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25.08.2007, 21:48 | #1 |
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der pazifist und die fremdsprache
ich fuhr mit der u-bahn, heute abend,
setzte mich und las ein buch. da hörte ich eine stimme - und 20 menschen außer mir - als ich, einen satz reflektierend - war er nun lustig oder traurig? - meine augen im wagen streifen ließ - farben und formen meinen geist beträumten. meine fresse würde zu brei und blut allüberall, klang es, als ich geantwortet hatte, was ich denn gucken würde, was ich denn lange haare hätte und einen bart wie ein taliban. was ich denn mein blödes buch läse, dass ich doch sicher jude sei. und vieles mehr kam da noch herausgespuckt, triefend von hass, gemeißelt aus furcht. ich schaue dich an wie du mich anschaust, sagte ich zuvor, und verleugne meine natur nicht. kurze zeit später schwieg ich dann, und mit mir 20 andere auch, blickte aus dem fenster. die tiraden waren weit, weit weg und dumpf ratterte der schall um meinen ohren. ich stieg nicht aus, wo ich es wollte, denn ich sollte mit herauskommen, schrie er, um auf die schienen gestoßen zu werden; ich schwieg und blickte ernst, fuhr eine station zu weit und ging des späten sommers durch die friedlichen strassen. ich hörte kinder spielen und lachen. mitleid vermischte pastellfarben zu unscharfen schweifen im abendlicht. der mensch hatte gelitten und ich verstand die botschaft, doch sprach ich seine sprache nicht. ich war sicher, dass jede antwort gewalt nach sich gezogen hätte - und sei sie noch so friedlich, noch so abstrakt und philosophisch, also schwieg ich - gedenke des nächsten blickenden und wünsche ihm eine vollkommenere linguistik als ich sie mein eigen nennen kann und manchmal ungern mag. |
26.08.2007, 19:40 | #2 |
Hallo Sateb.
Interessant. Vorallem wegen der Sprache. Man muss sehr genau lesen, um den Sinn zu begreifen. Besonders an den Stellen, wo der Ablauf nicht zeitlich linear erzählt wird. Die Komplexität der Sprache passt zum Inhalt. Die allgemeine Kleinschreibung sagt mir hier allerdings nicht zu, das verkompliziert nochmal unnötig. Für den Pazifisten ist Gewalt (oder gewalttätige Sprache) also eine Fremdsprache (oder war das anders gemeint?) und doch wünscht er dem nächsten "eine vollkommenere linguistik als ich sie mein eigen nennen kann". Er wünscht den anderen, dass sie die Sprache der Gewalt beherrschen? Oder nur, dass sie solche Menschen verstehen, die sie anwenden? Warum? Vielleicht ist das die Kernfrage. Will er vielleicht auch einmal aus seiner Haut fahren, kann es aber nicht, weil seine Prinzipien es verbieten? Wünscht er dem nächsten einfach nur das Können, sich im Fall des Falles zu wehren? Wünscht er sich jemanden, der diese armen Schweine so gut versteht, dass er ihnen helfen kann? Bedauert er es, geschwiegen zu haben/geschwiegen haben zu müssen? Das sind die Möglichkeiten, die ich herauslese (Du musst sie nicht beantworten). Fehlerchen: "außer" Grüße Struppi |
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26.08.2007, 21:25 | #3 |
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Hallo Struppigel,
du hast das Dilemma, in dem das lyr. Ich steckt treffend skizziert. Zum einen besteht Wut, die sich latent artikuliert - Wut nicht handeln zu können und es doch - spontan - zu wollen, zum anderen aber - nach einer reflektiven Phase - vorsichtige Bestätigung - z.B. durch die Vermeidung u.U. lebensbedrohlicher, eskalierender Geschehnisse. Die Uneindeutigkeit der Situation und die einerseits emotionelle, andererseits pragmatische sowie ideologische Ambivalenz, die sich im Protagonisten sammelt und inversiv chronologisch verarbeitet wird, versuchte ich stilisitisch mittels Kleinschreibung in eine Spähre der Stille einzubetten (gewissermassen die Ruhe nach dem Sturm darstellend) - eine verstörende und verstörte Stille, eine Stille aber, die ein leises, kaum vernehmbares Pfeifen, Lachen - Hoffen erfährt; das Glimmen des Guten im Schlechten zu erahnen lassen vermag. |
28.08.2007, 00:39 | #4 |
großartig.
besten gruß dein melkor |
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28.08.2007, 15:17 | #5 |
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Danke, mein(?) Melkor.
Was war denn so großartig? Ein wenig ausführlicheres Feedback, evtl. eine Weiterentwicklung der Denkansätze, die die Geschichte bietet (wie Struppigel es vormachte) wäre schön. Vielleicht kannst du die Diskrepanz der Analyse der Konfrontation dahingehend skizzieren, dass du auf das Gegenüber des Protagonisten eingehst, auf dessen Hemmung die angedrohte, non-verbale Gewalt auszuüben? Fürchtet er, weiss er gar, dass man ihn (seine Sprache) nicht versteht und entzieht sich der darob (unbefriedigenden) Situation vielleicht ebenfalls? Kannst du spekulieren, was er eigentlich mitteilen will? |