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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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23.04.2006, 21:50 | #1 |
gesperrt
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bergen-belsen
Bergen-Belsen
Der sandige Boden schlingt sich schweigend um die Gebeine calluna vulgaris hält ihn ruhig, hat ihn neu eingekleidet Der Vogel singt längst ein völlig andres Lied Schnucken verbeissen sanft Baumzeugenkinder Die Sonne scheint Der Schäfer weiss es zwar kann es aber nicht mal ahnen Und nur wenn die Sonne die früher nur gebrannt nie geschienen sich zurückzieht es regnet und es niemand sehen kann: Dann weinen sie heimlich die Steine und Wege |
23.04.2006, 22:38 | #2 |
Gast
Beiträge: n/a
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Ausgezeichnet
wie Du ein schwieriges Thema zeitgerecht umsetzt, es sollte mehr solche Gedichte hier geben...
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24.04.2006, 17:50 | #3 |
gesperrt
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vielen dank
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16.08.2006, 00:55 | #4 |
Es ist sanft und arm an pathetischem Tand. Nicht als Politikum zu betrachten. Ich mag den direkten Title und die dazugehörigen fast romantisch wirkenden Zeilen. So widersprüchlich wird es wohl gewesen sein. Kopliment.
Ich möchte dir hier noch ein altes Gedicht von mir mit gleicher Thematik anhängen. Nur als Vergleich. Vielleicht erreichen sie sich. -Aus der weißen Kälte erheben sich die wiederhallenden Stimmen Aus den in Stein gehauenen Worten tropft kein Blut mehr Wir müssen nicht frieren, doch erzittern wir vor dem Läuten Aus dem Dickicht des Nebels Ein schwerer, ein bedrückender Ton Vieleicht wie die Ketten, die sie trugen Wohlmöglich wie der Schmerz den sie zogen Wie ein schlag auf die Wirbelsäule, um zwangsweise nieder zu knien In des Glockenturmes Mauern sah ich einen Engel, er schrie: Es sausen die Geister durch die klirrende Luft Hier kämpfen wir unsere letzte Schlacht Wenn jene Mauern fallen, Dann fallen wir Denkt an Buchenwald- Oskar Ste |
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16.08.2006, 22:29 | #5 |
gesperrt
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besten dank.
in welchem sinne erreichen? |
16.08.2006, 23:25 | #6 |
Als ich den Titel gelesen habe, habe ich zuerst gedacht: "Da hat jemand aber Mut, sich an so eine Thematik heranzuwagen..." und habe erwartet, dass man dabei nur kläglich versagen kann. Aber jetzt, nach inzwischen dreimaligem Lesen, bin ich immer begeisterter von dem, was du geschrieben hast!
Ich mag die letzten beiden Strophen: In der vorletzten gefällt mir die Unterscheidung zwischen der Sonne, die brennt oder aber scheint. Die letzte Strophe als Pointe ist sowieso genial, weil ich Personifikationen liebe... Du siehst also: Ich bin begeistert! Und freue mich, dass ich so positiv überrascht worden bin! Habe ich gerne gelesen! |
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17.08.2006, 17:13 | #7 |
gesperrt
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ich glaube man geht auch mit einem etwas komischen gefühl an ein gedicht über ein kz, wenn es von mir geschrieben ist. aber es freut mich, dass auch bei dir positive überraschung aufgetreten ist. sehr sogar. zweifel zu zerstreuen ist schwer und ich bin stolz es hier offensichtlich geschafft zu haben. vielen dank
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25.05.2013, 22:52 | #8 |
R.I.P.
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Innere Bewegung
Ich grabe selten in sehr alten Gruben, v.a. wenn sie geschlossen sind, aber hier kann ich es mir nicht versagen:
Das Gedicht ist gerade wegen seiner kühl erscheinenden sachlichen Distanz aufwühlend, bewegend, unter die Haut gehend. Die beiden letzten Verse (und nicht nur sie) jagen mir Schauer über den Rücken. Leider wird der gesperrte Dichter dies nicht lesen könne, aber ich persönlich finde, daß ein so tiefes Gedicht nicht in Vergessenheit geraten sollte. Thing |
28.05.2013, 12:29 | #9 |
abgemeldet
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Bergen-Belsen
Dein Gedicht spricht mich an, Rattentod. Es zeichnet sich aus durch die Schlichtheit der Sprache, nirgends stolpert man über Bombast, mit dem so mancher Autor glaubt sich schmücken zu müssen, du beschreibst auf einfache Weise einen einfachen Vorgang: Dein Ich gerät (zufällig) in die Nähe des KZs Bergen-Belsen. Hier hat die Natur ihr Recht wieder zurückgeholt, kaum erinnert hier noch etwas an das Todeslager, alles ist überwuchert von der Natur - eine Metapher für das Überwuchern des Menschengedächtnisses. Ja, so sieht die Gegenwart, die sich nicht mit den schrecklichen geschichtlichen Vorgängen beschäftigen will, in der Tat aus. Eine Herde Schafe weidet sogar in der Nähe. Ich lese auch das als Metapher für das systematische Verdrängen, das Todeslager als Ort verdrängter Geschichte. Bergen-Belsen ist durch das Tagebuch der Anne Frank ein wenig bekannter als viele andere KZs geworden, dort ist sie gestorben. Ob du das hättest hineinnehmen sollen, da bin ich mir nicht sicher.
Ich sehe aber ein Problem: Wäre nicht der Titel, so wüsste man nicht, wo sich dein Ich eigentlich befindet, nur dass es sich um einen Ort handeln muss, der einem Grauen einjagt. Lediglich die letzten beiden Zeilen sind eindeutig. Vielleicht fehlen dir da ein, zwei Zeilen, die auf das Lager hinweisen. Vielleicht stört mich auch ein bisschen das Elegische, das über dem Ganzen liegt. Bergen-Belsen ist keine Elegie. Alles in allem bin ich sehr angetan von diesem Text. Ja, so kann man über das vergessene Bergen-Belsen schreiben. Gruß, Nitribitto |