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Alt 08.06.2010, 14:13   #1
MarkusA
 
Dabei seit: 05/2010
Alter: 38
Beiträge: 3

Standard Was bin ich?

Was bin ich?

Diese Frage bezieht sich auch meine Herkunft, auf meine Nationalität, auf die einfache Frage, was ich bin. Um es auf mich zu erklaeren muss ich weit zurück gehn, in eine Zeit vor meiner Geburt, in die 70er.

Meine Eltern, damals kannten sie sich nicht einmal, lebten in einem Land, einem Staat, welcher sich Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien nannte. Meine Eltern lebten in Bosnien, mein Vater in einer Stadt an der Save, seine Familie war eher arm, da sie in einem multikulturellen Umfeld lebten und von verschiedenen „Nationalitäten“ umringt waren sahen sie sich selbst als Jugoslaven, obwohl sie römisch katholisch waren, das hiess nicht viel für sie, sie waren ein Teil der SFRJ, sie waren Jugoslaven, und meine Mutter wiederum lebte am Dorf, ein Dorf wo nur Katholiken lebten, ein Dorf in welchen man jeden Sonntag zur Kirche ging und wo man sich selbst als Kroate sah.

Da die Familie meines Vaters arm war zog er damals auch nach Österreich um etwas Geld zu verdienen und jeden Freitag eine gewisse Summe nach hause zu schicken. Ungefähr zur gleichen Zeit zog auch meine Mutter herauf, jedoch nicht aus Geldmangel, sondern weil es sie in die Ferne zog. Nach einigen Jahren kreuzten sich auch ihre Wege und nach einiger Zeit wurde ich gezeugt. Geboren wurde ich mitte der 80er Jahre in Österreich. Ich wurde also als ein Sohn eines kommunistisch/jugoslawischen Vaters und einer katholisch/kroatischen Mutter die beide aus Bosnien stammen in Österreich geboren und erhielt die jugoslawische Staatsbürgerschaft. Man merkt vielleicht, dass es jetzt schon etwas schwer wäre mir eine wirkliche Nationalität zu geben.

Ich wuchs also in Österreich auf, lernte Deutsch und Kroatisch parallel, und war jetzt schon nicht genau definierbar, auch wenn meine Eltern es vielleich versucht haben. Dann kam der Bürgerkrieg, Jugoslawien verschwand, wir bekamen die kroatische Staatsbürgerschaft und man konnte das kommunistisch/jugoslawische aus mir streichen, übrig blieb ein Kroate aus Bosnien der in Österreich lebte. Mit den Jahren merkten meine Eltern, dass es keinen Grund mehr gäbe nach unten zurückzuziehen, also diskutierten sie und entschlossen sich, dass wir die Österreichische Staatsbürgerschaft annehmen sollten. Ich wurde also ein Österreichischer Kroate aus Bosnien (über diesen Begriff lässt sich streiten), und das im Alter von 10. Jetzt bin ich 24 Jahre alt, ich bin noch immer ein Österreichischer Kroate aus Bosnien, jedoch kommt jetzt wieder etwas dazu, ich lebe nichtmehr in Österreich, ich lebe jetzt in Kroatien, bin ich also ein Österreichischer Kroate aus Bosnien der in Kroatien lebt? Was meint ihr?

Um es mal aus meiner Sicht zu nennen, ich bin Alles und Nichts, ich kann garnicht genau erklären was ich bin, ich kenne genug junge Leute die in meiner Situation sind, aber auf ihr Leben schwören, dass sie Türken, Albaner, Kroaten oder was auch immer sind, obwohl sie nicht in diesem Land geboren wurden, obwohl sie in diesem Land nur 6 Monate (zusammengerechnet) verbracht haben, obwohl sie die Sprache nicht gut sprechen und sie noch viel schlechter schreiben oder lesen. Können diese Leute das wirklich behaupten? Ich meine nicht, nein sie können es nicht, jedoch können sie sich auch nicht als Österreicher, Deutsche usw. sehn (egal in welchem Land sie leben). Und warum können sie das nicht? Ich sage es aus meiner Sicht, ich spreche Deutsch, besser als Kroatisch, ich habe braune Haare, ich sehe normal aus, nichts an meinem Äusseren würde erkennen lassen, dass ich kein Österreicher bin, die meisten Österreicher sehen mich auch als Österreicher an, dies ändert sich aber schnell nachdem ein Problem, ein Konflikt oder Ähnliches auftritt, dann werde ich der Kroate, der Jugo, der Ausländer, dann bin ich anders, dann gehöre ich nicht dazu. Das Gleiche passiert aber auch wenn ich in Kroatien bin, also jetzt, hier bin ich kein Kroate, hier bin ich ein Österreicher, ein Schwabo. Ihr seht ich werde von den Leuten hin und her geschoben, wie kann ich also wirklich sagen ich wäre das Eine oder das Andere, ich kann es nicht, ich habe zu viel vom jeweiligen Land in mir um die Seite zu wechseln und umgekehrt genauso. Ich bin zu sparsam, zu pünktlich und zu vertrauenswürdig um Kroate zu sein, und ich bin zu heißspornig, zu spendabel und zu laut um Österreicher zu sein. Ich habe von beiden Seiten etwas, das lässt sich nicht verneinen und ich finde es auch gut so zu sein.

Ihr seht, dass es also nicht (nur) die Nationalität auf Papier ist wo man sich nicht sicher ist, es ist vorallem die Lebenseinstellung, die Mentalität, das Denken wo man mich nicht in eine „Schublade“ stecken kann. Ich will mich auch nirgends unterbringen lassen, ich muss weder das Eine noch das Andere sein, wenn ich mich selbst frage was ich bin sage ich, dass ich eine Mischung aus allem Guten was das Leben mir beigebracht hat bin.

Ich bin also kein kommunistischer Jugoslave aus Bosnien der Kroate und Österreicher ist, ich bin ich, ich bin Markus...
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Alt 11.06.2010, 13:30   #2
männlich Caliban
 
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Beiträge: 555

Ist natürlich oft schwer, wenn man seine persönliche Identifikation allein auf seine Herkunft münzt.
Aber der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft macht Dich de jure zum Österreicher, der Rest ist Detailkram.
Caliban ist offline   Mit Zitat antworten
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