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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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08.09.2008, 22:03 | #1 |
Moderne Zeiten
Durch die Straßen, durch Getümmel
Hetzte ich von Ort zu Ort Über mir der graue Himmel Neben mir kein gutes Wort. Menschenhast und Menschenwandern Steuern Ströme hin und her Renne mit mit all den Andern Werd' zum Fisch im Menschenmeer Marktgeschrei und Dissonanzen - Angst beherrscht die Szenerie Ums gold'ne Kalb wir alle tanzen Innehalten tun wir nie. Im eig'nen Film mit Tunnelblick Sieht jeder sich nur selbst allein Vom Brot zu jagen sich ein Stück Der Nachbar passt da nicht hinein. Viele schreien: Ich, ich ich Ich will mich amüsieren! Schließlich geht's allein um mich! Und wir Menschen frieren. Traben stumpf und zugedröhnt Blind und taub durchs große Leben Dem Schauen, Fühlen ganz entwöhnt Hart geworden, ohne Streben Seh'n wir nicht der Schöpfung Pracht Nicht, wie Alles webt und keimt, Fühlen nicht der Liebe Macht Hören nicht das Kind, das weint. |
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08.09.2008, 23:28 | #2 |
Hi schreibhexe.
Es gibt zwar ein paar kleinere Aspekte, die ich unter „modernere“ Zeiten einzuordnen vermag, insgesamt spricht mich das Gedicht allerdings nicht an. Gut zu lesen mag es sein, konsequent umgesetzt kann ich’s nennen, aber die Sicht und die Schlussfolgerungen kann ich meist nicht recht teilen. Das grob Verallgemeinernde, wenn auch als Sicht eines Einzelnen markiert in dessen Empfinden, spricht mich, wenn es eine große Ebene abdecken soll, aber ohnehin selten an (zumal, wenn ungebrochen und nicht gegengewichtet). Ich picke mal ein paar Aspekte raus, um zu zeigen, warum’s nicht zur Begeisterung hinreißt. 2.) Menschenhast und Menschenwandern Steuern Ströme hin und her Renne mit mit all den Andern Werd' zum Fisch im Menschenmeer ~ Okay, hier entdecke ich zumindest das Gedränge, das mancherorts herrscht, eine gefühlte Enge, die Austauschbarkeit eines jeden, nicht erst durch Ableben, sondern bereits zu Lebzeiten. Soweit aber nicht so spannend oder erhellend. 3.) Ums gold'ne Kalb wir alle tanzen Innehalten tun wir nie. 4.) Im eig'nen Film mit Tunnelblick Sieht jeder sich nur selbst allein ~ Hier habe ich etwas verkürzt, wenn ich auch die Ängste gern noch herinnen hätte. Aber das geht ja auch so. Es stößt mir schon sauer auf, dass das Gesamte sehr pauschalisierend rüberkommt, wie im „Innehalten tun wir nie“. Sicherlich, man kann nicht alle Lebensfacetten in einem Textlein unterbringen, aber viele Aspekte ins Schwarze herunter abzuhandeln, bietet eben auch nicht so sonderlich viel. Ängste, ob davor, dass das Mammut die Höhle verwüstet oder Schmock Keulenträger aus den Bergen das schönst zu besitzende Wildschwein-Prunkfell zum Höhelnfrauen-Aufreißen stiehlt ... ich weiß nicht, ob ich' werten oder stufen kann. Sicherlich gibt es Tendenzen bereits im Rahmen von Individualisierungsprozessen, nicht seit gestern, aber was mir fehlt, ist definitiv der Schwenk aus dem schwarz-weißen, den man hier wie so oft angeboten bekommt. Auf der kleineren Ebene gäb’s den zu begucken … Viele schreien: Ich, ich ich Ich will mich amüsieren! Schließlich geht's allein um mich! Und wir Menschen frieren. ~ Ja, es gilt auch für diese Strophe. Mag sein, dass bestimmte „Symptome“, Störungs- und Verhaltensweisen besonders in einer bestimmten Zeit des Erdenalters auftreten, aber dann wäre es wünschenswert, einige auch genauer aufzublättern & zu beleuchten. So, wie es bisher dort steht, kann ich mich nicht dahinter stellen. „Viele“, wie du schreibst, versuchen auch, anderen möglichen Werten bestmöglich gerecht zu werden im Rahmen des Heutes, in dem wir eben sitzen. Wenn ich an Gespräche unter Freundinnen zurückdenke, da war’n wir so 14, 15, ertönte immer wieder (von einzelnen), nein, Kinder will ich nie, nie Kinder, kann ich mir gar nicht für mein Leben vorstellen. Wo ich ihnen damals als Geschenke Bücher, Gläser etc. noch überreicht habe, räume ich heute vor dem Büchergucken auf Amazon erstmal 17 Kilo Fläschchenset, Marionetten aus buntem Holz mit Glöckchen, Tast- und Farbspiele mit beiden Armen aus den Empfehlungen, bis es soweit ist. (Und die Neumenschen, die bisher gewürfelt wurden, haben verdammt Schwein gehabt mit dem, wohin sie gewürfelt wurden.) Heißt nach dem kurzen Exkurs: es tönt mir einfach an allen Ecken zu einseitig, als dass es gut gefallen könnte. Nichts für ungut, VG r~~~ |
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27.11.2010, 14:56 | #3 |
Liebe blaue Raupe,
ich war sehr lange nicht mehr auf diesem Forum. Daher habe ich erst heute Deine sehr ausführliche Stellungnahme zu meinem Gedicht gelesen. es ist schwierig für mich, darauf zu antworten. Du beurteilst das Gedicht aus einer völlig anderen Perspektive als ich es gemeint habe. Ich habe versucht, die Kälte und das Verlorensein des Individuums in der Masse, die Allgegenwart von Einsamkeit, Gleichgültigkeit, Kokurrenz, Egoismus: "Ich, ich, ich will mich amüsieren, schließlich gehts allein um mich", das in sich Abgeschlossensein: "Traben stumpf und zugedröhnt, blind und taub durchs große Leben" darzustellen, wobei das wirklich Wichtige: "das große Leben" unbemerkt an uns vorbeizieht und die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt: "Hören nicht das Kind, das weint". Ich habe dieses Gedicht geschrieben unter dem Eindruck von eigenem Erleben und immer neuen Berichten in der Presse von Grausamkeiten Jugendlicher unter Drogen- und Alkoholeinfluss, von immer neuen Berichten über Kindermorden, Misshandlungen und Vernachlässigungen von Kindern, unter dem Eindruck von Einsamkeit, Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit. Dass das alles Ängste erzeugt, ist völlig klar. Aber muss das denn noch ausdrücklich erwähnt werden? Eine der wichtigsten Schreibregeln lautet: "Do show, do not tell." Das alles sind keine angenehmen Gefühle. Deshalb wundert es mich nicht, dass dir das Gedicht nicht gefällt. Es erzeugt Abwehr und Widerspruch. Ich kann das verstehen. Doch die Realität, besonders in den Städten, ist leider so. Vielleicht gefallen Dir ja andere Gedichte von mir. Lass es mich wissen. LG Renate |
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28.11.2010, 02:59 | #4 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Daß diese Realität "besonders in den Städten" zu finden ist, halte ich für ein grobes Vorurteil. Das Gegenteil ist der Fall: Auf dem "Lande" geht es rigoroser und viel weniger liberal zu als in den Städten; auch ist die Kriminalität außerhalb der Städte keineswegs geringer, die Fälle sind lediglich sperriger und bedürfen einer intensiveren Aufklärungsarbeit. Wer heute in "Kleinkleckersdorf" wohnt, kann genauso anonym bleiben, als lebte er in einer Millionenstadt. |
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28.11.2010, 03:42 | #5 | |
abgemeldet
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Zitat:
LG Bullet |
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