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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln. |
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29.11.2018, 23:28 | #1 |
Advent, Advent, ein Monat brennt!
Früher war die Winterzeit
voll Ruhe und Besinnlichkeit. Für Stunden konnt ich Plätzchen backen und die Geschenke schön verpacken, die, zum Schnäppchenpreis erstanden, sich Wochen schon im Haus befanden. Heute ist das nicht mehr so, denn ich bin mittlerweile froh schaff ich's die Gaben zu verstecken, bevor die Kinder sie entdecken! Das Haus wird früh schon dekoriert, denn täglich werd ich ungeniert von den Kindern laut sekkiert: bei andren wär's schon längst passiert! So schleppe ich die Weihnachtssachen vom Keller hoch, da hör ich's krachen. "Dass eine Christbaumkugel bricht, wenn man sie wirft, das wusst ich nicht! Tschuldigung, ich lass es bleiben - oh kuck, Lametta kann man reiben!! Und Mama, ich wollt noch erzählen, in der Schule durft ich wählen; wir feiern ja bald Nikolaus und ich suchte die Plätzchen raus! Doch backen müssen wir sie heute und Rücksicht nehmen auf die Leute, die an Allergien leiden und die Zutaten aufschreiben. Auf Nüsse sollen wir verzichten, die Plätzchen dann in Beutel schlichten aus feinem Cellophanpapier und dann in sauberer Manier auch mit der Haltbarkeit beschriften, damit sich keiner kann vergiften!" Das Dekorieren muss nun warten, muss ich jetzt mit den Plätzchen starten. Und so zieht in unser Heim das duftende Verderben ein! Mit Kindern backen ist ein Spaß; die Stirn erst feucht, dann triefend nass, durchfährt mich plötzlich dieser Ruck, vom Glühwein brauch ich jetzt nen Schluck! Indes geht's locker-flockig weiter, die Stimmung wird allmählich heiter; wen kümmert's da, fällt Mehl mal runter, denn unterm Tisch sitzt hechelnd, munter der Hund mit Glitzerstaub bedeckt, der den Boden sauber schleckt! Schon duftet's herrlich durch die Zimmer, nur find ich grad die Butter nimmer; den Puderzucker such ich auch, hab ich schon alles aufgebraucht? Hab Schokostreusel noch gefunden, doch jetzt sind auch die Kids verschwunden! Zu spät ist's schon, wo sind sie nur? Da sehe ich die Zuckerspur, die sich da zieht quer durch den Raum, die Treppen hoch, man glaubt es kaum; stellenweise schon verwischt, mit Mehl und Glitzerstaub gemischt! Die Butter klebt noch in den Haaren, das Kochen kann ich mir heut sparen; zum Abendbrot gibt's Cornflakes-flips und ich versink im Glühweinschwips. Am nächsten Tag, ich halt's nicht aus, bringt Junior einen Brief nach Haus. Der Lehrer schreibt, ändert Termine betreffend dienstags, Violine. Stattdessen gibt's den Lernkreis "Bibel", na, macht ja nichts, wir sind flexibel! Musik hält man nun mittwochs ab; da wird's zwar mit dem Schwimmkurs knapp, der zweimal wöchentlich besucht, seit einem Jahr schon ausgebucht, gerade erst begonnen hat. Zumindest schulisch läuft es glatt. Im Elternbrief steht noch geschrieben, man müsse Sprechzeiten verschieben. Geplant war anfangs donnerstags, doch auf Drängen des Beirats, wird man auf Montag sie verlegen, gilt es, das Fruchtprogramm zu pflegen; denn die Mütter müssten schneiden das Obst in mundgerechte Scheiben! Ach, was soll's! Es wird schon gehn, mein Chef wird's mit Verständnis sehn. Auch letzte Woche, als ich fragte nach einem freien Tag, da sagte er nicht viel; er schien zu wissen, die Schulfeier darf man nicht missen! Ja selbst zu den Telefonaten mit dem besorgten Kindergarten kommt ihm niemals ein Lächeln aus, musst ich deshalb oft früher raus. Denn auch die Kindergartentanten durchschauen nicht den Simulanten, der sich spontan alleine heilt, sobald er nur daheim verweilt! Stattdessen üben sich die Damen in Beschäftigungsmaßnahmen. Der Advent steht vor der Tür; man möchte feiern und dafür, so steht es groß am schwarzen Brett, wäre Hilfe sehr adrett. Es hingen in den nächsten Tagen Listen, um sich einzutragen, an den Gruppenwänden aus; man suche sich doch etwas raus! Am nächsten Tag, ganz in der Frühe, durchforsche ich mit aller Mühe besagte Pinnwand nach der Liste; als ob ich es nicht besser wüsste! Hausfrau würd ich jetzt gern sein, vormittags zu Haus, allein; dann könnte ich auch einmal warten, plaudernd, hier im Kindergarten, bis die Listen endlich hängen um mich als Erste hin zu drängen! Doch es kommt, wie's kommen muss, nach Stunden Arbeit bleibt zum Schluss nur eine Zeile frei kokett, die Plätzchen fehlen noch; wie nett! Wie schön ist die Vorweihnachtszeit; erwartungsvolle Heiterkeit! Der Kindergarten ist geschmückt, der Stuhlkreis schon zurecht gerückt. Die Kinder strahlen um die Wette, neben mir steht eine nette Mutter, die unangemessen im Stress das Backen hat vergessen. Außerdem hätt sie vertauscht den Kinderpunsch im Glühweinrausch. Ich teil mit ihr die Leckerein und sie reicht mir den heißen Wein: "So schön kann die Adventszeit sein!" - und schenkt mir noch ne Tasse ein. |
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14.12.2018, 21:29 | #2 |
Liebe Mohrel,
Vorweihnachtszeit ist, wie du zeigst- für die Hausfrau und Mutter heute ein Kampf gegen das Versagen, weil auf sie ständig neue Forderungen und Termine einstürmen und man unendliche Flexibilität erwartet. Am Ende aber finden hier zwei Überforderte zusammen. Kleine Gesten drücken gegenseitiges Verstehen aus. Gern gelesen LG gummibaum |
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15.12.2018, 00:23 | #3 |
Dabei seit: 10/2016
Ort: in einem sagenhaften Haus
Alter: 42
Beiträge: 5.271
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Liebe Mohrel,
wie froh ich doch bin, dass meine Tochter aus diesem Alter raus ist.
Die einzige Bitte, die sie dieses Jahr an mich hatte war, dass ich ihr doch bitte einen kleinen Stollen kaufe. Den wollte sie für die Klassenweihnachtsfeier haben. Wie erholsam, das macht man doch gerne. Also, alles ist mal zu Ende. Irgendwann wirds ruhiger um die Kinder. Trotzdem mich dein Gedicht an diesen damaligen Stress erinnerte, hab ich es doch gern gelesen und geschmunzelt. Ja, so ein Lühlein (Glühwein, ausgesprochen nach verheerendem Verzehr) ist schon was feines. Na denn, liebe Mohrel, Prösterschen! |
15.12.2018, 14:20 | #4 |
Lieber gummibaum,
Danke fürs Lesen und für deine Zeit! Es geht weniger um den Kampf gegen das Versagen (so schlimm ist es glücklicherweise noch nicht ), sondern vielmehr um die Hektik, die einem zusätzlich und gerade in der Vorweihnachtszeit nebst dem üblichen Alltagsstress auferlegt wird. Man gerät leider allzu schnell in einen Strudel aus Termindruck und eingebildetem Perfektionismus, der sich aber dann wieder auflöst, wenn man bei einem der vielen (erzwungenen) Terminen feststellt, dass es wesenlich gemütlicher und erfüllender ist, alles gelassener zu sehen und die Zeit zu genießen, anstatt ihr hinterher zu jagen. Eine gemütliche Adventszeit und liebe Grüße Mohrel |
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15.12.2018, 14:33 | #5 |
Liebe Unar,
vielen Dank für deine lieben Worte! Wie recht deine Tochter doch hat! Machmal macht man sich den Stress auch selbst Ich hab dieses Jahr die Plätzchen für die Kindergartenfeier auch gekauft, und mit den Kindern in aller Ruhe gebacken, als wir genügend Zeit dafür hatten.. Ohne Zeitdruck, dafür mit ganz viel Spaß Da fällt mir ein was ich letztens gelesen habe: Ein Glühwein. Swei Glühwein. Rei Lühwei. Hei Hühei. Flünei. Snlwln. Prösterchen!! |
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16.12.2018, 01:14 | #6 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.492
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Mal ein richtig echtes Gedicht. Echt im Sinne von wirklich, außerhalb der Meta Ebne. Das ist True.
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17.12.2018, 18:34 | #7 |
Danke
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Lesezeichen für Advent, Advent, ein Monat brennt! |
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