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08.10.2020, 01:44 | #1 |
Dabei seit: 02/2005
Beiträge: 223
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Versmaß
Hallo Leute,
kurze Frage zum Versmaß. Wie bekommt man bei zweisilbigen Wörtern heraus, ob es ein Jambus, Trochäus - oder was auch immer - ist? Ich denke an Wörter wie: Schreibtisch, Eiskalt, Windstill, Schreikrampf. Gruß Wolfgang |
08.10.2020, 07:40 | #2 | |
Hallo wolfgang,
Zitat:
LG DieSilbermöwe |
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08.10.2020, 08:53 | #3 |
Forumsleitung
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Guten Morgen, Wolfgang,
wie Silbemöwe richtig geantwortet hat, erkennt man die rhythmische Zuordnung an der Betonung der Silben. Bei deinen Beispielen handelt es sich - auch das hat Silbermöwe richtig erkannt - um Trochäen, da bei diesen Wörtern die Betonung auf der ersten Silbe liegt. Im Gegensatz zum Jambus, bei dem die zweite Silbe tetont wird. Allerdings darf man den Rhythmus nicht allein am Wort festmachen, sondern man muss den gesamten Vers (Taktreihe) sehen: Beginnt er mit einer betonten oder mit einer unbetonten Silbe? Trochäus: Wortbeispiele: Schreib'tisch'lam'pe; Ar'beits'zeug'nis; Ba'de'an'zug. Vers-Beispiele: Arm am Beutel, krank am Herzen ... (Goethe, Der Schatzgräber); Droben auf dem schroffen Steine raucht in Trümmern Autafort (Uhland, Bertran de Born). Jambus: Wortbeispiele: viel'leicht; je'doch; zu'nächst; ver'dammt. Vers-Beispiele: Wie jede Blüte wekt und jede Jugend (Hesse, Stufen); Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden (Gryphius, Es ist alles ganz eitel). Daktylus (dreigliedrig, Betonung auf der ersten Silbe): Wortbeispiele: Kö'ni'gin; Hei'li'ge; Not'la'ge. Anapäst (dreigliedrig, zwei kurze unbetonte Silben, eine lange betonte Silbe). Wortbeispiele: Pa'ra'dies, Ma'le'rei. Insbesondere der Daktylus wird oft bei Trochäen eingeschoben. Der Anapäst kommt in der deutschen Dichtung dagegen seltener vor. Es gibt noch Besonderheiten wie z.B. den Kreticus, den Amphimacer und den Amphybrachys. Das ist aber so speziell, dass diese metrischen Formen in vielen Vers-Lehren entweder nur am Rande erwähnt oder gar nicht besprochen werden. Als Nachschlagewerk empfehle ich dir "Poetik in Stichworten", Hirts Stichwortbücher, Gebrüder Bornberger, Berlin/Stuttgart. |
08.10.2020, 12:31 | #4 |
Dabei seit: 02/2005
Beiträge: 223
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Danke für die Aufklärung. Ich muss üben, anders bekomme ich kein Gefühl dafür.
Noch was zum Thema: Reim. Ich kann mich nicht mit ihnen anfreunden. Sie kommen mir vor wie aufdringliche Hunde, die man gerne haben muss. Halbreime sind unaufdringlich. Danke! Wolfgang |
11.10.2020, 15:41 | #5 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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Lieber Wolfgang,
Versfüße und Reime sind Gestaltungsmittel für Gedichte. Die Reime, von denen Du sprichst, sind offensichtlich Endreime (also Gleichklang der letzten Worte eines Verses). Die Endreime sind im deutschen Sprachraum etwa seit dem Mittelalter gebräuchlich geworden und stammen meines Wissens aus dem arabischen Raum, wurden von den Kreuzrittern mit nach Europa gebracht. Wie wurde im deutschen Sprachraum vorher gedichtet? Weit verbreitet war der Stabreim (gleichklingende Anfänge und Wörter der Verse). Den Stabreim bezeichnen wir oft mit Alliteration (Milch macht müde Männer munter oder Götter, Gräber und Gelehrte). Eine Besonderheit ist, dass alle Vokale miteinander stabreimen. Ich glaube, dass die meisten Gedichte der Weltliteratur nicht mit Endreimen versehen sind (denk mal an Homers Odyssee oder das Hohelied Salomos, an die zahlreichen Dichtungen im Blankvers). Der Blankvers (Verse, die "blank" von Reimen, also reimlos sind) war lange eine der beliebtesten Gedichtformen (in der Regel: Fünffüßige Jamben ohne Endreim). Komischerweise glauben viele Leser/innen, dass es sich dann um ein Gedicht handelt, wenn sich das Geschriebene hinten reimt. Ich selbst verwende unterschiedliche Formen, wechsle auch die Versfüße, komme mal gereimt, mal ungereimt zu Potte. Du "meldest" zwei Probleme: 1. Wie kriege ich heraus, welchen Versfuß der Dichter verwendet hat, 2. ist es auch ein Gedicht, wenn es keine Endreime hat. Bei der Betonung (wir sprechen von einer Hebung - weil wir an dieser Stelle die Stimme anheben) gibt es ein probates Mittel: Stampf mit dem Fuß auf oder klatsch in die Hände): "Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, Zu tauchen in diesen Schlund? Einen goldnen Becher werf ich hinab, Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund. Die Betonungen habe ich fett markiert. Wenn wir die Betonungen mit einem großen X und die Senkungen (Nichtbetonungen) mit einem kleinen x markieren, entsteht folgendes Bild: xXxXxxXxX xXxxXxX xxXxXxXxxX xXxxXxxXxX Schiller mischt hier Jamben (xX) mit Anapästen (xxX). Die geläufigsten Versfüße sind: Jamben (xX) - einer unbetonten folgt eine betonte Silbe Trochäen (Xx) - einer betonten folgt eine unbetonte Silbe Daktylen (Xxx) - einer betonten folgen zwei unbetonte Silben Anapäste (xxX) - zwei unbetonten folgt eine betonte Silbe. Der Anapäst ist der im Deutschen am wenigsten gebrauchte Versfuß. So, nun hast Du erstmal was zum Üben. Liebe Grüße, Heinz |
11.10.2020, 23:09 | #6 |
Hallo Wolfgang,
schade, dass dir keiner der hier anwesenden deine Frage beantworten kann. Die Betonung einzelner Silben ergibt sich aus dem natürlichen und phonetischen Sprachgebrauch. Wenn du das Alphabet aufsagst, wirst du feststellen, dass jeder Buchstabe im Mund- und Rachenraum anders verortet wird. Daraus ergeben sich Dominanzen in der Phonetik. Besonders deutlich wird das beim Sprechen von Dialekt, in dem teilweise übertriebene Betonungsformen zusammenfinden, die in der hochsprachlichen Verwendung als monoton zu bezeichnen sind. Formt man aus einzelnen Buchstaben Worte und Worte zu Sätze, entsteht dabei ein natürlicher Sprachrhythmus, den man mit etwas Achtsamkeit zu einem Versmaß ordnen kann. Am ehesten fühlt und versteht man das Metrum, wenn man gut mit Musik kann. (Vor allem Singen) |
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12.10.2020, 06:52 | #7 | |
Zitat:
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12.10.2020, 08:34 | #8 | ||
Forumsleitung
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Zitat:
Ist halt gut gemeint, einfach für die total Beschränkten. Wer kommt denn schon von selbst auf dieses außérordentliche Phänomen: Zitat:
Da sieht man, wie schwer man es sich machen kann. Also, Wolfgang: Erst einmal das Alphabet auswendig lernen und mehrmals aufsagen, und dann "Atemlos durch die Nacht". |
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12.10.2020, 19:58 | #9 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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DANKE, Kaskadia!
Es stimmt, und ich habe es überprüft: Wenn du das Alphabet aufsagst, wirst du feststellen, dass jeder Buchstabe im Mund- und Rachenraum anders verortet wird. Bei mir ist das "a" rechts hinterm vorletzten Backenzahn. Zischlaute mache ich mit der Zunge und Pfeiftöne mit den Lippen. Was würden wir ohne Dich anfangen? Gruß, Heinz |
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