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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 30.07.2022, 10:17   #1
männlich MonoTon
 
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Standard Der Frost

Ich saß vor meinem Fenster, draußen wuchs
am Glas empor ganz unverfroren Eis
wie Ranken spross es durch die klare Flur
und teilte sich in kristallines Weiß

es zog sich durch die Augen, wunderschön
im Blick lag das Geflecht und mir wars heiß
die Stirn schlug heftig an die Glace de Fleur
zerbrach, auf schlag und unter kaltem Schweiß

ran mir die Zeit vorweg in purem Rot
das Eis nahm's eifrig auf in seinem Kreis
so ist er wohl der Lauf vom schnellen Tod
mein Atem schwelt im Blütenfrost, wird leis.
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Alt 15.08.2022, 15:28   #2
männlich goedichte
 
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Ich saß vor meinem Fenster, draußen wuchs
am Glas empor ganz unverfroren Eis
wie Ranken spross es durch die klare Flur
und teilte sich in kristallines Weiß

es zog sich durch die Augen, wunderschön
im Blick lag das Geflecht und mir wars heiß
die Stirn schlug heftig an die Glace de Fleur
zerbrach, auf schlag und unter kaltem Schweiß

ran mir die Zeit vorweg in purem Rot
das Eis nahm's eifrig auf in seinem Kreis
so ist er wohl der Lauf vom schnellen Tod
mein Atem schwelt im Blütenfrost, wird leis.
Eine gelungene Momentaufnahme wie ich finde, man fühlt sich schlagartig in einen nachdenklichen Wintertag versetzt.
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Alt 15.08.2022, 15:48   #3
weiblich Ilka-Maria
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Trotz des gelungenen Auftakts der ersten Strophe bin ich nicht restlos für das Gedicht zu begeistern. Zunächst nimmt das paradox klingende Wortspiel "ganz unverfroren Eis" den Leser gefangen. Mich hat es dazu veranlasst, zu forschen, was das Wort "unverfroren" eigentlich bedeutet, und habe herausgefunden, dass es zwar etwas mit frieren zu tun haben könnte, sich etymologisch aber wahrscheinlich vom mnd. "vorveren" = erschrecken, einschüchtern herleitet und dieses wiederum von "vare" = Gefahr. Man lernt nie aus.

Aber ab Strophe 2 wird es mir offen gesagt der schrägen Metaphern und Wortspiele zu viel.

"... es zog sich durch die Augen ..." klingt unfreiwillig komisch, und bei dem "Geflecht im Blick" denkt man an die "mouches volant", die ab der Mitte des Lebens bei vielen Menschen auftreten und tatsächlich mit der Bildung von Hornfäden auf dem Auge zu tun haben. "Glace de Fleur" ist ein kleiner Rettungsanker, ein gelungenes Bild, das aber vom nächsten Vers kaputtgemacht wird: Was soll "auf schlag" bedeuten? Und der kalte Schweiß ist bei Hitze, die nicht durch Aufregung, sondern durch den Anblick von etwas Schönem entsteht (Wärme hätte es auch getan), für mich nicht glaubwürdig.

Der 1. Vers der letzten Strophe beginnt bedauerlicherweise mit einem Schreibfehler - schade. Beim vorletzten Vers meine ich, dass der Genitiv stehen müsste ("so ist er wohl der Lauf des schnellen Tods"), und wenn dann auch noch der Atem im Frost "schwelt", ist es des Guten endgültig zu viel.

Mit etwas dezenteren, besser dosierten Bildern hätte dieses Gedicht - gerade wegen der unerwarteten Dramatik, auf das es hinsteuert - etwas Tolles werden können.

LG
Ilka
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Alt 15.08.2022, 16:06   #4
männlich goedichte
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Trotz des gelungenen Auftakts der ersten Strophe bin ich nicht restlos für das Gedicht zu begeistern. Zunächst nimmt das paradox klingende Wortspiel "ganz unverfroren Eis" den Leser gefangen. Mich hat es dazu veranlasst, zu forschen, was das Wort "unverfroren" eigentlich bedeutet, und habe herausgefunden, dass es zwar etwas mit frieren zu tun haben könnte, sich etymologisch aber wahrscheinlich vom mnd. "vorveren" = erschrecken, einschüchtern herleitet und dieses wiederum von "vare" = Gefahr. Man lernt nie aus.

Aber ab Strophe 2 wird es mir offen gesagt der schrägen Metaphern und Wortspiele zu viel.

"... es zog sich durch die Augen ..." klingt unfreiwillig komisch, und bei dem "Geflecht im Blick" denkt man an die "mouches volant", die ab der Mitte des Lebens bei vielen Menschen auftreten und tatsächlich mit der Bildung von Hornfäden auf dem Auge zu tun haben. "Glace de Fleur" ist ein kleiner Rettungsanker, ein gelungenes Bild, das aber vom nächsten Vers kaputtgemacht wird: Was soll "auf schlag" bedeuten? Und der kalte Schweiß ist bei Hitze, die nicht durch Aufregung, sondern durch den Anblick von etwas Schönem entsteht (Wärme hätte es auch getan), für mich nicht glaubwürdig.

Der 1. Vers der letzten Strophe beginnt bedauerlicherweise mit einem Schreibfehler - schade. Beim vorletzten Vers meine ich, dass der Genitiv stehen müsste ("so ist er wohl der Lauf des schnellen Tods"), und wenn dann auch noch der Atem im Frost "schwelt", ist es des Guten endgültig zu viel.

Mit etwas dezenteren, besser dosierten Bildern hätte dieses Gedicht - gerade wegen der unerwarteten Dramatik, auf das es hinsteuert - etwas Tolles werden können.

LG
Ilka
Du bist jedenfalls schwer zu beeindrucken xD
goedichte ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.08.2022, 17:25   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von goedichte Beitrag anzeigen
Du bist jedenfalls schwer zu beeindrucken xD
Stimmt. Dafür liebe ich die deutsche Sprache und die Lyrik zu sehr. Aber zuweilen irre ich mich auch oder bin zu streng. Dann kann ich auch Widerspruch gut ertragen.
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Alt 15.08.2022, 17:47   #6
männlich Ex-petrucci
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Stimmt. Dafür liebe ich die deutsche Sprache und die Lyrik zu sehr. Aber zuweilen irre ich mich auch oder bin zu streng. Dann kann ich auch Widerspruch gut ertragen.
Das Problem vieler "Hobby-Lyriker" ist auch, dass sie die lyrische Qualität der Sprache des Werkes nicht aufrechterhalten können. Daran erkennt man in der Regel Geübtheit, Gewohnheit im Umgang mit gehobener Sprache, aber auch Neigung respektive Talent.

"Lyrik ist für die Traurigen und für die Glücklichen gibt es Lieder" kommt nicht von ungefähr. Ein vernünftiger "Ton" in einem Gedicht, hebt die Literarizität um viele Stockwerke.

Bei dem Werk von Monoton lässt sich dies noch relativ gut verdauen, wenn man ein Auge wohlwollend zudrückt, bei anderen Werken hier im Forum wiegt der Kontrast schwerer und gravierender.

Hier eine Stelle aus dem Gedicht:

es zog sich durch die Augen, wunderschön
im Blick lag das Geflecht und mir wars heiß

Ist kein schöner Ausdruck, wie ich finde.

Die Kritik von Ilka mit "unverfroren" ist sehr berechtigt.

Ansonsten gäbe es nur kleinere Dinge anzumerken, wie:

ran mir die Zeit vorweg in purem Rot

Zeit rennt in Rot weg? (Lyrischer Wert + Zeilenstil?)
Gibt es Rot, das nicht pur ist?

Ich stelle diese Fragen nicht, um zu sticheln. Ich finde es sehr wichtig. Jeder Autor sollte sich solchen Dingen stellen. Das ist beispielsweise die Kunst von versierten Expressionisten: Sie können jeden Reihen- und Zeilenstil ihrer Werke selbstreflektiert erläutern.
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Alt 15.08.2022, 18:02   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von petrucci Beitrag anzeigen
Das ist beispielsweise die Kunst von versierten Expressionisten: Sie können jeden Reihen- und Zeilenstil ihrer Werke selbstreflektiert erläutern.
Will das jemand? Wer will denn ein Gedicht erklärt bekommen?

Und wer ist ein "versierter Expressionist"? Breton vielleicht? Der die Kunst des freien, unreflektierten Schreibens propagierte?

Mir geht es um MonoTons Gedicht. Und eins ist klar: Er versuchte, mit der Sprache zu spielen und Metaphern aneinanderzureihen, die paradox sind. Kann man versuchen. Muss nicht unbedingt gelingen, aber es ist ein interessantes Experiment. Es hätte ja auch gelingen können, denn das Bild von dem vereisten Fensterglas, an dem sich eine Stirn bricht (weshalb?), die das Blut ihrer Wunde mit dem Weiß der Kristalle mischt und schließlich den Tod erfährt (oder zumindest erahnt), hat durchaus etwas Magisches. Aber statt auf diese Magie abzustellen, hat sich MonoTon in den einmal eingeschlagenen Weg der Pradoxien verbissen, anstatt sich davon zu lösen und eine andere Metaphern-Ebene anzusteuern.

So empfinde ich es jedenfalls. Darin muss mir niemand folgen. Wem das Gedicht gefällt, kann offensichtlich damit mehr anfangen als ich.

Der Versuch ist nicht schlecht, auch halte ich das Gedicht nicht für schlecht. Ich frage mich nur, ob es am Ende das geworden ist, was sich MonoTon vorgestellt hat.
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Alt 15.08.2022, 18:43   #8
männlich Ex-petrucci
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Will das jemand? Wer will denn ein Gedicht erklärt bekommen?
Es geht weniger um eine Erklärung, bevorzugt darum, dass man weiß wie man Sprache anwendet und warum. Ich schätze, vielleicht sind wir uns sogar einig.

Sachen wie folgendes Beispiel funktionieren in der Regel nicht gut, viel mehr entlarven sie den Laien, der mit Sprache so gut umgehen kann, wie ein Bär mit Partituren in der Mathematik:

Gab Mut zum Stift aus dem erspürten Bilde,
wie zaghaft tastete ich mich heran.
Ich scheute, was die Landschaft im Gefilde
an sanfter Wirklichkeit so bunt gewann.

Die süße Morgenstimmung und im Dämmern,
wenn schiere Wehmut aus den Zeilen steigt -
das fand ich blöde, wollt den kram zerhämmern -
hab grad den bogg nicht, der mir grad entsteigt.


Diese Stilverunglimpfungen, die ich extrem fürchterlich finde, kannst du dutzendfach in der Lyrik von Anfängern finden. (Das Original der zwei Strophen (Wolfgang Altendorf) besitzt diese Abscheulichkeiten nicht)

Ansonsten stimme ich Dir zu.
In der Lyrik war/ist für mich Lerner einer der fähigen Expressionisten oder Herbert Hindringer.

Lg und eine schöne Woche
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Alt 15.08.2022, 19:20   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von petrucci Beitrag anzeigen
E
Ansonsten stimme ich Dir zu.
Muss nicht sein. Wie gesagt, finde ich das Gedicht nicht schlecht. Was aber kein Kriterum sein kann, denn es ist nicht an mir, das letzte Wort darüber zu sprechen. Ich hatte nur ein paar Störpunkte.

Lassen wir doch einfach MonoTon Stellung nehmen ... so er will.

Es liegt mir fern, ein Kreuzverhör zu eröffenen. Denn dafür ragt das Gedicht zu stark aus der Masse heraus.
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Alt 15.08.2022, 19:28   #10
männlich Ex-petrucci
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Muss nicht sein. Wie gesagt, finde ich das Gedicht nicht schlecht. Was aber kein Kriterum sein kann, denn es ist nicht an mir, das letzte Wort darüber zu sprechen. Ich hatte nur ein paar Störpunkte.

Lassen wir doch einfach MonoTon Stellung nehmen ... so er will.

Es liegt mir fern, ein Kreuzverhör zu eröffenen. Denn dafür ragt das Gedicht zu stark aus der Masse heraus.
Ich schrieb nicht, dass das Gedicht schlecht ist!
:-) Schlechte Gedichte sehen anders aus.

lg
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Alt 15.08.2022, 22:12   #11
Ex-Pennywise
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Zitat:
Zitat von goedichte Beitrag anzeigen
Eine gelungene Momentaufnahme wie ich finde, man fühlt sich schlagartig in einen nachdenklichen Wintertag versetzt.
Na ja, ich würde sagen, hier wird wahrlich kein klassischer Wintertag mit einem harmonischen Ausgang beschrieben.

@ MonoTon

Ich finde das sehr stark. Trifft natürlich auch genau meinen Geschmack und gerne verwendeten Themenstil. Eine klassische Szenerie, die auf einmal in einer Wendung ein völlig neues Bild ergibt. Und das in der Kürze eines Gedichtes. Ich finde das klasse. Sprachlich ist das auch gut umgesetzt.
Ich lasse denke ich sogar einen Favoriten da.

Gruß

Pennywise
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Alt 16.08.2022, 03:17   #12
männlich MonoTon
 
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Zuerstmal "Was ist hier denn Los?"
Da ist man mal um 13 Uhr aus dem Haus gegangen und plötzlich ist man relevant.

Hallo goedichte, Ilka-Maria, petrucci und Pennywise

Gleich zu beginn möchte ich anmerken, dass ich eigene Gedichte ungerne vorgebe wie sie zu interpretieren sind. Vielleicht hilft beim Textverständnis der Zusatz, des Erfrierungstodes als dekodierer?
Ich versuche mal der Reihe nach auf euch einzugehen.

----------------------

Hallo goedichte

Zitat:
Eine gelungene Momentaufnahme wie ich finde, man fühlt sich schlagartig in einen nachdenklichen Wintertag versetzt.
Vielen Dank für diese Einschätzung, auch wenn der Wintertag eher sehr hektisch war.


---------------------

Hallo Ilka-Maria

Zitat:
Zunächst nimmt das paradox klingende Wortspiel "ganz unverfroren Eis" den Leser gefangen. Mich hat es dazu veranlasst, zu forschen, was das Wort "unverfroren" eigentlich bedeutet, und habe herausgefunden, dass es zwar etwas mit frieren zu tun haben könnte, sich etymologisch aber wahrscheinlich vom mnd. "vorveren" = erschrecken, einschüchtern herleitet und dieses wiederum von "vare" = Gefahr. Man lernt nie aus.
Zitat:
Aber ab Strophe 2 wird es mir offen gesagt der schrägen Metaphern und Wortspiele zu viel.
Ich liebe Paradoxe, Oximorone, Pleonasmen, Assonanzen und Neologismen. Ich übertreibe sie nur zu gerne, was dem Gedicht anscheinend nicht gut tut. Ein verdichten bis hin zum verkrypten ist tatsächlich nicht konkret etwas gutes.
Ein erfrieren wie im Kontext beschrieben dauert seine Zeit und so schön mir selbst das ganze "Wortgeklingel" erscheint und gefällt, erschwert es das hinein kommen.
Kurz und knapp
Strophe 1,2 und 3 sprechen von sogenanntem "Blitzeis"
Verkehrsunfall /blitzfrost (Außerhalb)
aufprall und bersten der Frontscheibe/ frieren und kälte als Hitze empfinden
blutiges veratmen/ erfrierungstot und ausbluten (Zeit die in Rot gemessen wird, Lebenszeit/Blutverlust)

Die verwendeten Metaphern (Wortspiele) die ich genutzt habe, lassen sich auch als Tropen verallgemeinern, da sie einen nahen sinnverwandten Bezug zum Kontext haben. Sie besitzen auch den Aspekt der Mehrdeutbarkeit auf Meta-Ebenen.

Zitat:
Mit etwas dezenteren, besser dosierten Bildern hätte dieses Gedicht - gerade wegen der unerwarteten Dramatik, auf das es hinsteuert - etwas Tolles werden können.
Ist es wirklich mein Vermitteln oder befasst man sich eventuell zu oberflächlich mit Texten und metaphorischen Kontexten im Allgemeinen?
Haben hier Menschen wirklich die Gabe etwas anzusehen und in sekundenbruchteilen sofort zu definieren? Ja, der ersteindruck zählt beim interpretieren sehr viel, ich weiß, aber oft kann ein Interpretationshergang am Text ganz neue Wege aufzeigen.
Ich denke mir eigentlich schon etwas bei meinen Texten, wenn man dem nicht folgen kann habe ich das Gefühl ich wäre nicht ganz richtig im Kopf. An diesem Text saß ich 4 Wochen und bis auf bisher dargestellte "Vorlieben" im Dichten, habe ich keinen wirklichen kritikpunkt ausmachen können.
Falls doch bin ich der Erste, der Einsicht zeigt und Texte sogar überarbeitet weil anderen der Inhalt nicht passt.
Ich denke nicht, dass ich mich Handwerklich verstecken muss, aber klar stehe ich im Ausdruck auf einer anderen Buchseite als jemand der Seminare oder Unigänge besucht hat. Ich habe mir als Autodidakt vieles eigenständig beigebracht, aber mittlerweile sehe ich mich nicht mehr nur als Autodidakt, dafür ist mein Wissensschatz mittlerweile zu gefestigt und zu definiert. Mir fällt aber auf, dass ich oft dass selbe sage wie andere, es bei anderen aber eher auf toleranz trifft. Oft sage ich das selbe und man denkt ich rede gegenan und ich kann es mir nicht erklären.

Zitat:
Der 1. Vers der letzten Strophe beginnt bedauerlicherweise mit einem Schreibfehler - schade. Beim vorletzten Vers meine ich, dass der Genitiv stehen müsste ("so ist er wohl der Lauf des schnellen Tods")
Das ist etwas dem ich zustimmen kann, ich weiß aber tatsächlich nicht welchen Schreibfehler du meinst. Etwa das "ran" in Kleinschrift als Strophenanfang?
Nun...es ist ein weiterführender Strophenübergreifender Satz, warum sollte ich dort Groß schreiben? Falls es das ist was als "Fehler" bezeichnet wird? Oder wird "ran" anders geschrieben? Ich kämpfte mit mir selbst ob ich "rann" schreiben soll, da es ja von "rinnen" abgeleitet wird, aber das wirkte so deplaziert auf mich und ich fand tatsächlich nirgendwo Hilfe auf die richtige Schreibweise.

Der Genitiv würde den Kreuzreim um einen "s-laut" zu scharf machen. Zudem wären 3 s-laute an 3 Zeilenenden sehr unschön. Also entschied ich mich bewusst für den Dativ, da mir sonst zu viele Zischlaute aufträten.

Zitat:
und wenn dann auch noch der Atem im Frost "schwelt", ist es des Guten endgültig zu viel.
Ich fand es logisch, wenn es friert kann man seinen Atem als schwelenden Dampf sehen. Im sterben wird dieser Dampf "leiser" da er von Wehklagen begleitet wird, das Ebenfalls "leiser" wird.


Sorry für den langen Kommentar.

Zitat:
Ich frage mich nur, ob es am Ende das geworden ist, was sich MonoTon vorgestellt hat.
Durchaus, ich bin sehr zufrieden mit meinem Text, danke der Nachfrage.

--------------------------------

Hallo petrucci

Zitat:
Das Problem vieler "Hobby-Lyriker" ist auch, dass sie die lyrische Qualität der Sprache des Werkes nicht aufrechterhalten können. Daran erkennt man in der Regel Geübtheit, Gewohnheit im Umgang mit gehobener Sprache, aber auch Neigung respektive Talent.

"Lyrik ist für die Traurigen und für die Glücklichen gibt es Lieder" kommt nicht von ungefähr. Ein vernünftiger "Ton" in einem Gedicht, hebt die Literarizität um viele Stockwerke.

Bei dem Werk von Monoton lässt sich dies noch relativ gut verdauen, wenn man ein Auge wohlwollend zudrückt, bei anderen Werken hier im Forum wiegt der Kontrast schwerer und gravierender.
wow, meine imaginäre Respektometer-Anzeige ist gerade von "geduldet/toleriert" auf "noch dezent degeneriert/aber vorhanden" gestiegen.
Vielleicht schaff ich es bald auf "Mitredend/beaufsichtigt" ich bin guter Dinge.

Zudem denke ich nicht dass man mir Quantität eines "Hobby-Lyrikers" vorwerfen könnte, ich habe 25 Gedichte im Forum eingestellt und 200 Kommentare verfasst, die sich sehr oft um Metrik, Semantik, Ausdruck und konkreter Kritik bemühen. Das ist tatsächlich mehr als andere mit 5000 Kommentaren oft zustande bringen. Wovon die Hälfte eigene Gedichte sind und nochmal die Hälfte nur Kommentare unterm eigenen Gedicht als Antwort.

Zitat:
Hier eine Stelle aus dem Gedicht:

es zog sich durch die Augen, wunderschön
im Blick lag das Geflecht und mir wars heiß

Ist kein schöner Ausdruck, wie ich finde.
Dann vielleicht im Kontext?

Zitat:
wie Ranken spross es durch die klare Flur
und teilte sich in kristallines Weiß

es zog sich durch die Augen, wunderschön
im Blick lag das Geflecht und mir wars heiß
Ich verstehe nicht was so negativ am Ausdruck sein soll? Ich empfinde ihn als ästhetisch, lyrisch, poetisch.
Frost der sich durch Augen zieht, (da Augen überwiegend aus Wasser bestehen und trübe werden wenn sie erkalten), das schöne im Moment des Sterbens vor/im Auge/n haben. Das glasig/neblig werden des sterbenden/erblindenen Auges im Frost als erfrierendes Geflecht Warnehmen, da Augen die Fenster zur Seele darstellen. Nicht weiter blicken können als im rahmen seines eigenen Fensters, etwas ausgesetzt sein und zerschlagen. Das kalte als heiß Wahrnehmen, bzw einen Sprung machen und das Blut/Adrenalin aufkochen fühlen.


Zitat:
ran mir die Zeit vorweg in purem Rot

Zeit rennt in Rot weg? (Lyrischer Wert + Zeilenstil?)
Gibt es Rot, das nicht pur ist?
Zitat:
die Stirn schlug heftig an die Glace de Fleur
zerbrach, auf schlag und unter kaltem Schweiß

ran mir die Zeit vorweg in purem Rot
das Eis nahm's eifrig auf in seinem Kreis
Die Zeit wird hier als Blut dargestellt. Bitte im Kontext mit Bezug zur Vorstrophe assoziieren.
Wenn das Blut rinnt, verrinnt mit dem Blut auch die eigene Zeit, wie eine Sanduhr nur in purem Rot und Eis/Frost/Schnee nimmt es auf.
In deiner definition von Zeilenstil vergisst du die vorige Strophe in die Assoziation zu integrieren, die Semantik ist nicht nur Zeilenübergreifend, sondern Strophenübergreifend im Kontext.

Im gesamten Text gibt es nur 4 Kommata und 1 Punkt, ihre Position ist nicht zufällig gewählt, sie sollen den Text entschleunigen. Ohne kommata wäre das Tempo zu stark und ein Etappen-sterben nicht möglich.

Zitat:
Ich stelle diese Fragen nicht, um zu sticheln. Ich finde es sehr wichtig. Jeder Autor sollte sich solchen Dingen stellen. Das ist beispielsweise die Kunst von versierten Expressionisten: Sie können jeden Reihen- und Zeilenstil ihrer Werke selbstreflektiert erläutern.
Wieviel Selbstreflektion wird denn beim Erläutern erwartet, wenn man weiß das der Kritiker ohnehin nur mit einem Auge hinschaut und die Erwartung an versierte Expressionisten gerichtet ist? Wo Reihe ich mich da ein als etwas besserer Hobby-Lyriker?

---------------------------------

Hallo Pennywise

Zitat:
Na ja, ich würde sagen, hier wird wahrlich kein klassischer Wintertag mit einem harmonischen Ausgang beschrieben.
Ganz und gar nicht, das wurde richtig erkannt.

Zitat:
Ich finde das sehr stark. Trifft natürlich auch genau meinen Geschmack und gerne verwendeten Themenstil. Eine klassische Szenerie, die auf einmal in einer Wendung ein völlig neues Bild ergibt. Und das in der Kürze eines Gedichtes. Ich finde das klasse. Sprachlich ist das auch gut umgesetzt.
Ich lasse denke ich sogar einen Favoriten da.
Vielen Dank für den Favo, ich freue mich dass dir der Text zusagt.


Vielen dank an alle, ich hatte mit soviel Kommentar nicht gerechnet und hoffe ich bin allem einigermaßen gerecht geworden.
Ich habe mich extrem gefreut über die nähere Auseinandersetzung mit meinem Text und hoffe ich konnte etwas zur Entwirrung beitragen.
Lg Mono
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Alt 16.08.2022, 09:19   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Strophe 1,2 und 3 sprechen von sogenanntem "Blitzeis"
Verkehrsunfall /blitzfrost (Außerhalb)
aufprall und bersten der Frontscheibe/ frieren und kälte als Hitze empfinden
blutiges veratmen/ erfrierungstot und ausbluten (Zeit die in Rot gemessen wird, Lebenszeit/Blutverlust)
Aha. Dieses Bild wäre mir bei dem Gedicht nie in den Sinn gekommen. Wer bezeichnet die Frontscheibe eines Autos als "Fenster", "vor" dem man sitzt? Ich sitze im Auto "hinter" der "Windschutzscheibe". Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich auf einer Autoscheibe, während man fährt, eine Eisschicht bildet, denn das verhindern diverse technische Einrichtungen: Motorwärme, Innenraumwärme, Scheibenheizung, Warmgebläse.

Bei Blitzeis bilden sich auch keine Kristalle auf irgendwelchen Oberflächen, was eine gewisse Zeit in Anspruch nähme, sondern in nullkommanix wird die Straße glatt, so dass man aus der Kurve getragen wird und im Gemüse oder an einer Leitplanke landet.

Im übrigen ist es ratsam, sich anzuschnallen. Dann knallt man mit dem Kopf nicht an die Windschutzscheibe. Sollte heutzutage eigentlich Standard und bei Nichteinhaltung bußgeldbewehrt sein.

Zitat:
Ich denke mir eigentlich schon etwas bei meinen Texten, wenn man dem nicht folgen kann habe ich das Gefühl ich wäre nicht ganz richtig im Kopf. An diesem Text saß ich 4 Wochen und bis auf bisher dargestellte "Vorlieben" im Dichten, habe ich keinen wirklichen kritikpunkt ausmachen können.
So geht es uns - und da bin ich mir sicher, für jeden mitreden zu dürfen - allen beim Texteschmieden. Wie lange man an einem Text sitzt, ist indessen irrelevant und kein Indiz dafür, dass er gelingt. Die Fähigkeit zur Selbstkritik sollte man sich deshalb bewahren. Ist es nicht so, dass man ein festes Bild im Kopf hat und es auf Biegen und Brechen in Worte fassen will? Dass einem dabei der Blick dafür verloren geht, wie absurd dieses Bild sein könnte?

Trotzdem: Man klebt daran, fummelt es zurecht, bis es in den Rahmen passt. Und dann kommt jemand daher und sagt, der Rahmen sei schief, habe die falsche Farbe, außerdem habe man mit der falschen Palette gearbeitet und an den Licht- und Schatteneffekten müsse man noch arbeiten.

Nenne mir einen Dichter, Romancier, Filmemacher, Maler oder Bildhauer, dem es nicht so ergeht.
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Alt 23.08.2022, 06:11   #14
weiblich Donna
 
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Lass dir nicht zuviel aus der Nase ziehen, lieber Mono Ton.
Offene Fragen dürfen durch die offensichtlichen Fenster wehen, die in Wirklichkeit vielleicht Windschutzscheiben sind. Irgend etwas Schreckliches ist passiert und die ForenSiker und Logiker werden es schon aufklären und wegwischen. Der Schock darf in der Schockgefrierung des Auges sichtbar werden, die den unbedarften Leser erstarren lässt.
Auch wenn die unerbittliche Fraktion der Nachfrager Antworten auf inkonsistente Bilder und die Herleitung des Geschehens einfordert, so hoffe ich doch, dass trotz stammelnder Erklärungen genügend Ungereimtheiten verbleiben, die das mysteriöse Element dieses schönen Gedichtes nicht gänzlich zerschießt. So darf im puren Rot gerne noch ein wenig Purpur mitschwingen, wenn eine Blutlache zwischen Eisblumen gefriert.
mit Schauer gelesen. Donna

Geändert von Donna (23.08.2022 um 13:50 Uhr)
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