Blick zur Venus bei Poetry.de

akechi90 · 11.11.2005, 15:15

Fast täglich ging ich mit dem Fernrohr nach draußen. Immer wieder blickte ich herauf zu den Sternen, ich sah sie freuend an. Doch nie dachte ich daran, einen dieser Sterne zu greifen. Ich war einfach zu weit weg von ihnen. Immer wieder schaute ich nach oben und erblickte eben diese Sterne. Zugegeben: ich stellte mir öfters vor, wie es wäre, einen dieser Sterne zu greifen, doch den Mut dazu brachte ich nie auf. Immer wieder schaute ich zu ihnen hinauf und sie schauten auf mich herab. Nie würde ein Stern für mich sinken, dass ich ihn greifen könnte oder gar zu mir aufschauen würde. Selbst diese Hoffnungen hegte ich nie. Sie wirkten auf mich wie eine schlechte Illusion, vorgespielt von meinem eigenen Herz. Und wenn schon?, dachte ich mir damals. Welchen dieser Sterne sollte ich überhaupt greifen, um damit glücklich zu sein? So hegte ich doch keine Hoffnung, schon eher eine Lust, einem von ihnen wirklich gegenüberzustehen. Sie waren einfach da im Abendhimmel und schauten auf mich herab. Sie würden mich nie beachten, obwohl ich sie ständig beobachtete.
Eines Tages erkannte ich mit dem Fernrohr ein anderes Gestirn, das viel heller war als diese vielen anderen Sterne. Und es war größer. Konnte das wirklich eine Illusion sein? Bei den Sternen war ich mir dieser Illusion dauernd sicher, doch hier hegte ich meine Zweifel, ob mir mein Herz tatsächlich nur einen dummen Streich spielte. Dieses Gestirn, das ich an diesem schicksalhaften Tag sah, war die Venus, die freundlich auf mich herablächelte und mich mit ihrem Strahlen erfreute.
Seit diesem Tag blickte ich nicht mehr zu anderen Sternen hinauf. Nur noch die Venus war es, die ich täglich aufs Neue beobachtete. Jeden Tag erkannte ich, wie sehr sie mir doch näher kam. Immer mehr Details sah ich auf ihrer schönen Oberfläche, und ihr Inneres blieb mir doch umso mehr verborgen. Nur ihr Strahlen fiel immer auf mich herab und so hegte ich doch die Hoffnung, den Griff nach ihr zu wagen.
War sie mir wirklich so nahe? Täglich stellte ich mir diese Frage. Sie erschien mir zu hell und groß, als dass sie weit entfernt sein würde; als dass ich nur die Illusion der Nähe bei ihr empfand. Ich hörte auf, zu überlegen, ob sie nahe oder fern war. Sie war für mich einfach nur nahe; es war mir egal, wie es nun in Wirklichkeit war. Vielleicht wollte ich auch nur, dass sie mir nahe war, obwohl ich vielleicht doch in meinem tiefsten Innersten wusste, dass sie zu weit weg war.
Ich machte mir darüber irgendwann keine Gedanken mehr über diese Entfernung. Ich fasste einen folgenschweren Entschluss, als ich wieder einmal mit dem Fernrohr die Venus bewunderte: Ich wollte sie greifen. Konnte sie nicht am nächsten Tag einfach verschwinden? Ich musste sie sofort greifen! Doch als ich diesen Entschluss fasste, spürte ich in meinem Herzen doch wieder eine weite Entfernung. Ich hoffte, dass diese Entfernung nicht allzu groß sein würde und streckte meine Hand nach ihr aus…
Ich wurde bitter enttäuscht. Ich konnte die Venus nicht zu mir holen; sie war einfach zu weit weg, wie ich es eigentlich schon zuvor wusste, aber nicht hoffte. Dieses helle Licht und ihre prächtige Größe verleiteten mich zu denken, sie wäre mir nahe, was sie aber nicht war. Mein Herz war wieder vollkommen nüchtern, möglicherweise zu nüchtern. Ich verspürte nicht mehr den Drang, zur Venus zu schauen, hatte sie mich doch schon viel zu stark verletzt. Nicht einmal die anderen Sterne waren es, die mich interessierten. Ich nahm das Fernrohr wochenlang nicht mehr mit nach draußen und verlor jegliche Hoffnung, je ein Gestirn zu mir holen zu können. Ich entschloss mich, nie mehr die Hoffnung zu hegen, eines dieser Gestirne auf meiner Seite zu haben.
Doch nach Wochen, in denen ich kein einziges Mal in den Abendhimmel sah, brach mein Entschluss. Ich wollte wieder nach oben schauen.
Ich nahm das Fernrohr mit nach draußen und sah nur zu den trüben Sternen heraus, die einander vollkommen glichen - diese Illusionen, denen ich aber dankbar war, da sie mir klarmachten, dass ich nie nach ihnen greifen konnte.
Doch wieder lenkte meinen Blick von den Sternen die Venus. Wieder erschien sie mir, doch ihre Gestalt hatte sich in meinen Augen geändert. Es war eine andere Venus, die ich da sah. Und so hatte ich wieder die Hoffnung, sie eines Tages auf meine Seite bitten zu können, egal, wie oft mich die Venus enttäuschen würde...

11.11.2005, 15:15	#1
akechi90 Dabei seit: 08/2005 Beiträge: 35 Meine Geschichten	Blick zur Venus Fast täglich ging ich mit dem Fernrohr nach draußen. Immer wieder blickte ich herauf zu den Sternen, ich sah sie freuend an. Doch nie dachte ich daran, einen dieser Sterne zu greifen. Ich war einfach zu weit weg von ihnen. Immer wieder schaute ich nach oben und erblickte eben diese Sterne. Zugegeben: ich stellte mir öfters vor, wie es wäre, einen dieser Sterne zu greifen, doch den Mut dazu brachte ich nie auf. Immer wieder schaute ich zu ihnen hinauf und sie schauten auf mich herab. Nie würde ein Stern für mich sinken, dass ich ihn greifen könnte oder gar zu mir aufschauen würde. Selbst diese Hoffnungen hegte ich nie. Sie wirkten auf mich wie eine schlechte Illusion, vorgespielt von meinem eigenen Herz. Und wenn schon?, dachte ich mir damals. Welchen dieser Sterne sollte ich überhaupt greifen, um damit glücklich zu sein? So hegte ich doch keine Hoffnung, schon eher eine Lust, einem von ihnen wirklich gegenüberzustehen. Sie waren einfach da im Abendhimmel und schauten auf mich herab. Sie würden mich nie beachten, obwohl ich sie ständig beobachtete. Eines Tages erkannte ich mit dem Fernrohr ein anderes Gestirn, das viel heller war als diese vielen anderen Sterne. Und es war größer. Konnte das wirklich eine Illusion sein? Bei den Sternen war ich mir dieser Illusion dauernd sicher, doch hier hegte ich meine Zweifel, ob mir mein Herz tatsächlich nur einen dummen Streich spielte. Dieses Gestirn, das ich an diesem schicksalhaften Tag sah, war die Venus, die freundlich auf mich herablächelte und mich mit ihrem Strahlen erfreute. Seit diesem Tag blickte ich nicht mehr zu anderen Sternen hinauf. Nur noch die Venus war es, die ich täglich aufs Neue beobachtete. Jeden Tag erkannte ich, wie sehr sie mir doch näher kam. Immer mehr Details sah ich auf ihrer schönen Oberfläche, und ihr Inneres blieb mir doch umso mehr verborgen. Nur ihr Strahlen fiel immer auf mich herab und so hegte ich doch die Hoffnung, den Griff nach ihr zu wagen. War sie mir wirklich so nahe? Täglich stellte ich mir diese Frage. Sie erschien mir zu hell und groß, als dass sie weit entfernt sein würde; als dass ich nur die Illusion der Nähe bei ihr empfand. Ich hörte auf, zu überlegen, ob sie nahe oder fern war. Sie war für mich einfach nur nahe; es war mir egal, wie es nun in Wirklichkeit war. Vielleicht wollte ich auch nur, dass sie mir nahe war, obwohl ich vielleicht doch in meinem tiefsten Innersten wusste, dass sie zu weit weg war. Ich machte mir darüber irgendwann keine Gedanken mehr über diese Entfernung. Ich fasste einen folgenschweren Entschluss, als ich wieder einmal mit dem Fernrohr die Venus bewunderte: Ich wollte sie greifen. Konnte sie nicht am nächsten Tag einfach verschwinden? Ich musste sie sofort greifen! Doch als ich diesen Entschluss fasste, spürte ich in meinem Herzen doch wieder eine weite Entfernung. Ich hoffte, dass diese Entfernung nicht allzu groß sein würde und streckte meine Hand nach ihr aus… Ich wurde bitter enttäuscht. Ich konnte die Venus nicht zu mir holen; sie war einfach zu weit weg, wie ich es eigentlich schon zuvor wusste, aber nicht hoffte. Dieses helle Licht und ihre prächtige Größe verleiteten mich zu denken, sie wäre mir nahe, was sie aber nicht war. Mein Herz war wieder vollkommen nüchtern, möglicherweise zu nüchtern. Ich verspürte nicht mehr den Drang, zur Venus zu schauen, hatte sie mich doch schon viel zu stark verletzt. Nicht einmal die anderen Sterne waren es, die mich interessierten. Ich nahm das Fernrohr wochenlang nicht mehr mit nach draußen und verlor jegliche Hoffnung, je ein Gestirn zu mir holen zu können. Ich entschloss mich, nie mehr die Hoffnung zu hegen, eines dieser Gestirne auf meiner Seite zu haben. Doch nach Wochen, in denen ich kein einziges Mal in den Abendhimmel sah, brach mein Entschluss. Ich wollte wieder nach oben schauen. Ich nahm das Fernrohr mit nach draußen und sah nur zu den trüben Sternen heraus, die einander vollkommen glichen - diese Illusionen, denen ich aber dankbar war, da sie mir klarmachten, dass ich nie nach ihnen greifen konnte. Doch wieder lenkte meinen Blick von den Sternen die Venus. Wieder erschien sie mir, doch ihre Gestalt hatte sich in meinen Augen geändert. Es war eine andere Venus, die ich da sah. Und so hatte ich wieder die Hoffnung, sie eines Tages auf meine Seite bitten zu können, egal, wie oft mich die Venus enttäuschen würde...