|
|
Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
15.08.2009, 00:45 | #1 |
Forumsleitung
|
Leerlauf
Neuer Morgen
Dusche Blick zur Uhr Schnellkaffee Nachrichten Nichts Neues S-Bahn Leere Gesichter Handy Walkman Gähnen Nichts Neues Schreibtisch Computer E-Mails Termine Telefon Nichts Neues Mittagspause Tageszeitung Pisa-Studie Firmenpleiten Räder im Leerlauf Nichts Neues Die Revolution findet nicht statt © Ilka- M., 21. Januar 2009 |
15.08.2009, 22:58 | #2 |
abgemeldet
|
Also Ilka-Maria,
jetzt haust du ich echt von den Socken. Das ist ein geiles Gedicht. Der Telegrammstil bringt eine ganz besondere Stimmung rein. Monoton, fast schon gelangweilt und die wiederkehrende Phrase am Strophenende, wirkt wie ein Hammer, der einen Nagel immer tiefer in ein Brett treibt und damit das Fazit, das Resume festzurrt und kristallklar auf den Punkt bringt. Ich bin ja selten ethusiastisch aber das ist eines der besten Gedichte, die ich zuletzt gelesen habe. Hut ab!!! LG Bullet |
16.08.2009, 00:49 | #3 |
Forumsleitung
|
Danke, Bullet. Das Gedicht hatte ich vor längerer Zeit schon mal in einem anderen Forum stehen, und da gab es auch einen Kommentator, der es als Juwel bezeichnet hatte und bedauerte, daß es so wenig zur Kenntnis genommen wurde. Man trifft halt nicht jedermanns Nerv damit.
Dabei sieht der Alltag doch genauso aus: Verkürzt und ohne Änderung, eine hoffnungslose Tretmühle. LG Ilka-M. |
16.08.2009, 16:55 | #4 |
Hallo Ilka-Marie,
nun als Juwel oder einen Text der einen aus den Socken haut, würde ich diese Alltagsreflektion nicht bezeichen, dazu sind die Bilder zu geläufig. Was mir aber auch gefällt ist die Darstellung der Monotonie des Alltags, die durch die Verdichtung und die Wiederholungen gut unterstützt wird.
Das Resüme: "Nicht Neues, die Revolution findet nicht statt", zündet bei mir nicht wirklich, weil Neues nicht immer und zum Glück nicht sofort mit einer Revolution gleichzusetzen ist. Ein wenig Abwechslung tut es doch auch. . LG Perry |
|
16.08.2009, 19:41 | #5 |
Forumsleitung
|
Lieber Perry,
sicherlich hat jener Kritiker eine subjektive Meinung geäußert. Aber ich hatte mich trotzdem gefreut, weil das Gedicht ansonsten unbeachtet geblieben war. Auf den letzten Satz kam es mir aber besonders an, denn er soll die Enttäuschung darüber ausdrücken, daß sich nichts ändert - und wohl auch an den folgenden Tagen nichts ändern wird. Rasignation eben, denn meistens bringt man es nicht fertig, bei sich selbst anzufangen. Im Gegensatz zu dir finde ich, daß von Revolutionen immer etwas Neues übrig bleibt, selbst wenn sie scheitern (was in den meisten Fällen so ist). Von der Französischen Revolution ist uns z.B. durch den Code Napoleon die Grundlage für unser Rechtssystem geblieben; bei der Deutschen Revolution von 1848 hat das Volk erstmals "wir fordern" gerufen (bis dahin undenkbar gegenüber der Obrigkeit); England hat sie die Magna Charta gebracht; die 68er-Bewegung wirkt sich bis heute aus usw. Aber natürlich tun es auch die "kleinen" Revolutionen - wie gesagt: Bei sich selbst sollte man anfangen. LG und noch einen schönen Sonntagabend Ilka-M. |
16.08.2009, 23:17 | #6 | |
abgemeldet
|
Zitat:
Von Juwel, war nie die Rede. Ich sagte nur, dass es eines der besten Gedichte ist, die ich zuletzt gelesen habe und dass es mich begeistert hat und da Ilka-Maria - zumindest was ich bisher von ihr gelesen habe - sonst komplett anders schreibt, hat mich dieser Text von ihr sehr überrascht. LG Bullet |
|
17.08.2009, 14:39 | #7 |
Hallo Bullet,
mein Komm bezog sich nicht nur auf deine Einschätzung, sondern auch auf Ilka-Marias Antwort. Als Widerspruch würde ich es nicht bezeichnen, wenn ich für die Darstellung der Alltagsmonotonie "weniger geläufige" Bilder fordere, als Schnellkaffee, Handy, Walkman, Computer und Tageszeitung etc. außerdem haben Revolutionen i.d.U. tiefergehende Gründe, wie z.B. Unterdrückung, Ausbeutung usw.
LG Perry |
|
17.08.2009, 15:02 | #8 |
abgemeldet
|
|
17.08.2009, 19:42 | #9 |
Forumsleitung
|
Perry, in puncto Ursachen für Revolutionen muß ich dir widersprechen. Eine unterdrückte, drangsalierte und hungernde Bevölkerung hat noch nie eine Revolution vom Zaun gebrochen. Mit leerem Magen und Sorge um das Überleben der Familie kann niemand kämpfen.
Zwei Beispiele: Erstens: Als die Französische Revolution ausbrach, war die Wirtschaft auf dem Weg der Erholung und Teilen der Bevölkerung begann es besser zu gehen; aber dann wollte man natürlich mehr, und die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe kannte das Volk nicht, dazu war die Masse zu ungebildet. Die treibenden Kräfte waren gebildete, einflußreiche Bürger wie Robespierre, Daton, Desmoulins, Marat und eine ganze Reihe weiterer Personen, die das Königtum abschaffen wollten. Zweitens, die Deutsche Revolution von 1848: Die Aufstände der Ärmsten und Unterdrücktesten bewirkte gar nichts, von den schlesischen Webern ging keine Revolution aus, sie wurden niedergeschossen (1844). Die Revolution ging nicht von den Unterdrückten, sondern vom Bildungsbürgertum aus. Man spricht beim ersten deutschen Parlament, einberufen in der Frankfurter Paulskirche, nicht umsonst von einem "Professorenparlament". Aus dem "gemeinen" Volk war nicht ein einziger Vertreter dabei, außer - wenn man das gelten läßt - ein Bauer (Großgrundbesitzer!). Hinter den "großen" Revolutionen standen immer Ideen oder besser gesagt, Ideologien, aber kein hungernder Bauch, keine Fußketten und kein Halseisen. Das war nicht anders bei den Frühsozialisten, die der Russischen Revolution den Weg bereiteten. LG Ilka-M. |
18.08.2009, 13:52 | #10 |
Hallo Ilka-Maria,
damit hast du natürlich Recht. Die Treiber einer Revolution sind immer kluge Köpfe, die sich einen Misstand zu Nutze machen, oder einen Grund provozieren, um die Masse mitzureißen. Aber diese Diskussion führt zu weit von deinem Text weg. Welche persönliche "Revolution" hattest du im Auge.
Wolltest du z.B. aus einer kommunikationsarmen S-Bahn einen Ort ungezwungener Unterhaltung oder ein Diskussionsforum machen. LG Perry |
|
18.08.2009, 20:57 | #11 |
Forumsleitung
|
Perry, ich wollte weder eine Revolution heraufbeschwören noch eine Diskussion über Revolutionsgeschichte losbrechen - nur die traurige Tatsache berichten, daß wir alle auf Änderungen warten, die wir selbst nicht herbeiführen und die uns auch von denen nicht gebracht wird, auf die wir hoffen - und so bleiben wir eben im Hamsterrad.
Wobei ich einschränken muß: Ich habe es dreimal in meinem Leben getan, auszubrechen und meine eigene kleine Revolution durchzuziehen. Es hat sich bewährt. War aber auch viel Glück dabei. Aber auch ohne das Glück der Stunde: Kettten und Hamsterrad- nichts für mich! Any more questions? LG Ilka-M. |
18.08.2009, 21:05 | #12 |
Das Gedicht hat etwas . Aber der letzte Satz geht bei mir auch etwas vorbei. Irgendwie passt er meiner Meinung nach nicht so richtig in das Gesamtbild. Da die anderen Strophen alle aus Ellipsen bestehen, wirkt er finde ich, wie nachträglich eingefügt.
|
|
18.08.2009, 21:16 | #13 |
Forumsleitung
|
Nein, Süsse Wolke, der letzte Satz ist das Fazit und die Quintessenz des ganzen. Da Gedicht läuft darauf zu und zeigt nur eins: Resignation. Tretmühlen sind resistent - fast nichts bringt sie zum Einsturz. Und deswegen findet die Revolution nicht statt.
|
18.08.2009, 21:20 | #14 |
Diese Quintessenz wirkt auf mich wie gesagt etwas künstlich. Da du das Gedicht geschrieben hast, hast du natürlich auch eine ganz andere Stimmung im Kopf. Es gibt halt immer unterschiedliche Meinungen.
|
|