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16.11.2011, 14:25 | #1 |
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Singen wollte ich nicht
Junikäfer, diese späten Brüder der Maigeborenen, schwirren. Lau ist der Abend, die Dämmerung kriecht aus dem Wald herauf, leises Singen klingt vom Hügel zu mir. Ich gehe hügelan, froh, die Pumps gegen Turnschuhe getauscht zu haben, sehe die Käfer, die den Mücken gleich von lodernden Flammen angelockt, verbrannt werden. Möwen schießen herab, streifen fast mein Haar, erhaschen, was nicht vom Feuer gefressen wird. Ums Feuer ein Dutzend Mädchen und gleichviel Jungen, zwölf, dreizehn Jahre alt. Mein Gott, wie jung sie sind! Ein paar sitzen dabei, etwas älter, vielleicht Betreuer.
Funken stieben auf, manchmal fliegt ein Scheit ins Feuer. Es lockt mich, ich verstehe die Käfer. Die Möwen haben eine reich gedeckte Tafel. Der Kreis der Jungs und Mädchen ist nicht ganz geschlossen, zu stark wohl die Hitze, vielleicht auch zu beißend der Rauch. Dicht beieinander hocken und sitzen alle, singen Lieder aus der Mundorgel, mal ein Lied von der Liebsten, vom scheidenden Jüngling, von irgendeiner entfernten Heimat. Im Zwielicht blinzelt die Venus als erste, setzt ihr strahlendes Lächeln auf, die einbrechende Nacht malt mit unzählbaren Sternen ihre Bilder. Meine Augen wandern über die Gruppe, suchen einen freien Platz und finden ihn neben einem, der auf einer Luftmatratze sitzt. Seine Augen spiegeln, bewegt er den Kopf, die gelben Flammen. Gerade noch umschlangen seine Arme die Knie, jetzt streckt er die Beine aus, sein Körper dehnt sich, er greift hinter sich, die Hand bringt eine Flasche aus dem Dunkel. Durst! Plötzlich habe ich Durst. Setze ich mich neben ihn? Ich könnte als aufdringliches Mädchen gelten. - Ich sitze neben ihm. Er singt mit baritonal gefärbter Stimme, lauter als die anderen. Brennend rinnt der Alkohol, ich huste und er will sich totlachen, dieser dumme Kerl. Haha, ich glaube, ich muss auch lachen, damit er seine Freude hat. Frech ist er. Sein Arm liegt um meine Schultern. Ob er das selbst überhaupt gemerkt oder gewollt hat? Angenehm ist es schon auf der feuerabgewandten Seite gewärmt zu werden, aber unverschämt kumpelhaft ist es auch. Aber - das Angenehme überwiegt. Das Feuer ist ein bisschen nieder gebrannt. Er nimmt Holzscheite, wirft sie ins Feuer. Gesichter erglühen aus der Dunkelheit. Der Gesang ebbt ab. Mein Nachbar greift in die Brust-tasche - wie kühl meine Schultern werden!- und holt eine ziemlich zerknautschte Zigarettenschachtel heraus, zündet zwei Glimmstängel "zünftig" an - ein Feuerzeug hätte es auch getan - aber so ein Stock mit Glut und Flämmchen, Mensch, kommt der sich toll vor! Mir schiebt er eine Zigarette zwischen die Lippen.Ob ich überhaupt rauchen will, scheint ihn nicht zu interessieren. Ein heimlicher Kuss? Ich will ab sofort romantisch sein, also war es einer. Ich spüre so etwas wie Unsicherheit bei ihm, trotz seines betont männlichen Gehabes, denn nur verstohlen suchen seine Augen nach einem Blickkontakt. Die Verlegenheit erschlägt er mit dem nächsten Lied, singt laut, will die anderen mitreißen. Meine Schultern frösteln. Legt er seinen Arm wieder hin? Einen Rundgesang will er haben. Ein Mädchen ziert sich, die Jungen grölen im Chor: "Ach, liebe Ilse, sing ein Lied, sing ein Lied, sing ein Lied, ...", und Ilse singt mit dünner Mädchenstimme. Irgendwann ist die Reihe an mir. Ich will nicht singen, kenne all die Jungs und Mädels nicht, bin verlegen, singe dann doch, singe: "Dat du min Leevsten büst,...", das ich von meiner Freundin gelernt habe. "Wo kommst du her?" "Nicht von der Küste." Die anderen singen weiter. "Wie heißt du?" "Heinke." "Ein ungewöhnlicher Name." "Ich bin ja auch ein ungewöhnliches Mädchen." "Aha!" Sein Arm liegt wieder da wo es schön ist. Zurechtgesägtes Holz und Kloben werden ins Feuer geworfen. Wieder ein Schluck aus der Flasche, wieder dieses Brennen im Hals. Bloß nicht wieder husten! "Du hast eine sehr dunkle Stimme, so Richtung Alt." "Wenn ich noch mehr von diesem Fusel trinke, dann spreche ich morgen als Bass vor." "Muss man sprechen?" Blöde Anmache! Sein Grin-sen gibt mir Recht. "Gefällt es dir bei uns, ist doch schön, oder?" "Ja, nur ... der Bauch ist warm, aber dem Rücken friert `s." Habe ich das wirklich gesagt? Er zieht mich zu sich heran. Eine beschützende Geste. Ich lass mich ziehen, schaue wie er ins Feuer. Gedankenfetzen, unsinniges, ungereimtes Zeug geht mir durch den Kopf. Wegen des Alkohols? Schöne Ausrede, das mit dem Schnaps! Er steht auf, schlendert hangabwärts, schaut sich einmal nach mir um, sagt kein Wort, geht weiter. Nach kurzer Zeit treffen wir uns, als seien wir verabredet, unten am Angelsteg. Da sitzt er und lässt die Füße im Wasser baumeln. Wieder bin ich neben ihm. "Bin ich aufdringlich?" "Nein, ... ich freue mich, dass du gekommen bist." "Hast du noch eine Zigarette?" Diesmal muss er Streichhölzer nehmen. Das kurze Aufleuchten der Flamme lässt wenig Zeit für den Blick auf seine Hände, schöne Hände, wie ich glaube zu sehen. "Gehen wir ein bisschen?" Weil es dunkel ist und weil der Weg eher zu ahnen als zu sehen ist und weil, ach, ich weiß nicht weshalb noch, nimmt er meine Hand. Spinnweben kitzeln, dünne Zweige streifen mein Gesicht, manchmal stolpern wir über Wurzeln, aber er scheint ein Ziel zu haben. Ein Bach plätschert rechts, links baut der Wald eine dunkle Wand, über uns ein Sternenhimmel, den es so gestern, vorgestern, den es eigentlich noch nie so gab. An einer kleinen Brücke hocken wir uns auf das wacklige Geländer. Fragen, Antworten, suchende Blicke, näheres Aneinanderrücken, es war –hmmm - schön. Er hat mich beobachtet, seit Tagen, hat meine Freundin ausgefragt über mich. "Nett" findet er mich. "Du bist jetzt meine Bachbrückennixe". Das fand ich netter als "nett". Vor seinem ersten Kuss bin ich nicht zurück gewichen. Seine Küsse sind, ... nun ja, er kann küssen. Er steht auf, hilft mir vom Geländer herunter, gemeinsam gehen wir ein Stück den Hügel hinauf. Meine Gedanken fahren Karussell, in meinem Kopf ist Jahrmarkt. Stachliges Gras an meinen Waden und über mir das diamantenbesäte Fimament. Ich höre kein Singen mehr vom Feuerplatz. Die Erde ist uns Himmelbett, der Himmel explodiert. Langsamer, ruhiger atmen! Die Sterne, - auf einmal sehe ich die Sterne wieder. Das Gras kitzelt mich. War es schön? Hat er Gott sei Dank nicht gefragt. Schön, schöner, am schönsten, wunderbar war es, wie sonst würde ich noch heute daran denken? Morgen, übermorgen, jeden Tag, immerzu soll ich seine Bachbrückennixe sein. Ich gehe zurück, den Weg zurück, den ich gekommen bin. Leise habe ich gesungen, habe den ganzen nächsten Tag gesungen und wollte doch gar nicht singen. |
16.11.2011, 19:18 | #2 |
Hallo Heinz!
Das ist unfair. Wie soll ich die passenden Worte finden, um das hier zu kommentieren? Ein einfaches "Großartig" genügt Dir nicht. Du wünschst, daß Deine Werke auf Herz und Nieren geprüft, ja geradezu zerpflückt werden, so daß Du siehst: Jede Zeile, jedes Wort - ja, sogar jedes Satzzeichen, bei dem Du Dir etwas dachtest! - wurde wahrgenommen und richtig interpretiert. Zauberhaft und Wunderbar sind auch keine Kommentare, mit denen Du etwas anfangen kannst. Bevor Du beleidigt bist, kommentiere ich lieber gar nicht und bin selbst beleidigt. Aber ich habe es gelesen. Zwei, Drei, Viermal... und da keimt auch schon wieder ein Lächeln. Wir Romantiker sind eine aussterbende Spezies. megdw, Martho |
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16.11.2011, 22:46 | #3 |
Hallo Heinz!
Bei Texten dieser Länge überfliege ich den Inhalt häufig nur. Deine Geschichte hat mich in ihren Bann gezogen, so dass ich sie von vorne bis hinten gelesen habe. ...und meine Kleidung riecht immer noch nach dem Rauch des Feuers... Schön das :-) LG Kati |
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17.11.2011, 01:36 | #4 |
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Singen wollte ich nicht
Lieber Martho,
wieso unfair? Nur weil Du nicht weißt, wie diese kleine Story zu kommentieren ist? Das ist doch ganz einfach: Schreib eine Hymne und schon ist alles in Ordnung. Jetzt mal ohne Quatsch: Natürlich freue ich mich über Deinen Kommentar! Bei meinen Lesern ein Lächeln zu verursachen, das ist mehr als eine Hymne. Ich hatte die Geschichte schon mal eingestellt, sie dann aber löschen lassen, weil ich damit an einem Wettbewerb teilgenommen habe. Soll ich Dir was sagen? Ich habe damit den ersten Preis gewonnen und zum ersten Mal ein Honorar eingestrichen. Liebe kati79, weißt Du, dass es mich richtig stolz macht, wenn ein weibliches Wesen ein Werklein von mir lobt? Weshalb? Nun, weil ich mit dieser Kurzgeschichte versucht habe, mich in die Protagonistin zu versetzen. Und wenn Du die Story bis zum Ende gelesen hast, scheint mir das ja einigermaßen gelungen zu sein. Jetzt kommt aber ein großes Fragezeichen: Hast Du Dich etwa damals Heinke genannt? Zwischenzeitlich habe ich herausgefunden, dass meine "Bachbrückennixe" eigentlich Antje hieß. Ich bin verwirrt und versuche mich an die schönen Tage (es war am Plöner See bei Bosau) zu erinnern. Hättest Du doch gleich gesagt, dass Du Kati heißt! Ich danke Dir sehr für Deinen liebenswürdigen Kommentar! Liebe Grüße Euch beiden, Heinz |
17.11.2011, 14:15 | #5 | |
abgemeldet
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Zitat:
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17.11.2011, 15:00 | #6 |
abgemeldet
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auch mir, Heinz, fehlt text-struktur, es fehlen absätze. er liest sich schwer, so dicht bei dicht. ich musste extrem vergrößern, um alles in ruhe lesen zu können.
dem inhalt stehe ich ambivalent gegenüber. es bleibt mir nichts zurück, was auf der zunge zergehen will. gern gelesen. lg sabi |
17.11.2011, 16:22 | #7 |
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Singen wollte ich nicht
Liebe Sabi,
mit Deiner Kritik werde ich leben müssen. Wieso, das frage ich mich allerdings, hast Du die Kurzgeschichte dann "gern gelesen"? Das Fehlen von Absätzen lässt sich leicht beheben, denn wo Du Recht hast, da hast Du Recht. Damit Du wenigstens das weißt: "Junikäfer" werden die "Gestreiften Brachkäfer" genannt; sie sind deutlich kleiner als die ihnen ähnlich sehenden Maikäfer (deshalb "späte Brüder") und schwirren, wie der Name sagt, im Juni. Und wer sich bisschen in der Natur aufhält, der wird sehr schnell bemerken, dass es im Wald sehr viel früher dämmrig/dunkel wird als in der freien Landschaft. Ich lass diese Dunkelheit aus dem Wald heraus kriechen und fühle mich da in guter Gesellschaft. Ein großer, sehr großer Dichter beginnt ein abendliches Lied mit dem Vers "Dämmrung senkte sich von oben". Liebe Grüße, Heinz |
17.11.2011, 20:54 | #8 |
Hallo Heinz,
das mit den Absätzen stimmt, es würde die Lesbarkeit erleichtern. Aber auch ohne Absätze hab ich es zuende gelesen :-) nein, ich war damals nicht dabei; bei mir war es ein anderer See und ein anderes Feuer :-) LG Kati |
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17.11.2011, 23:38 | #9 |
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weitere 5 zeilen: die geschichte ist zu hastig und unstrukturiert erzählt. sie will dicht sein, wird aber zum dickicht. an sich ein thema das man erzählen kann, obschon ich jeglichen spannungsbogen vermisse. ein buch davon wäre kein page-turner. auch finde ich dass ein älterer mann wie der autor nicht versuchen sollte, sich in ein mädchen zu verwandeln. das ist nur genialen autoren möglich.
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18.11.2011, 01:01 | #10 |
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Singen wollte ich nicht
Liebe Kati,
da ich oben keine Änderungsfunktion gefunden habe, hier also das ganze Ding noch einmal. Liebe Grüße, Heinz Junikäfer, diese späten Brüder der Maigeborenen, schwirren. Lau ist der Abend, die Dämmerung kriecht aus dem Wald herauf, leises Singen klingt vom Hügel zu mir. Ich gehe hügelan, froh, die Pumps gegen Turnschuhe getauscht zu haben, sehe die Käfer, die den Mücken gleich von lodernden Flammen angelockt, verbrannt werden. Möwen schießen herab, streifen fast mein Haar, erhaschen, was nicht vom Feuer gefressen wird. Ums Feuer ein Dutzend Mädchen und gleichviel Jungen, zwölf, dreizehn Jahre alt. Mein Gott, wie jung sie sind! Ein paar sitzen dabei, etwas älter, vielleicht Betreuer. Funken stieben auf, manchmal fliegt ein Scheit ins Feuer. Es lockt mich, ich verstehe die Käfer. Die Möwen haben eine reich gedeckte Tafel. Der Kreis der Jungs und Mädchen ist nicht ganz geschlossen, zu stark wohl die Hitze, vielleicht auch zu beißend der Rauch. Dicht beieinander hocken und sitzen alle, singen Lieder aus der Mundorgel, mal ein Lied von der Liebsten, vom scheidenden Jüngling, von irgendeiner entfernten Heimat. Im Zwielicht blinzelt die Venus als erste, setzt ihr strahlendes Lächeln auf, die einbrechende Nacht malt mit unzählbaren Sternen ihre Bilder. Meine Augen wandern über die Gruppe, suchen einen freien Platz und finden ihn neben einem, der auf einer Luftmatratze sitzt. Seine Augen spiegeln, bewegt er den Kopf, die gelben Flammen. Gerade noch umschlangen seine Arme die Knie, jetzt streckt er die Beine aus, sein Körper dehnt sich, er greift hinter sich, die Hand bringt eine Flasche aus dem Dunkel. Durst! Plötzlich habe ich Durst. Setze ich mich neben ihn? Ich könnte als aufdringliches Mädchen gelten. - Ich sitze neben ihm. Er singt mit baritonal gefärbter Stimme, lauter als die anderen. Brennend rinnt der Alkohol, ich huste und er will sich totlachen, dieser dumme Kerl. Haha, ich glaube, ich muss auch lachen, damit er seine Freude hat. Frech ist er. Sein Arm liegt um meine Schultern. Ob er das selbst überhaupt gemerkt oder gewollt hat? Angenehm ist es schon auf der feuerabgewandten Seite gewärmt zu werden, aber unverschämt kumpelhaft ist es auch. Aber - das Angenehme überwiegt. Das Feuer ist ein bisschen nieder gebrannt. Er nimmt Holzscheite, wirft sie ins Feuer. Gesichter erglühen aus der Dunkelheit. Der Gesang ebbt ab. Mein Nachbar greift in die Brust-tasche - wie kühl meine Schultern werden!- und holt eine ziemlich zerknautschte Zigarettenschachtel heraus, zündet zwei Glimmstängel "zünftig" an - ein Feuerzeug hätte es auch getan - aber so ein Stock mit Glut und Flämmchen, Mensch, kommt der sich toll vor! Mir schiebt er eine Zigarette zwischen die Lippen.Ob ich überhaupt rauchen will, scheint ihn nicht zu interessieren. Ein heimlicher Kuss? Ich will ab sofort romantisch sein, also war es einer. Ich spüre so etwas wie Unsicherheit bei ihm, trotz seines betont männlichen Gehabes, denn nur verstohlen suchen seine Augen nach einem Blickkontakt. Die Verlegenheit erschlägt er mit dem nächsten Lied, singt laut, will die anderen mitreißen. Meine Schultern frösteln. Legt er seinen Arm wieder hin? Einen Rundgesang will er haben. Ein Mädchen ziert sich, die Jungen grölen im Chor: "Ach, liebe Ilse, sing ein Lied, sing ein Lied, sing ein Lied, ...", und Ilse singt mit dünner Mädchenstimme. Irgendwann ist die Reihe an mir. Ich will nicht singen, kenne all die Jungs und Mädels nicht, bin verlegen, singe dann doch, singe: "Dat du min Leevsten büst,...", das ich von meiner Freundin gelernt habe. "Wo kommst du her?" "Nicht von der Küste." Die anderen singen weiter. "Wie heißt du?" "Heinke." "Ein ungewöhnlicher Name." "Ich bin ja auch ein ungewöhnliches Mädchen." "Aha!" Sein Arm liegt wieder da wo es schön ist. Zurechtgesägtes Holz und Kloben werden ins Feuer geworfen. Wieder ein Schluck aus der Flasche, wieder dieses Brennen im Hals. Bloß nicht wieder husten! "Du hast eine sehr dunkle Stimme, so Richtung Alt." "Wenn ich noch mehr von diesem Fusel trinke, dann spreche ich morgen als Bass vor." "Muss man sprechen?" Blöde Anmache! Sein Grinsen gibt mir Recht. "Gefällt es dir bei uns, ist doch schön, oder?" "Ja, nur ... der Bauch ist warm, aber dem Rücken friert `s." Habe ich das wirklich gesagt? Er zieht mich zu sich heran. Eine beschützende Geste. Ich lass mich ziehen, schaue wie er ins Feuer. Gedankenfetzen, unsinniges, ungereimtes Zeug geht mir durch den Kopf. Wegen des Alkohols? Schöne Ausrede, das mit dem Schnaps! Er steht auf, schlendert hangabwärts, schaut sich einmal nach mir um, sagt kein Wort, geht weiter. Nach kurzer Zeit treffen wir uns, als seien wir verabredet, unten am Angelsteg. Da sitzt er und lässt die Füße im Wasser baumeln. Wieder bin ich neben ihm. "Bin ich aufdringlich?" "Nein, ... ich freue mich, dass du gekommen bist." "Hast du noch eine Zigarette?" Diesmal muss er Streichhölzer nehmen. Das kurze Aufleuchten der Flamme lässt wenig Zeit für den Blick auf seine Hände, schöne Hände, wie ich glaube zu sehen. "Gehen wir ein bisschen?" Weil es dunkel ist und weil der Weg eher zu ahnen als zu sehen ist und weil, ach, ich weiß nicht weshalb noch, nimmt er meine Hand. Spinnweben kitzeln, dünne Zweige streifen mein Gesicht, manchmal stolpern wir über Wurzeln, aber er scheint ein Ziel zu haben. Ein Bach plätschert rechts, links baut der Wald eine dunkle Wand, über uns ein Sternenhimmel, den es so gestern, vorgestern, den es eigentlich noch nie so gab. An einer kleinen Brücke hocken wir uns auf das wacklige Geländer. Fragen, Antworten, suchende Blicke, näheres Aneinanderrücken, es war –hmmm - schön. Er hat mich beobachtet, seit Tagen, hat meine Freundin ausgefragt über mich. "Nett" findet er mich. "Du bist jetzt meine Bachbrückennixe". Das fand ich netter als "nett". Vor seinem ersten Kuss bin ich nicht zurück gewichen. Seine Küsse sind, ... nun ja, er kann küssen. Er steht auf, hilft mir vom Geländer herunter, gemeinsam gehen wir ein Stück den Hügel hinauf. Meine Gedanken fahren Karussell, in meinem Kopf ist Jahrmarkt. Stachliges Gras an meinen Waden und über mir das diamantenbesäte Fimament. Ich höre kein Singen mehr vom Feuerplatz. Die Erde ist uns Himmelbett, der Himmel explodiert. Langsamer, ruhiger atmen! Die Sterne, - auf einmal sehe ich die Sterne wieder. Das Gras kitzelt mich. War es schön? Hat er Gott sei Dank nicht gefragt. Schön, schöner, am schönsten, wunderbar war es, wie sonst würde ich noch heute daran denken? Morgen, übermorgen, jeden Tag, immerzu soll ich seine Bachbrückennixe sein. Ich gehe zurück, den Weg zurück, den ich gekommen bin. Leise habe ich gesungen, habe den ganzen nächsten Tag gesungen und wollte doch gar nicht singen. |
18.11.2011, 10:59 | #11 |
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liebe kati - frage den alten herrn mal, wo der zeilendurschuß für die absätze ist.
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18.11.2011, 13:31 | #12 |
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ach Heinz, zwar strukturiert, dennoch so ein gewusel.
es geht besser, das weiß ich. versuchs noch mal. lg sabi |
18.11.2011, 17:32 | #13 |
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Liebe Sabi,
ich nehme Kritik von ernst zu nehmenden Menschen immer gern entgegen. Vielleicht sollte man den Text nicht nur lesen, sondern ihn laut sprechen. Den Versuch, immer ein bisschen besser zu schreiben, unternehme ich ständig. Aber es allen recht machen ist eine Kunst, die wohl niemand beherrscht. Mir war es eine große Freude, als die Story von ausgewiesenen Kennern der Literatur, die selbst professionelle Schriftsteller/innen sind, bei einem Wettbewerb einstimmig auf den ersten Platz gesetzt wurde. Denen musste ich auch nicht erklären, dass der "Gerippte Brachkäfer" (Amphimallon solstitiale) ein Käfer aus der Familie der Blatthornkäfer ist und für gewöhnlich Junikäfer genannt wird. Denen war auch klar, dass die Beobachtung des Flammentodes dieser vom Feuer angelockten Brummer etwas mit anderen Verlockungen zu tun hatte. "Gewusel" - na schön, für Dich ist die kleine romantische Story Gewusel. Im übrigen: Zu René bin ich noch nie hingerannt, um eine Löschung zu beantragen. Einzige Ausnahme: Heute habe ich um die unverzügliche Löschung des Machwerks "ich bin Heinrich Himmler" gebeten. An einem Genie würde ich mich niemals reiben wollen. Liebe Grüße, Heinz |
19.11.2011, 16:08 | #14 |
hallo heinz,
mir gefällt deine geschichte sehr gut. sie baut stimmung auf, und zwar subtil und langsam. darin liegt die spezielle "spannung", die dieses werk sehr wohl hat: es vermittelt zwischen den zeilen mehr, als es direkt sagt - in einer wohltuenden , dezenten ästetik. wer das verstehen kann, wird mit dieser geschichte sehr wohl etwas anfangen. für freunde eines reißerischeren genres ist es natürlich nichts. aber, wie du schon sagtest: man kann es nicht allein recht machen! und das ist ja auch wirklich nicht sinn und zweck des schreibens. liebe grüße, larin |
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19.11.2011, 16:46 | #15 |
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Liebe larin,
herzlichen Dank für Deinen freundlichen Kommentar. Er grenzt zwar, Zitat: "nahe an Blödsinn", aber damit wirst Du leben müssen. Wenn Dir die Geschichte gefallen hat, dann bin ich schon sehr zufrieden (und gottlob gibt es noch ein paar andere positive Stimmen). Den Spekulationen über mein Alter will ich keine Nahrung geben, aber diese kleine Story habe ich vor einigen Jahren geschrieben, hin und wieder was daran zu verbessern versucht. Weshalb mich ein giftgefüllter Mensch zu einem Fünfundsiebzigjährigen machen möchte, ist mir ein Rätsel, denn aus meinem Lebensalter habe ich noch nie ein Geheimnis gemacht. Noch einmal: Danke für Deinen Kommentar, liebe Grüße, Heinz |
19.11.2011, 16:56 | #16 |
R.I.P.
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Halli Hallo, Heinz -
in den 60er Jahren gab es eine Anthologie "Liebe in unserer Zeit". Wenn ich mich recht erinnere, war der Herausgeber Magnus Enzensberger. Dahinein hätte Deine Geschichte gut gepaßt. Ich bin offen und gestehe Dir, daß ich mit solchen Geschichten nicht viel anfangen kann. Mein Herz läßt sich wohl doch nur von Lyrik entflammen. LG! Thing |
19.11.2011, 17:01 | #17 |
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Lieber Thing,
ich glaube, "Liebe in unserer Zeit" war damals ein Büchlein im Bertelsmann-Verlag. Dass meine Story zwar nicht aus den 60er, aber aus den mittleren 70er Jahren stammt, ist schon der damals beliebten Lagerfeuer-Romantik zu entnehmen. Geschrieben hatte ich sie eigentlich, weil die Protagonistin Ende der 70er Jahre einen tödlichen Autounfall hatte und ich sie als quicklebendige Frau im Gedächtnis behalten wollte. Dass Dein Herz mehr an der Lyrik hängt - wem sagst Du das? Geht mir ja nicht anders. Liebe Grüße, Heinz |
20.11.2011, 08:56 | #18 |
hallo heinz,
ich denke , es steht jedem autor frei, gedanklich in jede rolle zu schlüpfen , die ihm beliebt. meine meinung ist die: was ich mag, mag ich. (und wenn jemand anderer dann dazu ein geheule anfängt, wie der teufel beim anblick von weihwasser, dann soll er! ) dass ralf sich namen nicht richtig merken kann, ist mittlerweile bekannt. liebe grüße an dich , schönen sonntag! larin |
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21.11.2011, 00:41 | #19 |
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Liebe Larin,
sehe ich auch so. Die Geschmäcker sind verschieden - Gott sei Dank. Danke für die Sonntagsgrüße - es war ein wunderbarer Herbsttag. Liebe Grüße, Heinz |
28.11.2011, 22:12 | #20 |
du siehst Heinz, dass ich mich in dein werk hineinlese. es ehrt dich, dass du diese story als gedenken an eine verstorbene freundin geschrieben hast. so leben teile ihres wesens in uns weiter.
wußte gar nicht, dass du schon so ein alter "sack" bist. dass ein zwielicht als nebenrolle dabei sein darf, gefällt dem grüßenden zwieleuchter |
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02.12.2011, 00:25 | #21 |
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Hallo, Zwieleuchter
danke für Dein Interesse. Leider hat sich in Deinen Kommentar ein Fehler eingeschlichen: Als ich fünfzig wurde, gab es einen "Orden" und die damit verbundene Aufnahme in den "Klub der alten Säcke". Bei meinem sechzigsten fand eine ähnliche Zeremonie statt, - ich wurde Mitglied im Klub der uralten Säcke. Auf die Ernennung zum steinalten Sack warte ich - und dann werde ich die Frage stellen, was das Alter eines Autors mit dem eingestellten Text zu tun hat. Vielleicht erklärst Du es mir vorher? Gruß, Heinz |
02.12.2011, 00:59 | #22 | ||
abgemeldet
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Zitat:
und urururualte säcke schreiben sätze sooo: Zitat:
Immer wenn er den Kopf bewegt, spiegeln sich in seinen Augen die gelben Flammen. |
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05.09.2016, 19:56 | #23 |
hihihi
zuviele Kommentare um sie alle zu lesen. Festival scheint Absatz- und Durchschussfaul. Na ja, ich gönn es ihm. Dieser Text ist ein Gewusel hab ich irgendwo gelesen. Von einem Mann? bestimmt. Natürlich kann man nicht alle Frauen über einen Kamm scheren. Aber ich bin ein wuseliger Chaoskopf. Dieser Text, der so charmante Stellen in 'moderner' Sprache mit einer dafür ungewöhnlichen Grammatik benutzt ... hat mich grad total kribbelig gemacht ... am anfang skepsis, fast hätte ich einen .. - Absatz? nein - einen Teil übersprungen, landete auf einer wunderschönen Zeile und kehrte doch wieder zurück um alles zu lesen. Übrigens habe ich nicht das Original, sondern die leicht strukturiertere Version gelesen. ich kann nur sagen... wow, fühle mich ein bisschen ertappt von dir als Kerl. gnaa und so verflucht aktuell xD was soll das!? das ist wirklich unfair warum entdeckt man manche texte echt erst dann, wenn sie genau richtig sind? noch vor einer woche hätts garantiert nicht so gekribbelt beim lesen, was nichts mit der qualität deiner worte da zu tun hat ... ich mag wie wuselig es ist o.o wuselige grüße .. jetzt hätt ich fast ausversehen doch meinen namen hier hin geschrieben ... Zen |
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05.09.2016, 23:03 | #24 |
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Liebe Zen,
wie hast Du das Ding denn ausgebuddelt? Wenn Du einen Teil der Kommentare gelesen hast, bist Du sicher auch auf Ralfchen, Goldart... (alles dieselbe Person) gestoßen. Mit dem habe ich mich vor paar Jahren herumgefetzt, da sind die aktuellen Kabbeleien die reinsten Friedensgespräche. Danke für Deine Mühe, die Geschichte ganz zu lesen und für das versteckte Lob. Ich glaube, ich gehe noch mal an das Stück heran, um es ein wenig lesefreundlicher zu gestalten. Liebe Grüße, Heinz |
06.09.2016, 16:47 | #25 |
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Singen wollte ich nicht
Junikäfer, diese späten Brüder der Maigeborenen, schwirren.
Lau ist der Abend, die Dämmerung kriecht aus dem Wald herauf, leises Singen klingt vom Hügel zu mir. Ich gehe hügelan, froh, die Pumps gegen Turnschuhe getauscht zu haben, sehe die Käfer, die den Mücken gleich von lodernden Flammen angelockt, verbrannt werden. Möwen schießen herab, streifen fast mein Haar, erhaschen, was nicht vom Feuer gefressen wird. Ums Feuer ein Dutzend Mädchen und gleichviel Jungen, zwölf, dreizehn Jahre alt. Mein Gott, wie jung sie sind! Ein paar sitzen dabei, etwas älter, vielleicht Betreuer. Funken stieben auf, manchmal fliegt ein Scheit ins Feuer. Es lockt mich, ich verstehe die Käfer. Die Möwen haben eine reich gedeckte Tafel. Der Kreis der Jungs und Mädchen ist nicht ganz geschlossen, zu stark wohl die Hitze, vielleicht auch zu beißend der Rauch. Dicht beieinander hocken und sitzen alle, singen Lieder aus der Mundorgel, mal ein Lied von der Liebsten, vom scheidenden Jüngling, von irgendeiner entfernten Heimat. Im Zwielicht blinzelt die Venus als erste, setzt ihr strahlendes Lächeln auf, die einbrechende Nacht malt mit unzählbaren Sternen ihre Bilder. Meine Augen wandern über die Gruppe, suchen einen freien Platz und finden ihn neben einem, der auf einer Luftmatratze sitzt. Seine Augen spiegeln, bewegt er den Kopf, die gelben Flammen. Gerade noch umschlangen seine Arme die Knie, jetzt streckt er die Beine aus, sein Körper dehnt sich, er greift hinter sich, die Hand bringt eine Flasche aus dem Dunkel. Durst! Plötzlich habe ich Durst. Setze ich mich neben ihn? Ich könnte als aufdringliches Mädchen gelten. - Ich sitze neben ihm. Er singt mit baritonal gefärbter Stimme, lauter als die anderen. Brennend rinnt der Alkohol, ich huste und er will sich totlachen, dieser dumme Kerl. Haha, ich glaube, ich muss auch lachen, damit er seine Freude hat. Frech ist er. Sein Arm liegt um meine Schultern. Ob er das selbst überhaupt gemerkt oder gewollt hat? Angenehm ist es schon auf der feuerabgewandten Seite gewärmt zu werden, aber unverschämt kumpelhaft ist es auch. Aber - das Angenehme überwiegt. Das Feuer ist ein bisschen nieder gebrannt. Er nimmt Holzscheite, wirft sie in die Glut. Gesichter erglühen aus der Dunkelheit. Der Gesang ebbt ab. Mein Nachbar greift in die Brusttasche - wie kühl meine Schultern werden! - und holt eine ziemlich zerknautschte Zigarettenschachtel heraus, zündet zwei Glimmstängel "zünftig" an - ein Feuerzeug hätte es auch getan - aber so ein Stock mit Glut und Flämmchen, Mensch, kommt der sich toll vor! Mir schiebt er eine Zigarette zwischen die Lippen.Ob ich überhaupt rauchen will, scheint ihn nicht zu interessieren. Ein heimlicher Kuss? Ich will ab sofort romantisch sein, also war es einer. Ich spüre so etwas wie Unsicherheit bei ihm, trotz seines betont männlichen Gehabes, denn nur verstohlen suchen seine Augen nach einem Blickkontakt. Die Verlegenheit erschlägt er mit dem nächsten Lied, singt laut, will die anderen mitreißen. Meine Schultern frösteln. Legt er seinen Arm wieder hin? Einen Rundgesang will er haben. Ein Mädchen ziert sich, die Jungen grölen im Chor: "Ach, liebe Ilse, sing ein Lied, sing ein Lied, sing ein Lied, ...", und Ilse singt mit dünner Mädchenstimme. Irgendwann ist die Reihe an mir. Ich will nicht singen, kenne all die Jungs und Mädels nicht, bin verlegen, singe dann doch, singe: "Dat du min Leevsten büst,...", das ich von meiner Freundin gelernt habe. "Wo kommst du her?" "Nicht von der Küste." Die anderen singen weiter. "Wie heißt du?" "Heinke." "Ein ungewöhnlicher Name." "Ich bin ja auch ein ungewöhnliches Mädchen." "Aha!" Sein Arm liegt wieder da wo es schön ist. Zurechtgesägtes Holz und Kloben werden ins Feuer geworfen. Wieder ein Schluck aus der Flasche, wieder dieses Brennen im Hals. Bloß nicht wieder husten! "Du hast eine sehr dunkle Stimme, so Richtung Alt." "Wenn ich noch mehr von diesem Fusel trinke, dann spreche ich morgen als Bass vor." "Muss man sprechen?" Blöde Anmache! Sein Grinsen gibt mir Recht. "Gefällt es dir bei uns, ist doch schön, oder?" "Ja, nur ... der Bauch ist warm, aber dem Rücken friert `s." Habe ich das wirklich gesagt? Er zieht mich zu sich heran. Eine beschützende Geste. Ich lass mich ziehen, schaue wie er ins Feuer. Gedankenfetzen, unsinniges, ungereimtes Zeug geht mir durch den Kopf. Wegen des Alkohols? Schöne Ausrede, das mit dem Schnaps! Er steht auf, schlendert hangabwärts, schaut sich einmal nach mir um, sagt kein Wort, geht weiter. Nach kurzer Zeit treffen wir uns, als seien wir verabredet, unten am Angelsteg. Da sitzt er und lässt die Füße im Wasser baumeln. Wieder bin ich neben ihm. "Bin ich aufdringlich?" "Nein, ... ich freue mich, dass du gekommen bist." "Hast du noch eine Zigarette?" Diesmal muss er Streichhölzer nehmen. Das kurze Aufleuchten der Flamme lässt wenig Zeit für den Blick auf seine Hände, schöne Hände, wie ich glaube zu sehen. "Gehen wir ein bisschen?" Weil es dunkel ist und weil der Weg eher zu ahnen als zu sehen ist und weil, ach, ich weiß nicht weshalb noch, nimmt er meine Hand. Spinnweben kitzeln, dünne Zweige streifen mein Gesicht, manchmal stolpern wir über Wurzeln, aber er scheint ein Ziel zu haben. Ein Bach plätschert rechts, links baut der Wald eine dunkle Wand, über uns ein Sternenhimmel, den es so gestern, vorgestern, den es eigentlich noch nie so gab. An einer kleinen Brücke hocken wir uns auf das wacklige Geländer. Fragen, Antworten, suchende Blicke, näheres Aneinanderrücken, es war – hmmm - schön. Er hat mich beobachtet, seit Tagen, hat meine Freundin ausgefragt über mich. "Nett" findet er mich. "Du bist jetzt meine Bachbrückennixe". Das fand ich netter als "nett". Vor seinem ersten Kuss bin ich nicht zurück gewichen. Seine Küsse sind, ... nun ja, er kann küssen. Er steht auf, hilft mir vom Geländer herunter, gemeinsam gehen wir ein Stück den Hügel hinauf. Meine Gedanken fahren Karussell, in meinem Kopf ist Jahrmarkt. Stachliges Gras an meinen Waden und über mir das diamantenbesäte Firmament. Ich höre kein Singen mehr vom Feuerplatz. Die Erde ist uns Himmelbett, der Himmel explodiert. Langsamer, ruhiger atmen! Die Sterne, - auf einmal sehe ich die Sterne wieder. Das Gras kitzelt mich. War es schön? Hat er Gott sei Dank nicht gefragt. Schön, schöner, am schönsten, wunderbar war es, wie sonst würde ich noch heute daran denken? Morgen, übermorgen, jeden Tag, immerzu soll ich seine Bachbrückennixe sein. Ich gehe zurück, den Weg zurück, den ich gekommen bin. Leise habe ich gesungen, habe den ganzen nächsten Tag gesungen und wollte doch gar nicht singen. |
10.09.2016, 04:21 | #26 |
das meinte ich mit 'nicht forcieren'
jetzt ist es etwas zu stückelig hier eine beabsatzte Version von mir: __________________________________________________ _____ Singen wollte ich nicht Junikäfer, diese späten Brüder der Maigeborenen, schwirren. Lau ist der Abend, die Dämmerung kriecht aus dem Wald herauf, leises Singen klingt vom Hügel zu mir. Ich gehe hügelan, froh, die Pumps gegen Turnschuhe getauscht zu haben, sehe die Käfer, die den Mücken gleich von lodernden Flammen angelockt, verbrannt werden. Möwen schießen herab, streifen fast mein Haar, erhaschen, was nicht vom Feuer gefressen wird. Ums Feuer ein Dutzend Mädchen und gleichviel Jungen, zwölf, dreizehn Jahre alt. Mein Gott, wie jung sie sind! Ein paar sitzen dabei, etwas älter, vielleicht Betreuer. Funken stieben auf, manchmal fliegt ein Scheit ins Feuer. Es lockt mich, ich verstehe die Käfer. Die Möwen haben eine reich gedeckte Tafel. Der Kreis der Jungs und Mädchen ist nicht ganz geschlossen, zu stark wohl die Hitze, vielleicht auch zu beißend der Rauch. Dicht beieinander hocken und sitzen alle, singen Lieder aus der Mundorgel, mal ein Lied von der Liebsten, vom scheidenden Jüngling, von irgendeiner entfernten Heimat. Im Zwielicht blinzelt die Venus als erste, setzt ihr strahlendes Lächeln auf, die einbrechende Nacht malt mit unzählbaren Sternen ihre Bilder. Meine Augen wandern über die Gruppe, suchen einen freien Platz und finden ihn neben einem, der auf einer Luftmatratze sitzt. Seine Augen spiegeln, bewegt er den Kopf, die gelben Flammen. Gerade noch umschlangen seine Arme die Knie, jetzt streckt er die Beine aus, sein Körper dehnt sich, er greift hinter sich, die Hand bringt eine Flasche aus dem Dunkel. Durst! Plötzlich habe ich Durst. Setze ich mich neben ihn? Ich könnte als aufdringliches Mädchen gelten. - Ich sitze neben ihm. Er singt mit baritonal gefärbter Stimme, lauter als die anderen. Brennend rinnt der Alkohol, ich huste und er will sich totlachen, dieser dumme Kerl. Haha, ich glaube, ich muss auch lachen, damit er seine Freude hat. Frech ist er. Sein Arm liegt um meine Schultern. Ob er das selbst überhaupt gemerkt oder gewollt hat? Angenehm ist es schon auf der feuerabgewandten Seite gewärmt zu werden, aber unverschämt kumpelhaft ist es auch. Aber - das Angenehme überwiegt. Das Feuer ist ein bisschen nieder gebrannt. Er nimmt Holzscheite, wirft sie in die Glut. Gesichter erglühen aus der Dunkelheit. Der Gesang ebbt ab. Mein Nachbar greift in die Brusttasche - wie kühl meine Schultern werden! - und holt eine ziemlich zerknautschte Zigarettenschachtel heraus, zündet zwei Glimmstängel "zünftig" an - ein Feuerzeug hätte es auch getan - aber so ein Stock mit Glut und Flämmchen, Mensch, kommt der sich toll vor! Mir schiebt er eine Zigarette zwischen die Lippen. Ob ich überhaupt rauchen will, scheint ihn nicht zu interessieren. Ein heimlicher Kuss? Ich will ab sofort romantisch sein, also war es einer. Ich spüre so etwas wie Unsicherheit bei ihm, trotz seines betont männlichen Gehabes, denn nur verstohlen suchen seine Augen nach einem Blickkontakt. Die Verlegenheit erschlägt er mit dem nächsten Lied, singt laut, will die anderen mitreißen. Meine Schultern frösteln. Legt er seinen Arm wieder hin? Einen Rundgesang will er haben. Ein Mädchen ziert sich, die Jungen grölen im Chor: "Ach, liebe Ilse, sing ein Lied, sing ein Lied, sing ein Lied, ...", und Ilse singt mit dünner Mädchenstimme. Irgendwann ist die Reihe an mir. Ich will nicht singen, kenne all die Jungs und Mädels nicht, bin verlegen, singe dann doch, singe: "Dat du min Leevsten büst,...", das ich von meiner Freundin gelernt habe. "Wo kommst du her?" "Nicht von der Küste." Die anderen singen weiter. "Wie heißt du?" "Heinke." "Ein ungewöhnlicher Name." "Ich bin ja auch ein ungewöhnliches Mädchen." "Aha!" Sein Arm liegt wieder da wo es schön ist. Zurechtgesägtes Holz und Kloben werden ins Feuer geworfen. Wieder ein Schluck aus der Flasche, wieder dieses Brennen im Hals. Bloß nicht wieder husten! "Du hast eine sehr dunkle Stimme, so Richtung Alt." "Wenn ich noch mehr von diesem Fusel trinke, dann spreche ich morgen als Bass vor." "Muss man sprechen?" Blöde Anmache! Sein Grinsen gibt mir Recht. "Gefällt es dir bei uns, ist doch schön, oder?" "Ja, nur ... der Bauch ist warm, aber dem Rücken friert `s." Habe ich das wirklich gesagt? Er zieht mich zu sich heran. Eine beschützende Geste. Ich lass mich ziehen, schaue wie er ins Feuer. Gedankenfetzen, unsinniges, ungereimtes Zeug geht mir durch den Kopf. Wegen des Alkohols? Schöne Ausrede, das mit dem Schnaps! Er steht auf, schlendert hangabwärts, schaut sich einmal nach mir um, sagt kein Wort, geht weiter. Nach kurzer Zeit treffen wir uns, als seien wir verabredet, unten am Angelsteg. Da sitzt er und lässt die Füße im Wasser baumeln. Wieder bin ich neben ihm. "Bin ich aufdringlich?" "Nein, ... ich freue mich, dass du gekommen bist." "Hast du noch eine Zigarette?" Diesmal muss er Streichhölzer nehmen. Das kurze Aufleuchten der Flamme lässt wenig Zeit für den Blick auf seine Hände, schöne Hände, wie ich glaube zu sehen. "Gehen wir ein bisschen?" Weil es dunkel ist und weil der Weg eher zu ahnen als zu sehen ist und weil, ach, ich weiß nicht weshalb noch, nimmt er meine Hand. Spinnweben kitzeln, dünne Zweige streifen mein Gesicht, manchmal stolpern wir über Wurzeln, aber er scheint ein Ziel zu haben. Ein Bach plätschert rechts, links baut der Wald eine dunkle Wand, über uns ein Sternenhimmel, den es so gestern, vorgestern, den es eigentlich noch nie so gab. An einer kleinen Brücke hocken wir uns auf das wacklige Geländer. Fragen, Antworten, suchende Blicke, näheres Aneinanderrücken, es war – hmmm - schön. Er hat mich beobachtet, seit Tagen, hat meine Freundin ausgefragt über mich. "Nett" findet er mich. "Du bist jetzt meine Bachbrückennixe". Das fand ich netter als "nett". Vor seinem ersten Kuss bin ich nicht zurück gewichen. Seine Küsse sind, ... nun ja, er kann küssen. Er steht auf, hilft mir vom Geländer herunter, gemeinsam gehen wir ein Stück den Hügel hinauf. Meine Gedanken fahren Karussell, in meinem Kopf ist Jahrmarkt. Stachliges Gras an meinen Waden und über mir das diamantenbesäte Firmament. Ich höre kein Singen mehr vom Feuerplatz. Die Erde ist uns Himmelbett, der Himmel explodiert. Langsamer, ruhiger atmen! Die Sterne, - auf einmal sehe ich die Sterne wieder. Das Gras kitzelt mich. War es schön? Hat er Gott sei Dank nicht gefragt. Schön, schöner, am schönsten, wunderbar war es, wie sonst würde ich noch heute daran denken? Morgen, übermorgen, jeden Tag, immerzu soll ich seine Bachbrückennixe sein. Ich gehe zurück, den Weg zurück, den ich gekommen bin. Leise habe ich gesungen, habe den ganzen nächsten Tag gesungen und wollte doch gar nicht singen. __________________________________________________ _____ Vielleicht siehst du ja was ich meine... mir ist gerade aufgefallen, dass ich sowas normalerweise mache, während ich einen Text schreibe. Meine: Der Text selbst sagt mir wo es wie zu sein hat, in diesem Fall hier habe ich aus rein inhaltlicher und optischer Motivation gehandelt, könnte dir in deinem Autorendenken also vielleicht durchaus wiedersprechen an mancher Stelle. Überflieg es mal nur Es hat ein schöneres Bild, ist nicht so fleckig, trotzdem übersichtlicher. Es erleichtert halt auch das Lesen eines langen Textes itself ... Naja da kommt die Mediengestalterin auch einfach durch bei mir ^^ So.. nu hab eine gute Nacht Licht & angenehme Traumreisen Zen |
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10.09.2016, 08:06 | #27 |
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Liebe Zen,
der eine kann das, die andere kann was anderes besser. Was die Textgestaltung angeht, bist Du eindeutig besser als ich. Danke für Deine Mühe! Liebe Grüße und ein schönes Wochenende! Heinz |
10.09.2016, 14:06 | #28 |
Das ist wahr ganz ehrlich, ich bin ja dankbar etwas zu können, mit dem ich dir vielleicht ... meine Hilfe anbieten kann? wenn du einen Text nochmal auf ähnliche Art struktiert haben willst, sag mir einfach bescheid.
Genau, und wenn sich dann verschiedene Wesen mit verschiedenen Talenten zusammentun entsteht dabei Großes Ich freue mich doch, dass dir meine Absätze gefallen ... es war schwieriger als ich dachte, dass mit einem "fremden Text" zu machen tatsächlich. Schön das es mir wenigstens gelungen ist. Licht & Liebe Zen |
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11.09.2016, 00:16 | #29 |
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Liebe Zen,
noch glimmt in mir ein zarter Funke, Hoffnung genannt. Kurzgeschichten sind eigentlich nicht so mein Ding, aber ich werde mir Mühe geben (und rechne mit Deiner Hilfe), wenn ich mal in die Prosa "abrutsche". Liebe Grüße, Heinz |
16.10.2022, 14:48 | #30 |
Und das hier Lieber Heinz,
ist doch tatsächlich Nr. 3 in meiner noch so jungen Favoritenliste vor all den Jahren Immernoch kribbelig Fantastisch, danke! zen |
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16.10.2022, 15:23 | #31 |
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Liebe Zen.yu,
dein Kommentar gleicht einer Ordensverleihung - danke! Wie ich sehe, scheinst du wie ein Mineraloge mit einem Hämmerchen in der Hand auf der Suche nach seltenen Mineralien zu sein. Die Freude bei allen Autoren, deren Edelsteine in deine Sammlung aufgenommen werden, wird groß sein (auch wenn sie schon seit Jahren auf Wolke sieben sitzen und sicherlich amüsiert lächeln). Vielen Dank fürs Herausholen aus der Unmenge tauben Gesteins! Heinz |
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