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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln. |
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07.10.2022, 11:36 | #1 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Fröhlicher Abend
Der Kellermeister lädt euch ein:
Kommt, probiert den neuen Wein! Macht die Kehlen weit, vier Fässer stehn für euch bereit. Öffnet jetzt die durstgen Münder, genießt den Wein, ihr braven Sünder! Ergötzt euch an des Weingeists Macht! Die Gier wie Feuer, Glanz im Aug erwacht; den Korken zieht mit einem Plopp, in den Nacken legt den Kopp. Lasst den Wein in Strömen fließen, flüssigen Duft in eure Kehlen gießen. Die Lippen brennen, bitterer Kuss, die süße Note dann zum Schluss; berauscht euch an dem Wein, kann ein bisschen Orgie denn schon Sünde sein? Ein letztes volles Fass herein, ein jeder tauche seinen Becher ein! |
07.10.2022, 15:06 | #2 |
...und durch den Umstand vorheriger Käufnis
steht nichts mehr im Weg für ein spät'res Besäufnis! (Ende eines meiner Jugendgedichte mit alkoholischem Inhalt ) Lieber Heinz, Dein Ausdruck des "braven Sünders" (siehe oben) passt hervorragend zu den durstigen Kehlen, die sich nur ein wenig die trockenen Gaumen mit Rebensaft befeuchten wollen. Bei Deinen Zeilen denke ich sofort an die Weinproben in Montepulciano, die fester Bestandteil unserer Gesangs- Meisterkurse waren, und in denen - bei bester Laune - in kühlen Weinkellern immer viel gefachsimpelt und probiert wurde. Du hast den freudigen Rauschzustand wunderbar in Verse gepackt. Bacchus und Dionysos würden mit Freuden auf Dich anstoßen! Grüße und freudiges Prost von Wein-Freund Georg |
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07.10.2022, 15:47 | #3 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Lieber Georg,
wenn ich ganz weit zurück denke und mich an meine erste Moselfahrt inklusive der Verkostung von Federweißem erinnere, komme ich heute noch ins Schwanken. Ein Tag mit Spätsommerwärme, nachmittags in einen kühlen Weinkeller und ran an das leicht prickelnde Getränk. So weit, so gut. Als junge Bergleute waren wir unseren Stiefel gewohnt. Aber dann gings nach etlichen Gläschen hinaus ins Freie. Was dann weiter geschah, mag ich nicht berichten. Was ich damit sagen wollte: Es gehört schon ein gewisser Reifegrad dazu, einen geübten Gaumen und ein fröhliches Gemüt, um in den Kreis der Bacchanten aufgenommen zu werden. Evoe! Heinz |
19.10.2022, 19:02 | #4 | |
Forumsleitung
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Lieber Heinz,
heute lese ich dein Gedicht zum wiederholten mal und weiß immer noch nicht recht, was ich davon halten soll. Ich weiß, was du lyrisch draufhast, deshalb muss ich, wenn ich den ständigen Wechsel der Metren sehe, zu dem Ergebnis kommen: Das ist gewollt. Offensichtlich soll dieses Hin und Her die Weinseligkeit und den allmählich wirkenden Rausch wiedergeben, der früher oder später den Hobby-Dionysos aus dem Takt bringt. Und seltsamerweise liest sich das Gedicht auch flockig runter, trotz der rhythmischen Wechsel. Nur an einer Stelle hakt es für mich: Zitat:
Verfluchte Tat! Jetzt habe ich mir tatsächlich ein Glas Wein eingegossen! Da kannste mal sehen, dass Verführung auch aus der Ferne wirkt. LG Ilka |
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19.10.2022, 19:40 | #5 |
Dabei seit: 10/2006
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Beiträge: 7.879
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Liebe Ilka-Maria,
dass ich durchaus in der Lage bin, anderthalb Dutzend Verse in Reimen und in einem einheitlichen Versmaß zu Papier zu bringen, siehe "Die Solistin in Jamben", muss ich dir, Gott sei Dank, nicht beweisen. Bleibt also deine Vermutung, der Wechsel von jambischen und trochäischen Versen sei gewollt. Bis auf den Lapsus mit dem Wort vom "flüssigen Duft" sollte die Anwendung unterschiedlicher Versmaße tatsächlich auf die "ungeordnete" weinselige Stimmung hindeuten ohne sie zu beschreiben, Den Lapsus "flüssigen" musst du der Zunge des fröhlichen Säufers ankreiden, der hier in thüringischer Artikulation "flüssjien" spricht. Dass du (wieso "verfluchte Tat" statt "gelobt sei Jesus Christus") dich zum Eingießen eines Weins animiert wurdest, nehme ich als verstecktes Lob hin. Wie hat Willy Schneider gesungen? Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein, tu den Kummer gleich noch mit hinein, und dann eins, zwei, drei wirst du schon sehn, ist das Leben wieder wunderschön. Liebe Grüße, Heinz |
19.10.2022, 21:41 | #6 | |
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Zitat:
Ich wollte nur den Beweis haben, dass ich nicht zu blöd gewesen bin, dein Gedicht richtig zu lesen. Prösterchen! |
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19.10.2022, 22:08 | #7 |
Dabei seit: 10/2006
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Liebe Ilka-Naria,
du hast richtig gelesen. Und du hast mir den Anlass geliefert, mal bei einem ganz Großen (nee, nicht bei Goethe, wie bei mir zu vermuten ist) nachzuschauen, wie er es mit der Auswahl der Versfüße umgeht. Also, ich hab bei Schiller (Das Lied von der Glocke) nachgesehen und festgestellt, dass er munter vom Jambus in den Trochäus wechselt und wieder zurück. Wahrscheinlich, weil er dem "hinkenden" Jambus (wie er ihn mal genannt hat) eine andere Wirkung zuschreibt als dem Trochäus. Zum Werke, das wir ernst bereiten, Geziemt sich wohl ein ernstes Wort; Wenn gute Reden sie begleiten, Dann fließt die Arbeit munter fort. ist "atmosphärisch" anders gestrickt als Nehmet Holz vom Fichtenstamme, Doch recht trocken lasst es sein, Dass die eingepresste Flamme Schlage zu dem Schwalch hinein, Kocht des Kupfers Brei, Schnell das Zinn herbei, Dass die zähe Glockenspeise Fließe nach der rechten Weise. Dass ich mich nicht mit Schiller vergleiche, darfst du getrost voraus setzen. Aber bei ihm zu lernen, kann ja nicht so falsch sein. In längeren Gedichten (kaum wage ich meine Werklein "Gedichte" zu nennen, setze ich bewusst und manchmal waghalsig eine ganze Reihe von Versfüßen ein (z,B. in "Ach, Antje"), manchmal, um Stimmungen einzufangen, manchmal um Personen zu charakterisieren. Bei einem Produkt wie "Ein fröhlicher Abend" kann es nicht in braven Jamben oder Trochäen zugehen, da sei das Prösterchen davor. A votre sante! Heinz |
19.10.2022, 22:33 | #8 |
Forumsleitung
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Puh! So genau habe ich mir die "Glocke" nie angelesen.
Aber ich meine, dass du es nicht nötig hast, dich auf Schiller zu berufen. Du schreibst nach dem, was dir Schiller und alle Lyriker, an denen du gerlernt und dich geübt hast, in deinem eigenen Duktus. Da "schillert" vielleicht noch manches durch, aber was "hinten rauskommt" (Kanzler Kohl), ist maßgebend. Und das ist ist nicht Schiller, sondern Heinz. Anders kann es nicht sein, denn du lebst in einer anderen Zeit, in der sich Lyrik mit anderen Themen befasst. Und warum nicht mit mit Rhythmen und Formen spielen? Solange es mit Lyrik vereinbar bleibt. Lyrik kann viel leisten und sich vieles leisten, aber sie darf nicht ins Beliebige abrutschen, bis sie sich so prostituiert, dass sie zu Freiwild wird. |
19.10.2022, 22:38 | #9 |
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d'accord!
Heinz |
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