Ich laß mich scheiden

[Ilka-Maria]

An jedem Morgen die gleiche Tour:
ein Hausschuh im Bad, der and're im Flur,
auf dem Wannenrand die Baumwollsocken,
die Zahnkremtube wie immer offen,
auf dem Waschbecken drei Sorten Seifen,
mein Entschluß steht fest: Ich laß mich scheiden!

Im Schlafzimmer gähnen mich Schränke an,
die Türen schließen - wer denkt schon daran?
Eine Unterhose ist unverdrossen
an der Wäschebox vorbeigeschossen.
Mit Schlamperei kann ich nicht leben,
wer kann mir einen Anwalt empfehlen?

Der Küchentisch ist ein Kriegsschauplatz,
Kaffeesprenkel zieren das Tagesblatt,
ihm wurde brutal der Sportteil entrissen,
dabei in trockenes Brot gebissen,
der Rest des Kantens verdorrt in den Krumen,
ich muß mir sofort einen Anwalt suchen.

Draußen ergießt sich ein Wolkenbruch
und natürlich (Gesetz oder Fluch?)
war die Zeit wirklich knapp bemessen:
Er hat schon wieder den Schirm vergessen!
Pitschnaß wird er sein Büro erreichen,
mein armer Schatz! (Laß ich mich scheiden?)

[Ilka-Maria]

Deswegen steht es ja auch unter "Humorvolles", und in der letzten Strophe ebbt der Frust schließlich ab.

Danke für's Kommentieren.

LG
Ilka-M.

[derSkeptiker]

Gefällt mir gut! Holpert zwar an zwei kleinen Stellen, das machen Inhalt und der sprachliche Rest jedoch schnell wieder wett.

[Ilka-Maria]

Skeptiker, ich finde auch immer wieder Stellen, die man verbessern könnte, z.B.:

mein Entschluß steht fest: Ich laß mich scheiden!

Das ist ein "weißer Schimmel" (Entschluß/steht fest), und der Vers ist einen Tick zu lang. Ich hätte schreiben können: "... für mich steht fest: Ich laß mich scheiden!"

Aber welches Kunstwerk ist schon fertig? Ausgenommen natürlich das Werk von Michelangelo - aber der hat dafür auch lange genug gebraucht.

Danke für's Kommentieren.

LG
Ilka-M.

[Sonja]

Es lebe die Scheidung.

Meine Devise ist, wer nicht heiratet, kann das Geld für die eigentliche Scheidung besser investieren.

[Rena]

Liebe Ilka,

da steckt viel Realismus in Deinem Text - erst ärgert man sich grün und blau über den schlampigen Mann( hat er immer noch nicht begriffen, dass ich Ordnung liebe?), beim vergessenen Schirm aber kommt das Mitgefühl ( mein armer Schatz, jetzt wird er ganz nass...) wieder hoch.

Schöner Text, habe ich gerne gelesen.

Liebe Grüße von Rena

[Ilka-Maria]

Liebe Rena, ich habe mal ein Buch gelesen, in dem einige Paare zu dem Thema befragt wurden. Dabei hat sich herausgestellt, daß es diese täglichen Reibereien sind, die einer Ehe zusetzen und die Paare mürbe machen, während ernsthafte Probleme eher zusammenschweißen und zu Lösungen treiben. Aus eigener Erfahrung kann ich das allerdings nicht bestätigen.

LG
Ilka-M.

[Bullet]

Sehr schön

Kennst du noch Johanna von Koczian...das bißchen Haushalt macht sich von allen -sagt mein Mann. Das bißchen Haushalt mm-mm-mhhh -sagt mein Mann...

In diesem Sinne eine immer auf Ordnung und Sauberkeit bedachte Jungfrau
Gruß
Bullet

[Ilka-Maria]

Lieber Bullet,

klar kenne ich den Schlager. JvK war ja eigentlich Schauspielerin beim Fernsehen, hatte aber auch in Musicals auf der Bühne gestanden.

Ich kenne solche Probleme gottseidank nicht, weder von meinen Eltern noch von meiner eigenen Ehe her. Da wurden Hausarbeit und Einkäufe immer zusammen gemacht.


LG
Ilka-M.

[Bullet]

Ich hatte das auch nicht so aufgefasst, dass du hier persönliche Erfahrungen autobiographisch verarbeitest, was - nebenbei gesagt - hier im Forum sehr oft oder von den meisten schon fast vorausgesetzt wird. Aber nicht immer ist das LI dem Verfasser gleich zusetzen...zumindest bei mir nicht und wohl bei dir auch nicht.

Gruß
Bullet

[Ilka-Maria]

Stimmt, Bullet, mein Leben wäre dafür auch zu banal.

LG
Ilka-M.

[Bullet]

Zitat von Ilka-Maria

mein Leben wäre dafür auch zu banal.

Du enttäuschst mich. Das kann und will ich nicht glauben

LG
B.