die Beiträge, etwa überlesen? Meines Wissens reden die Diktatoren dort bis heute von Kommunismus.
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25.08.2012, 16:14 | #13 |
R.I.P.
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Und was, bitte, hat das noch mit dem Originaltext zu tun?
Es geht nicht um vietnamesische, chinesische, japanische oder sonstwelche Gefänfnisse, es geht um russische. |
25.08.2012, 16:36 | #14 |
Demokratie hat es in Russland nie gegeben.
Nach dem Fall des Kommunimus soff sich der Umstürzler des Umsturzes lachend zu Tode, bevor der KGB Boss das Ruder übernahm und die Dinge nach seinen Vorstellungen "regelte", unsägliche Massaker befahl, die Gesetze "verschärfte", die Presse schrittweise zum Stillschweigen zwang durch Terror und Auftragsmorde, das am Boden liegende Heer mit Unsummen öffentlicher Gelder wieder aufbaute, während das Sozialwesen völlig kollabierte, etc.usw.usf., zwischendrin agierte der selbstgekrönte Zar mal mit Strohmann, damit's nicht ganz so schamlos offenkundig rüberkommt. Die unmenschlich mittelalterlichen Zustände in den Gefängnissen und "Arbeitslagern" wurden nicht nur übergangslos von den kommunistsichen Machthabern übernommen, sondern durch zeitgemäßere Foltermethoden und moderne Formen perfektionierter Erniedrigung "reformiert", zwangsläufige Gefängnisrevolten mit aller Gewalt "niedergeschlagen", das hat es mit Russland zu tun. Und die unerträgliche Verharmlosung in diversen Beiträgen gibt mir berechtigten Anlass zur Sorge. Ende der Durchsage. |
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25.08.2012, 16:39 | #15 | |
R.I.P.
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Zitat:
Du sprichst aus eigener Erfahrung? Das hatten wir doch dieser Tage schon einmal! |
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25.08.2012, 16:44 | #16 |
Ungeheuerlich offenkundig gewaltsam durchgepeitschten Wahlbetrug vor den Augen der Welt hatte ich noch vergessen in der langen Liste der zahllosen Verbrechen Putins gegen die Freiheit und die Menschenrechte, könnte seitenfüllend fortgeführt und verlängert werden.
Um das mitansehen und ohnmächtig ertragen zu müssen, muss ich weißgott kein Russe sein. |
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25.08.2012, 16:52 | #17 |
R.I.P.
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Na eben.
Dafür steht doch das Gedicht. |
25.08.2012, 16:57 | #18 |
Und die Zähne werden einem in den Gefänfnissen auch ausgeschlagen, soweit sie einem nicht ob mangelnder zahnärztlichr Versorgung aus dem Mund faulen.
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25.08.2012, 16:58 | #19 |
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Russenluxus
Lieber Desperado,
es wäre vielleicht ganz angebracht, hier nicht unfruchtbare politische Diskussionen zu führen. Mit liebem Gruß Nitribitto |
25.08.2012, 16:58 | #20 |
Forumsleitung
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"Krebsstation", "Archipel Gulag" - klar, kenne ich, habe ich in den 70er Jahren gelesen. Ich kenne auch andere zeitkritische Beiträge, wie z.B. "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" oder das Knast-Buch von Burkhard Driest und noch viele mehr. Sogar Ulrike Meinhofs kritische Schrift "Bambule" hatte ich ergattert, obwohl damals der freie Handel damit verboten war (heute ist das kein Problem mehr). Hitlers "Mein Kampf" steht in meinem Bücherregal, ebenso wie das "Schwarzbuch des Kommunismus" und das "Schwarzbuch des Kapitalismus" (alle gelesen).
Ich kenne aber auch Persiflagen wie z.B. "Der große Diktator" von Chaplin, "Sein oder Nichtsein" von Lubitsch, oder den italienischen KZ-Film "Das Leben ist schön". Nicht zu vergessen: Die "Antigone"-Fassung von Jean Anhouil, die so geschickt aufgeführt wurde, daß selbst die SS-Leute im Publikum nicht mitbekamen, daß sie auf's Korn genommen wurden. Komischerweise interessierte sich der Autor nur für die Besatzung in Frankreich, nicht für diejenige in Flandern oder im Osten; er hätte das wohl ein bißchen mehr recherchieren müssen - wie nachlässig von ihm! Was mich an dieser Diskussion jedoch am meisten fasziniert, ist der Vergleich diktatorischer Regime mit westlichen Demokratien. Ich suche immer noch verzweifelt nach einem Großunternehmer wie Chodorowski, den man unter fadenscheinigen Anschuldigungen und Zusatzanschuldigungen im Gefängnis festhält. Und wie war das mit dem Ex-Spion Litwinenko, der mit radioaktiven Mitteln vergiftet wurde? Und dann suche ich auch noch nach einer Statistik, die mir nachweist, daß auch in den westlichen Demokratien jede Familie mindestens einen Toten durch ein Gewaltverbrechen zu beklagen hat. In Russland ist dies der Fall. Aber das ist ohnehin ein anderes Thema. |
25.08.2012, 17:00 | #21 |
Im Gegensatz zu Dir, Nitribitto, behandle ich nach wie vor die überzeugend vorgebrachte Grundaussage und Anklage des bemerkenswerten Gedichtes von Ilka-Maria und unterstelle ihr keine nationalistische Agitation wie manch andere, die unter Umständen zu fruchtlosen politischen "Diskussionen" führen könnten, um das Werk darunter zu begraben, was meine Mutmaßung einer beabsichtigten Vorgehensweise leider bestätigt.
LG Desperado |
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25.08.2012, 17:02 | #22 |
R.I.P.
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25.08.2012, 17:05 | #23 |
Tut mir leid, Thing, war als makrabrer Scherz gedacht, andrerseits- das Gedicht ist ja auch in sarkastischem Ton gehalten, anders kann man offenbar heutzutage keinem mehr die Augen öffnen.
Ilka-Maria, es besteht eigentlich kein Grund, Deine Neutralität und unpoltisch motivierte Absicht durch Belesenheit zu untermauern, in Deinem Gedicht ist nichts Tendenzielles zu erkennen, es handelt sich lediglich um eine unmissverständliche Anklage russischen Gefängnisalltages. Wer da was gegen einzuwenden hat, macht sich tatsächlich verdächtig. LG und Finito Desperado |
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25.08.2012, 17:16 | #24 |
abgemeldet
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@Desperado
Köstlich.
bG Bane |