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03.09.2011, 18:57 | #1 |
Forumsleitung
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Mutter
Die Jeans verwaschen, an den Nähten brüchig. Ein schmutziges T-Shirt mit Garfield-Motiv. Stoppelkopf, Stupsnase. Etwa vier Jahre alt. Tränen in den Augen und aus der Nase Rotz.
Ich hielt meinen Einkaufswagen an. „Wo ist deine Mami?“ Der Junge sah nicht hoch, sondern stierte auf den Boden und schluchzte: „Mamma, Mamma, Mammamammamamma!“ „Du hast Deine Mami verloren?“ Er nickte kurz. „Hast du deine Mami lieb?“ Wieder ein kurzes Nicken. „Und deine Mami hat dich auch lieb?“ Kein Nicken, keine Antwort. Nur Tränen und Rotz. „Weißt du,“ flötete ich ihm ein, „deine Mami hat dich lieb und sucht bestimmt nach dir. Wir werden sie finden.“ Damit dachte ich ihn zu beruhigen. Aber als ich ihm das verrutschte T-Shirt über die Hose gezogen hatte und auf seinem Rücken die Ausläufer der Striemen sah – blau, lila, grüngelb -, war ich selbst beunruhigt. Ich putzte dem Jungen die Nase, nahm ihn bei der Hand, sprach mit dem Marktleiter, und der rief die Polizei. Wir fanden die Mutter in der Kneipe, die in das Einkaufszentrum integriert war. Die meisten Kunden zischen hier ein Bier, wobei sie ihre Einkäufe besprechen und dabei an einem Würstchen oder Nierenspies kauen. Fast-Food-Ambiente. „Wieviel hat sie gehabt?“ „Fünf Wodkas.“ „Wie lange?“ „Schätze zwanzig Minuten.“ „Fünf?“ „Fünf. Aber sie kam schon blau hier an.“ Als der Junge seinen Pflegeeltern überstellt wurde, schluchzte er nicht mehr – er brüllte: „Maaaamaaaaaaaa!“ Als er fünfzehn war, erschlug er sie, während sie schlief. 3. September 2011 by Ilka-M. |
03.09.2011, 19:12 | #2 |
R.I.P.
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Halli Hallo,
d a s nenne ich eine Kurzgeschichte! Alle Kriterien sind erfüllt: Guter Einstieg. Kurze Sätze. Kein Wort zuviel, kein Wort zuwenig. Titel genial. Schlußsatz, der mich aus den Socken haut. Großes Kompliment von Thing |
08.09.2011, 12:41 | #3 |
Dabei seit: 11/2008
Ort: bye the Godfarther! The God? the God!..... Father!
Alter: 40
Beiträge: 949
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Ich bin nicht ganz so hingerissen. Weil das Thema schon so ausgelutscht ist das hier wirklich voll der bänger hätte kommen müssen.
Das kann zwar so vorkommen, allerdings werden Pflegeeltern soweit ich weiß stark geprüft bevor sie Pflegeeltern werden können. Alles in allem kann man sagen das da jetzt kein sonderlicher Fehler drin ist, aber die Risikobereitschaft fehlt mir in dem Text. Ich glaube nicht das ich mich nächstes jahr noch daran erinnern werde. |
08.09.2011, 13:27 | #4 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Das kann ich akzeptieren, der Text wurde von mir spontan in wenigen Minuten hingekritzelt, um einfach mal die Idee festzuhalten. Eigentlich gehört er überarbeitet. 2.) Das Ende, lieber EL, ist offen und verrät nicht, ob die echte Mutter oder die Pflegemutter getötet wird. In letzterem Fall könnte es sein, daß psychologisch eine Verschiebung auf die Pflegemutter stattfindet, obwohl die leibliche Mutter gemeint ist, die ihrem Sohn aber nicht mehr für eine Auseinandersetzung zur Verfügung steht. Ich habe diesen Satz bewußt so gefaßt, daß er verschieden auslegbar ist. Es steht hier nicht zur Debatte, ob die Pflegeeltern geprüft wurden und alles richtig gemacht haben. Wie Du selbst eingangs sagtest, ist das Thema "ausgelutscht", nämlich weil es solche Fälle immer wieder gibt. Es ist vielmehr so, daß man kleine Kinder nicht auf ihr späteres Wesen und die Verarbeitung ihres Schicksals prüfen kann. 3.) An die wenigsten Texte im Forum wird sich irgend jemand auf Dauer erinnern, die Halbwertzeit, lieber EM, liegt meistens bei ein bis zwei Wochen . Außerdem ist Prosa nicht meine Stärke. |
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08.09.2011, 13:50 | #5 |
Dabei seit: 11/2008
Ort: bye the Godfarther! The God? the God!..... Father!
Alter: 40
Beiträge: 949
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Aus meiner sicht. ich habe erst gemerkt das die Pflegeeltern und nicht die echte mutter gemeint sein könnte als ich den kommentar angefangenhatte zu schreiben. Hab diesen dann geändert. Erst dacht ich es muss die richtige Mutter sein, weil der letzte satz nicht die mehrzahl meint. Doch dann ist mir ertens der Temporäre faktor aufgefallen und dann auch das wenn die Mutter so alkoholabhängig ist er wohl später kaum zu ihr zurückgezogen wäre. Klar könnte das auch sein, aber das wäre mir alles zu weit hergeholt und n knick in der Synaptischen leitung.
naja es gibt aus Internet foren ein paar Gedichte oder auch prosatexte an die ich erst gestern noch gedacht habe. Im vergleich zudem was ich alles gelesenhabe sind das zwar nicht viele aber bestimmt zwischen 10 und 20 stück. |
08.09.2011, 16:40 | #6 |
Forumsleitung
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Macht nix, ich habe auch schon Schnellschüsse gelandet.
Mein Text ist bewußt knapp gefaßt, um Interpretationen breiten Raum zu geben. |
08.09.2011, 19:48 | #7 |
abgemeldet
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Die Ambivalenz im letzten Satz fiel mir anfangs gar nicht auf, da verstand ich, daß die leibliche Mutter erschlagen wurde. Es stimmt aber, man kann es auch anders lesen.
Heftig, dicht und gut. Ein weiterer Kompetenzbeweis aus Ilkas Kurzgeschichtenproduktion. |
08.09.2011, 22:39 | #8 |
abgemeldet
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Wieder etwas, das an mir vorbeigegangen ist. Das gefällt mir ziemlich gut, vor allem die wörtliche Rede, die liest man hier in Kurzgeschichten meiner Meinung nach viel zu selten. Und es ist nicht immer leicht, sie so zu schreiben, dass sie nicht künstlich wirkt (finde ich). Das Ende ist sehr gelungen.
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