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Alt 15.11.2005, 17:34   #1
nealz
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 20


Standard Paperboy

Es ist mal wieder eine reine Überwindungssache. Zu be-
schließen mich dann doch zu zwingen den Wagen aus dem
Schuppen zu kramen; die Stapel hineinzuladen und langsam
den Weg anzutreten.Es ist immer das Gleiche:

Mittlerweile dermaßen automatisiert, dass es kaum mehr in
seinen Einzelheiten erwähnenswertem geistigen Aufwand bedarf.
Doch! Ab und zu Grundschulmathematik, mir auszurechnen wie-
viele Zeitungen nun für die nächste Straße nötig seien.

Beim letzten Mal - ok es war auch sicher einszwei Stunden
früher - war's einiges heller. Vermehrt Leute auf meiner
Route, kleine Kinder, die Triumphierend ihren Eltern mit
meinen Zeitungen entgegenstürmten. Spaß, etwas Ablenkung.

Die Uhr wurde umgestellt und die Dämmerung hat dem Nach-
mittag (während ich vorhin unmotiviert am Fenster saß),
seine restliche Helligkeit fast komplett entzogen. Attrak-
tiv scheint es nicht mehr sonderlich zu sein. Jetzt, für sie.

Auf dem Weg selber keine Beschäftigung mehr. Niemanden zu
grüßen, die Augen finden in der Dunkelheit nichts Besond-
eres daran festzuhalten. Auf einen Schlag ist die ganze
Impressivität, Interaktivität - alles was mir sonst Spaß
macht zu beobachten - verschwunden.

Stattdessen blasse Farben, fast Grautonstufen. Ab und zu
malen Straßenlaternen helle Ellipsen auf den Bürgersteig.
Super-automatisch wie ein Roboter geht mein Körper von
einem Haus zum anderen - der Geist ist irgendwo anders.

Der schafft sich eine helle Gedankenwelt in der Finsternis.
Ist in der Schule, mit Freunden und Bekannten, lacht inner-
lich eine Menge. Auch dem anderen Geschlecht stattet er ab
und an mal einen Besuch ab, sehr amüsant. Später reißt es
ihn ungewollt wieder ins Sentimentale...

Öfters kommt es dann vor, dass er von einem Knacken aus dieser
Welt aufgeweckt wird. Der blöde Körper ist wieder auf irgend
etwas getreten und kann nicht selbst herausfinden, ob es nun
ein Herbstblatt oder eine Schnecke war. Keine Wahl.

Aber auch andere weniger kuriose Dinge wecken ihn auf:
Schummerige Lichtkegel, die aus Fenstern fallen. Rustikale
Düfte, die mir aus Ventilationsschächten von Dunstabzugs-
hauben entgegenwehen; seltsame Assoziationen erzeugen.

Leider seltener sind es Gespräche von den Hausbewohnern,
die ich versuche zu ver stehen. Oder verträumte Restklänge
von Musik, die aus den Wohnungen strömen. Solche Dinge
machen es mir schwer, ohne weiteres fortzufahren...


Die letzte Zeitung ausgetragen und wieder zu Hause - mir
den Ruß von den Fingern waschend - sage ich mir, dass es
doch garnicht so schlimm gewesen sei.

Davor spiele ich stehts mit dem Gedanken mich abzumelden;
danach bin ich heilfroh doch gegangen zu sein.

Wie gesagt: Immer das Gleiche - Jedes mal etwas Anderes.
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