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Alt 29.12.2005, 20:01   #1
nina
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 47


Standard sterne

Sterne

Es ist dunkel draußen .So dunkel ,wie es nur auf einem Dorf sein kann ,denn dort ist die Nacht noch Nacht .Dort wird sie nicht zum Tag gemacht .Es gibt nur wenig Laternen ,der Mond leuchtet hell und wenn man in den Himmel schaut kann man Sterne sehen ,so viele Sterne ...Wie kleine Augen schauen sie auf mich hinab ,wie lauter kleine Augen ,die in die Nacht leuchten .

“Ich liebe die Sterne!“ ,hatte Mona einmal gesagt und sich dabei aus dem kleinen Fenster gelehnt ,was sich in unserem Zimmer befand ,“Sie sehen so freundlich aus und sie sind so weit weg ,weit weg ...“ ,dann hatte sie für einen kurzen Moment ihre Augen geschlossen ,ihre großen ,grünen Augen um die sie jetzt schon beneidet wurde obwohl sie doch gerade mal sechs Jahre alt war ,und tief Luft geholt ,ganz so ,als wollte sie den Anblick einatmen ,um ihn nie zu vergessen ,niemals .Danach war sie aufgestanden und hatte sich neben mich auf mein Bett gesetzt :“Weißt du ,“ flüsterte sie ,so als wolle sie mir ein Geheimnis anvertrauen ,“Nachts wenn ich nicht schlafen kann dann setze ich mich manchmal ans Fenster und sie erzählen mir Geschichten .Geschichten von anderen Zeiten an anderen Orten .Schöne Geschichten ,solche die einen glücklich machen und nach denen man besser schlafen kann .Viel besser .“ Für einen Moment herrschte Stille im Raum ,eine vollkommene Stille ,die ab und zu durch den Schrei einer Eule unterbrochen wurde .Doch dann begann sie wieder zu sprechen ,mit ihrer zarten kleinen Stimme ,die jedes Mal wenn ich sie hörte mich dazu zwang sie in den Arm nehmen zu wollen ,um sie beschützen vor all dem Bösen auf dieser Welt ,“Ich glaube ,dass die Sterne gar keine Planeten sind ,so wie es in deinem Astronomiebuch steht .Ich glaube ,es sind die Seelen der Menschen und jedes mal wenn einer stirbt dann kommt einer dazu und wenn einer geboren wird ,dann verschwindet einer .Doch das fällt niemandem auf ,da sich die Anzahl der sterbenden mit den Geburten ausgleicht .Nur wenn Krieg ist .Nur dann kommen plötzlich ganz viele dazu ,aber dann achtet keiner drauf ,weil ja grad Krieg ist und da sind sie alle zu beschäftigt um es zu bemerken .“ Sie sagte das in ihrem „ das-hast-du-bestimmt-auch-schon-gedacht-dich-aber-nicht-getraut-es-auszusprechen “ Ton und ich musste lächeln und drückte sie an mich ,so fest ,dass sie nach Luft schnappen musste .

Ich laufe weiter die Straße entlang .Der Asphalt hallt unter meinen Schuhen ,alles ist ganz Still ,unheimlich still ...“Ach was “ ,sage ich mir ,“Das kommt nur ,weil du den Stadtlärm so gewohnt bist .“ Doch dieses unbehagliche Gefühl lässt mich nicht los .“Du bist verrückt bei Nacht auf den Friedhof zu gehen !“ ,hatte Nathalia gesagt und wahrscheinlich hatte sie recht damit gehabt .Doch was hätte ich sonst tun sollen ?!Die Nacht war doch Monas liebste Tageszeit gewesen und es währe mir nicht richtig vorgekommen wenn ich sie bei Tag besucht hätte .

„Die Nacht ist so geheimnisvoll ,so still .Alles ist so gelassen .Die Nacht kann dich unsichtbar machen und nur in der Nacht kannst du die Bäume flüstern hören und hören wie die Blumen im Schlaf säuseln ,denn es ist ja so still draußen ,so angenehm still .“ Nach diesem Satz hatte Mona mich erwartungsvoll angesehen .„Aber in der Nacht kann man keine Vögel singen hören und man kann die Sonne nicht sehen “ ;hatte ich vorsichtig erwidert .“Ja ,“ ,sagte sie ,“das kann man wahrlich nicht ,aber man hat doch die Nachtigall und den Mond und die Sterne .Ja ,man hat vor allem die Sterne !“ „Aber die Nacht hat keine Farben ...“ Da nickte sie und ihr Gesicht verfinsterte sich ,ganz so als hätte sie sich einen dunklen Schleier darüber gelegt .„Ja ,keine Farben .“ Und erst viel später erfuhr ich ,dass Mona Farbenblind war und sie gar keine Farben kannte ... nur Schwarz und Weiß ...

Ich habe das Friedhofstor erreicht .Da hier keine Laterne steht ist es so dunkel ,dass ich im ersten Moment nicht mal meine Hände sehen kann ...Doch dann gewöhnen sich meine Augen langsam an die Dunkelheit ,die mich umgibt .Als ich das Tor öffne ,durch schneidet ein gänsehauterregendes Quietschen die nächtliche Stille und mein Herz beginnt augenblicklich schneller zu schlagen ,ganz so als wenn ich etwas verbotenes vorhätte .Ein kalter Wind fährt mir entgegen als ich den Friedhof betrete ;eisig kalt ...Als ich etwas dunkles auf mich zu huschen sehe erschrecke ich mich so sehr ,dass ich einen Satz zurück mache und mich gegen die Friedhofsmauer presse .Doch es ist nur eine Katze .Eine Katze mit grauem ,zersträubtem Fell und dunklen Augen .Ihrem Aussehen nach zu urteilen eine herumstreunende Katze ,ohne Heim .“Armes Ding !“ ,denke ich ,denn es ist Herbst und bald würde der Winter anbrechen und es würde ein kalter Winter werden wenn man den Worten der Bauern glauben schenken kann und das kann man meistens .

Mona hatte den Katzen jeden Abend ein Schälchen Milch hinaus gestellt .Heimlich ,damit niemand es bemerkte .Nur mir hatte sie davon erzählt .

Ich brauche nicht lange bis ich ihr Grab gefunden habe ,da es nicht viele Gräber gibt die nur mit einem Holzkreuz versehen sind .Ihres jedoch ist eines davon .Ich hocke mich davor und lege einen Zettel auf ihr Grab ,den ich mit einem Stein beschwere damit der Wind ihn nicht davon trägt .

„Schreib mir “ ,hatte sie mir zugeflüstert ,da sie nicht mehr die Kraft hatte laut zu sprechen ,“Jedes Jahr zu meinem Geburtstag musst du mir schreiben hörst du ?Nicht viel ,aber schreib ...ein Gedicht vielleicht ...du weißt ,ich mag deine Gedichte .“Und ich hatte genickt die Augen voll Tränen ,sodass alles vor mir verschwamm und ich nicht einmal ihr Gesicht erkennen konnte .Und ihre letzten Worte klangen aus weiter Ferne zu mir ,so leise ,dass ich sie kaum verstand :“Ich werde ein Stern sein Lisabell ,ein Stern der die Nacht erhellt und den Kindern beim Träumen zuschaut .Ein Stern ...“ Und sie klang so glücklich dabei ,dass es mir wehtat . „Aber einst musst du mir noch versprechen nur eins noch !“ ,sie sah mich ernst an und ich versuchte die Tränen zu bändigen die aus meinen Augen quollen als wollten sie die Trauer in meinem Herzen davon schwemmen ,“Du musst versprechen ,dass du nach mir Ausschau hältst .Dass du mich suchst an dem großen weiten Himmel .Dein Herz wird dir sagen welcher der Sterne ich bin ...und wenn du mich gefunden hast ,so sende mir ab und zu einen Gruß in den Himmel ,damit ich weißt ,dass du mich noch nicht vergessen hast .“ „Nie !“ ,stieß ich mit gepresster Stimme hervor ,“Niemals werde ich dich vergessen ! Versprochen ...“ Und sie hatte gelächelt ,in all dem Unglück hatte sie gelächelt .

Ich schließe für einen Moment die Augen ,dann erhebe ich mich wieder und betrachte das Kreuz . 1987-1994 ,hatte ich hinein geritzt und ich vermisse dich .Etwas besseres war mir damals einfach nicht eingefallen .Ich seufze und gehe los ,wieder zurück .Als ich am Tor angekommen bin drehe ich mich noch einmal um .Das Papier leuchtet in der Dunkelheit .Ein weißer Fleck .

Mein kleiner Stern ...heute währe dein 18. Geburtstag gewesen .18 Jahre ...

Erst Dunkel ,
dann Hell ;
Erst Tag ,
dann Nacht ;
ein Monat ,
ein Jahr
Alles ist gleich
Und doch ist alles anders als es vorher war ...



Ohne dich ist der Tag ohne Farben
Und die Nacht ohne Licht ;
Ohne dich ist die Welt um mich freudlos
Und die Welt in mir trist ;
Ohne dein Lachen verwelken die Blumen
Und ein Nebel kommt der mich erschaudern lässt ...


Ich glaube ich brau dich ,
ich glaube für immer ;
Ich glaube ich such dich ,
ich glaube für immer ;
Ich glaube ich kann nicht ohne dich ,
ich glaube nimmer ...


Ich weiß... ,aber mir ist dieses Jahr kein besseres eingefallen ... HAPPY BIRTHDAY ...


Ich gehe die Straße entlang und blicke zum Himmel hinauf .So viele Sterne ... Aber nur einer von ihnen zwinkert mir zu ,ganz leise ,ganz unscheinbar und doch eindeutig ...und ... wunderbar ...
Es ist dunkel draußen .So dunkel ,wie es nur auf einem Dorf sein kann ,denn dort ist die Nacht noch Nacht .Dort wird sie nicht zum Tag gemacht .Es gibt nur wenig Laternen ,der Mond leuchtet hell und wenn man in den Himmel schaut kann man Sterne sehen ,so viele Sterne ...
nina ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.12.2005, 21:17   #2
Silberwölfin
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Puh, das nimmt richtig mit! Klingt sehr nach einer realen Erzählung, aber das passt irgendwie zeitlich nicht. (Du bist 15, also hättest du damals 3 sein müssen?) Vielleicht irre ich mich da aber auch. Wenns nicht real ist, dann muss ich sagen: Sehr realistisch geschrieben, mit viel viel Einfühlsamkeit.
Silberwölfin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.12.2005, 21:31   #3
Ra-Jah
gesperrt
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 481


Eine interessante Strophe (zu dem Rest äußere ich mich nicht):


Ohne dich ist der Tag ohne Farben
Und die Nacht ohne Licht ;
Ohne dich ist die Welt um mich freudlos
Und die Welt in mir trist ;
Ohne dein Lachen verwelken die Blumen
Und ein Nebel kommt, der mich erschaudern lässt...


Irgendwie habe ich einen unglaublich hellen Nachklang dessen, was eigentlich betrauert wird, gespürt.

Fast so, wie in diversen anderen Kulturen getrauert wird.
Dort konzentriert man sich allerdings bewußter darauf, was man mit den Toten alles Schönes erlebt hat; statt sich selbst zu bemitleiden, dass man sie nicht mehr um sich weiss, im Leben.
Ra-Jah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.01.2006, 17:22   #4
nina
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 47


nein nein die geschichte ist frei erfunden ...naja also abgesehen davon das ich abundzu auf einem dorf bin und da auch den friedhof besuche und so ,wenn ich meiner oma da "hallo" sage ...

dankeschön für deine meinung und so ...
nina ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2006, 14:58   #5
Askeron
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Der Freundin den letzten Wunsch erfüllen und das über Jahre hinweg. Soetwas gibt es heute nicht mehr oft und das hier war ein schönes Beispiel. Sehr einfühlsam das Ganze. Hatte auch den Eindruck das es selbst Erlebtes schildert. Dafür das es fast frei erfunden zu sein scheint, ist dir die Geschichte wunderbar gelungen.
Askeron ist offline   Mit Zitat antworten
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