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17.04.2011, 15:54 | #1 |
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In Memoriam
Peter
Er war ein anstrengendes Kind. Heute würde man sagen: „schwer erziehbar“. Vor rund fünfzig Jahren nannte man es „frech“. Einmal wurde ich Zeugin, wie seine Mutter, meine Tante Elli, ihm den Hosenboden verwamschte. Er hatte nicht auf die Straße gedurft und vom Balkon seinem Freund, der unten wartete, zugeschrieen, seine Mutter sei eine „alte Sau“. Die blanke Wut! Diese Blamage konnte selbst eine hartgesottene Seele wie meine Tante, an der ziemlich viel abtropfte, nicht dulden. Auch die alte Nachbarin, die auf derselben Etage wohnte – und das war immerhin im dritten Stock – bekam ihr Fett weg. Peter und die Alte konnten sich nicht leiden, und so wurde die Nachbarin immer wieder Opfer seiner Herausforderungen und Neckereien, sprich: seiner Beschimpfungen. Jedesmal machte sie sich die Mühe, vom Olymp herabzusteigen, um den Übeltäter zu fassen – immer vergeblich: Während sie auf die Straße starrte, verharrte Peter im dunklen Schutz der Metalltüren, hinter denen sich die Mülltonnen befanden. Er nahm mich bei solch einem Manöver mal mit, und ich hatte meine Zweifel, ob das klappt – aber und ob! Die Alte war nicht nur dämlich, sondern sogar einem Kind kognitiv völlig unterlegen. Peter war acht Jahre jünger als ich, und wir verstanden uns blendend. Eigentlich hätte ich ein bißchen überlegener und erzieherischer sein müssen, aber ich war ein allzu braves Kind und ließ mich von Peters Übermut gerne anstecken. Wir unternahmen viel zusammen. Im Hof zum Haus, in dem er wohnte, begruben wir einen toten Spatz – ganz feierlich und pietätvoll (wobei wir natürlich von besagter Alten aufgescheucht wurden). Wir gingen in den Stadtwald zum Weiher und fingen Kaulquappen, die wir in einem gewässerten Einmachglas nach Hause trugen und dann in einem Torbogen abstellten, weil keiner von uns beiden sie behalten wollte – wir hatten vergessen, das vorher abzusprechen. Ob das unter den Oberbegriff „Selektion“ fällt, weiß ich nicht, wir waren halt Kinder, die nur bis zum „um Fünf seid ihr zu Hause“ dachten. Wir gingen auf dem Dach des Wohnhauses unserer Großeltern spazieren und inspzierten die Schornsteine. Wie man da hinaufkam, hatte ich meinem Onkel abgeschaut, der Schornsteinfeger war. Die oberste Wohnung im Haus war ausgebombt und unverschlossen und die Dachluke jedem zugänglich. Weshalb von einem Balken dieser verlassenen Dachwohnung ein Strang Koblauchknollen herunterhing, kann ich nur ahnen, will das aber nicht vertiefen, es war einfach so. Das Dach war flach und ungefährlich. Peter und ich kletterten oft nach oben. Wenn unsere Eltern das gewußt hätten, wäre ihnen wahrscheinlich schwindlig geworden. Wir gingen in der Wohnung unserer Großeltern ein und aus, weil zufällig mein Wohnungsschlüssel auch dort paßte. Dann fraßen wir uns durch die Speisekammer und mixten in einer leeren Milchflasche ein Gebräu aus Resten von Yoghurt, Essig, Gewürzen, Sirup, Zucker, Salz, Fett und Wasser, womit wir dann die Passanten vom Fenster aus besprenkelten. Sie fanden das nicht amüsant und hatten sicherlich auch keine Freude an den Reinigungskosten. Der Höhepunkt war jedoch, daß der Nachbar aus der Wohnung unter uns seinen kahlen Kopf zum Fenster herausschob, als wir gerade des Spielens überdrüssig waren und den kompletten Inhalt der Flasche ausschütteten und er somit die geballte Ladung auf die Rübe bekam. Die Ehefrau tobte mindesten zehn Minuten lang vor unserer Wohnungstür, was uns herrlich amüsierte. Was konnte uns schon geschehen? Es war ja keine erziehungsbefugte Kontrollinstanz da, und hinterher hatten wir alles abgestritten. Wir waren wir die sittsamsten Kinder dieser Welt! Jetzt sind sie nicht mehr da, die Großeltern nicht, Tante Elli nicht, und auch Peter ist gegangen. Aber ich bin noch da. Und die Erinnerung. In Liebe, Ilka |
17.04.2011, 19:51 | #2 |
Schöne unbeschwerte Kindheitserinnerungen hast du uns da vermittelt, danke.
Das hat Peter wohl verdient, dass du uns von ihm erzählst. Gruß vom Nöck |
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