Eine Hand und Schweigen bei Poetry.de

AlteLyrikerin · 10.03.2022, 19:13

Wenn die Minuten
keine Verheißungen
mehr enthalten,

die Stunden
gähnend
ihre Zähne blecken,

die Tage ohne
ein Korsett aus Pflichten
hemmungslos sich blähen,

dann brauchst du
eine Hand,
die deine Lebendigkeit
wahrscheinlich werden lässt,

ein beschwichtigungsloses
Schweigen,
das deine Hilflosigkeit
nicht schuldig spricht.

10.03.2022, 20:05

Danke für den Spiegel.

Ich werde es mir jetzt gleich abschreiben
und
mitnehmen, wenn ich wieder auf Besuch gehe.

Am stärksten kann ich den MIttelteil

"die Stunden
gähnend
ihre Zähne blecken,

die Tage ohne
ein Korsett aus Pflichten
hemmungslos sich blähen"

verstehen.

Die meisten von uns Deutschen sind ja ab spätestens der Ausbildung oder dem Studium eng eingeschirrt. Viele spüren das erst, wenn sie ausgespannt werden aus dem Karren. Und fühlen sich dann so unnütz, so ungebraucht.

Eigentlich ein fürchterliches "System", in dem wir hier leben

Herzlich

4WS

AlteLyrikerin · 11.03.2022, 12:01

Herzlichen dank, 4WS, für Deine Rückmeldung. Es freut mich, dass der Text Dir Anregungen gibt für Deine eigenen Besuche bei Leidenden.
Ja, es ist ein "fürchterliches System", das den Menschen festlegen will auf seine ökonomische Nützlichkeit, auf Erfolg, Leistung und Funktionieren.
Was ist ein Leben noch "wert", dass in diesem Sinne keinerlei Funktion mehr zur Verfügung hat? Bei manchen Patienten erlebe ich, dass sie sich in der Tat entwertet fühlen und ihre Existenz als eine Leere, die sie mit nichts mehr füllen können.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

10.03.2022, 19:13	#1
AlteLyrikerin Dabei seit: 11/2018 Ort: Burglengenfeld Alter: 73 Beiträge: 1.706 Meine Gedichte Meine Favoriten	Eine Hand und Schweigen Wenn die Minuten keine Verheißungen mehr enthalten, die Stunden gähnend ihre Zähne blecken, die Tage ohne ein Korsett aus Pflichten hemmungslos sich blähen, dann brauchst du eine Hand, die deine Lebendigkeit wahrscheinlich werden lässt, ein beschwichtigungsloses Schweigen, das deine Hilflosigkeit nicht schuldig spricht.

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10.03.2022, 20:05	#2
Ex-Fourwaystreet Gast Beiträge: n/a	Danke für den Spiegel. Ich werde es mir jetzt gleich abschreiben und mitnehmen, wenn ich wieder auf Besuch gehe. Am stärksten kann ich den MIttelteil "die Stunden gähnend ihre Zähne blecken, die Tage ohne ein Korsett aus Pflichten hemmungslos sich blähen" verstehen. Die meisten von uns Deutschen sind ja ab spätestens der Ausbildung oder dem Studium eng eingeschirrt. Viele spüren das erst, wenn sie ausgespannt werden aus dem Karren. Und fühlen sich dann so unnütz, so ungebraucht. Eigentlich ein fürchterliches "System", in dem wir hier leben Herzlich 4WS

11.03.2022, 12:01	#3
AlteLyrikerin Dabei seit: 11/2018 Ort: Burglengenfeld Alter: 73 Beiträge: 1.706 Meine Gedichte Meine Favoriten	Herzlichen dank, 4WS, für Deine Rückmeldung. Es freut mich, dass der Text Dir Anregungen gibt für Deine eigenen Besuche bei Leidenden. Ja, es ist ein "fürchterliches System", das den Menschen festlegen will auf seine ökonomische Nützlichkeit, auf Erfolg, Leistung und Funktionieren. Was ist ein Leben noch "wert", dass in diesem Sinne keinerlei Funktion mehr zur Verfügung hat? Bei manchen Patienten erlebe ich, dass sie sich in der Tat entwertet fühlen und ihre Existenz als eine Leere, die sie mit nichts mehr füllen können. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.