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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
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20.01.2021, 11:10 | #1 |
Vergebung
Vergebung ist Glaube und Hoffnung
im sterbenden Schatten der Zeit, auf Heilung, ein linderndes Wort und ein Blick, der Verständnis beschreibt. Vergebung ist ständige Übung in Liebe, die heilen vermag, Gefühle mitschwingender Rührung, Vertrauen am dunkelsten Tag. Was nützen Gefühle und Buße, zerreißt du dein edelstes Hemd; auf Halbmast gehisst nur zum Gruße bleibt deine Vergebung dir fremd. |
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20.01.2021, 11:50 | #2 |
Forumsleitung
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Guten Morgen, Mohrel,
das Gedicht gefällt mir gut, obwohl das Reimschema der dritten Strophe mit dem der ersten und zweiten Strophe bricht. In 1 und 2 reimen sich jeweils der zweite und vierte Vers, wärend Strophe 3 durchgereimt ist. Rhythmisch liest es sich jedenfalls gut, und vom Inhalt her spürt man, dass du dir Gedanken gemacht hast. Ein leichtes Störgefühl habe ich lediglich deshalb, weil sich die Begriffe "Vergebung" und "Verzeihung" zu vermischen scheinen. Sie haben nämlich unterschiedliche Bedeutungen. Deshalb meine ich, dass die erste Strophe eher die Verzeihung beschreibt. Sie ist an keine Bedingungen geknüpft, so dass Heilung und Neubeginn möglich sind. Der Verzeihende braucht nicht einmal Verständnis für eine Tat aufzubringen ("verzeihen" ist verwandt mit "verzichten"). Vergebung indessen heilt nicht, und sie verzeiht niemals eine Tat. Sie stellt auch kein Vertrauen her, sondern kommt als Geschenk an den Täter (in Vergebung steckt das Wort "Gabe"), vor allem dann, wenn dieser aufrichtige Reue zeigt. Sie ist ein langer Prozess, der mit viel Aufwand verbunden ist. Insofern ist die zweite Strophe für mich zwar stimmig, wenn darin von "Übung" die Rede ist, aber eine Heilung wird wohl niemals stattfinden. Am stimmigsten ist für mich die letzte Strophe, zudem ist der "Halbmast" eine gelungene Metapher für die harte Arbeit, die im Prozess der Vergebung steckt. So ist es auch plausibel, dass dem Vergebenden das Vergeben selbst erst fremd bleibt und er um den Zugang zu ihr lange ringen muss. Allein daran sieht man, dass du dir tiefsinnige Gedanken über das Thema gemacht hast. Besten Gruß Ilka |
20.01.2021, 15:18 | #3 |
Hallo liebe Ilka,
vielen Dank für deine Antwort und dafür, dass du dich mit meinen Zeilen befasst hast! 😊 Was das Reimschema angeht muss ich ehrlicherweise gestehen, dass ich eben erst nachgelesen habe, was das überhaupt ist. Und dann liest sich das auch noch so kompliziert! 🙈 Um das Reimschema beizubehalten, wie genau müsste da die letzte Strophe aussehen? Die Begriffe Vergebung und Verzeihung haben auch für mich unterschiedliche Bedeutungen. Anhand eines Beispiels ausgedrückt, folgende: Angenommen eine nahestehende Person (Eltern, Partner, Geschwister, whoever) verletzt mich immer wieder, bewusst oder unbewusst, durch Worte, Handlungen, wasauchimmer. Dieser Person verzeihe ich, aber im Gegensatz zu einer anderen Person, die mir nicht wichtig ist, reicht das alleine nicht aus, weil die Verletzung zu tief geht. Neubeginn und Heilung sind (noch) nicht möglich. Ein mir nicht nahestender Mensch kann mich durch z.B. Worte zwar verärgern aber nicht treffen. Verzeihung ist leicht, fast oberflächlich. Verständnis braucht es dafür nicht, zumindest nicht im Sinne einer tiefen Erkenntnis, und einer Heilung bedarf es ebensowenig, weil keine Verletzung stattgefunden hat. Wenn jemand Reue zeigt, dann kann ich ihm natürlich noch leichter verzeihen, das heißt aber nicht, dass ich ihm auch vergebe, denn nur durch seine Reue allein wird ja meine Verletzung nicht heil. Zur Heilung muss ich selbst meinen Teil beitragen, und sei es auch nur die Bereitschaft dazu. Eine Vergebung allerdings schließt alles mit ein. Den Glauben an mich selbst und meinen Mut, mich der Verletzung zu stellen, die Hoffnung auf Heilung, ein Blick hinter die Kulissen oder aus der Perspektive des "Täters", Vertrauen, Selbstvertrauen, und die Liebe, die die Eigenliebe miteinschließt. So heile ich mich vor allem selbst dadurch, dass ich dem anderen vergebe und bleibe nicht als "doppeltes" Opfer auch noch von dessen Reue abhängig. |
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20.01.2021, 15:27 | #4 |
Forumsleitung
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Deine persönliche Auslegung - das ist legitim.
Ein Psychologe bzw. Psychotherapeut oder auch ein Sprachwissenschaftler würde sich aber an die unmissverständliche Wortbedeutung der beiden Begriffe halten. Für ihn liegt der Verzeihung durchaus eine tiefe Schuld zugrunde, von Oberflächlichkeit kann gar nicht die Rede sein. Der Unterschied besteht nicht in der Qualität der Beziehung (sehr wichtig oder weniger wichtig), sondern in der Bereitschaft des Verletzten, entweder altruistisch und ohne Abrechnung zu verzeihen oder aber dem Täter zu vergeben, jedoch weiterhin seine Tat zu verurteilen. Vergebung schließt keine Absolution der Verletzungsursache mit ein. Der gleiche Unterschied findet sich bei den Begriffen "versöhnen" und "aussöhnen". Aber sei's drum, letztendlich ist verständlich, worauf dein Gedicht abzielt. |
20.01.2021, 21:59 | #5 |
Reimschema
Hallo zusammen,
ich denke, Mohrel übt sich in den Strophen 1 und 2 (jeweils Z1 und Z3) in assonanten Versausklängen, hm? - und das ist ihr auch sehr gut gelungen , finde ich: Übung -Rührung, Hoffnung - Wort und (das ist schon ziemlich gewagt ). Zeit und beschreibt ist, nebenbei gesagt, ja auch nicht ein ganz reiner Reim. Die Frage wäre nun, ob man im Interesse einer einheitlichen Reimarchitektur der Strophen in S3 Z1 und 3 die Assonanz ebenfalls aufrechterhält - dann müssten bei Buße und Gruße einige Konsonanten geändert werden Aber insgesamt merkt man hier wieder: Es kommt nicht (nur) darauf an, dass sich die Silben spiegeln, sondern dass sie auch inhaltlich zusammenklingen. Schönen Abend euch von Epilog |
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20.01.2021, 22:46 | #6 |
Lieber EPI,
"Hoffnung - Wort und" ja, da konnte ich nicht widerstehen! 😁 Es ist aber auch schwierig, immer den richtigen Reim zu finden. Ich bin noch unschlüssig, ob ich Buße - Gruße ändern mag, tendiere aber momentan dazu es so zu belassen, wie es ist. Mal sehen.. Ich danke dir für deine Antwort! 😊 Liebe Grüße |
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22.01.2021, 08:33 | #7 |
Hallo Mohrel,
ein sehr schönes Gedicht, und wie du schreibst, hast du es ja zunächst geschrieben, ohne sich Gedanken über das Reimschema zu machen. Trotzdem so gut gelungen! Das erinnert mich wieder an etwas, was Thing einmal schrieb, die so viele tolle Gedichte hier eingestellt hat: Sie würde sich ausschließlich auf ihr Gehör verlassen. Wenn ich die Sache richtig interpretiere, hast du es auch so gemacht finde ich super. LG DieSilbermöwe |
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22.01.2021, 20:13 | #8 |
Danke liebe Silbermöwe,
ich freu mich sehr! 😊 Vom Reimschema hatte ich noch nie zuvor gehört, Asche auf mein Haupt 🙈 Tatsächlich schreibe ich nur nach Gefühl, überprüfe aber mittlerweile das Vermaß, weil mir das sonst dauernd durcheinander rutscht (und ich mich dann grün und blau ärgere).. Schön, wenn dennoch etwas Brauchbares dabei rauskommt 😁 Liebe Grüße |
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23.01.2021, 15:07 | #9 | |
abgemeldet
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Zitat:
Ich kann mich diesem Kommentar nur anschließen mich stört das ungereimten an diesem Text in keiner Weise. Ich beurteile Texte im Grunde genommen eigentlich nur nach ihren Aussagen. Nur wenn sie krampfhaft gezwungen gereimt oder aus Ermangelung der Fähigkeit einen Reim zu schreiben, getextet wurden dann stört mich das. Liebe Grüße ralfchen |
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23.01.2021, 22:18 | #10 | |
Zitat:
Ich danke dir für deine Antwort und freue mich! 😊 Liebe Grüße |
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