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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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09.06.2022, 13:59 | #1 |
Auf Dornen gebettet.
Auf Dornen gebettet.
Sonett in Amphibrachien Du gingst durch die Rosen, an Dornen die Träume, An Strümpfen die Kletten, sie klangen wie Ketten; Du kamst an die Tür, und es öffneten Räume Die Fenster in Dunkle: Da war nichts zu retten, Da gab es kein Leben, da waren nur Tote, Da fehlten die Wände, es wohnte kein Hoffen In all diesen Schluchten; es glühte die rote, Die frühere Sonne, auch sie war getroffen, Wie ihr ging’s dem Mond; wo nur waren die Kinder, Die gestern noch spielten, wo waren die Katzen, Die Hunde, die Hasen! Es nahm sie der Schinder; Er hat die Gesichter von Schändern, die Fratzen Von Mördern und folgt deiner Spur durch den Garten: Er kann, dich zu töten, schon kaum mehr erwarten. |
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10.06.2022, 10:37 | #2 | |
Zitat:
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11.06.2022, 14:36 | #3 |
Forumsleitung
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Lieber Walther,
das Sonett ist technisch perfekt, bei einem Virtuosen der Sprache, wie du es bist, nicht verwunderlich. Indessen klingt der gleichmäßige Rhythmus wie aus einem Leierkasten, nämlich eintönig. Das ist nicht immer, aber manchmal der Preis für Perfektion. Ich weiß nicht, ob das der Grund ist, weshalb noch niemand das Gedicht kommentiert hat. Vielleicht liegt es aber auch an dem Hinweis auf die Anmphibrachien, ein Begriff, mit dem wahrscheinlich viele Leser nichts anzufangen wissen. Die meisten sind schon froh, wenn sie die vier Grundrhythmen verstanden haben, und tatsächlich fehlt selbst in wissenschaftlichen Werken über die Verslehre eine Besprechung des Amphibrachys. Stattdessen ist von Daktylen mit anpästischem Auftakt die Rede. Es wäre dennoch schade, wenn das Gedicht keine Beachtung fände. Man muss die Verslehre nicht studiert haben, um zu erkennen, ob ein Text herausragend oder nur durchschnittlich ist, und dein Gedicht ist herausragend. LG Ilka |
13.06.2022, 10:52 | #4 | |
Zitat:
danke fürs vorm vergessen bewahren. in der tat könnte man von einem daktylischen versmaß sprechen. auch das mit dem unbetonten auftakt stimmt. der anapäst ist ein umgekehrter daktylus (xxX/Xxx). der amphybrachys geht so: xXx. ab jetzt beginnt die haarspalterei. wichtiger ist, dass diese taktformen alle etwas tänzerisches haben. normalerweise würde man ein lustiges thema vermuten. hier ist das metrum kontrapunktisch gegen den inhalt gesetzt (jetzt könnte ein ehemaliger dichter dieses forums zur höchstform auflaufen, weil er ein für alle mal erklärt bekommen hat, was kontrapunktisch wirklich ist). hinzukommt, dass eigentlich ein sonett jambisch zu sein hat. diese vorgabe ist hier absichtlich durchbrochen. nun zum leierkasten. wer das rezitieren bzw. deklamieren richtig versteht und die rhetorischen figuren als dramaturgische hinweise, wie der dichter sich ebendieses wünscht, aufgreift, leiert nicht. ich sollte, glaube ich, doch mal einen podcast starten, wie man so etwas richtig vorträgt. habe ich mir für mein nächsten leben schon einmal vorgemerkt. perfektion? hm. es gibt ein paar stellen, mit denen ich nicht ganz zufrieden bin. daher darf ich leise zweifel anmelden. solides handwerk lasse ich gelten. den rest darf man meiner etwas sperrigen person zuschreiben. ich schaffe es immer, dafür zu sorgen, dass keine jubelchöre entstehen. ich brocke mir das selbst ein. aber ich verspreche hoch und heilig, daran nichts zu ändern. das bin ich schon meinem schlechten ruf schuldig. danke dir für dein tolles engagement für das forum. ohne es gäbe es diesen eintrag und dieses gedicht hier nicht. und das ist wichtiger als mein text. auch das muss einmal gesagt sein, finde ich. lg W. |
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13.06.2022, 11:39 | #5 | |||||
Forumsleitung
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Zitat:
an den Jambus halten sich selbst viele der bekannten Dichter nicht mehr, auch nicht unbgedingt an das klassische Versmaß des Fünfhebers. Die Erklärung des Tänzerischen als Kontrapunkt zum Inhalt leuchtet ein. Ich kenne das aus der Filmwelt, wenn z.B. eine fröhliche Musik zu arglos agierenden Menschen gezeigt wird, während der Zuschauer längst weiß, dass im Hintergrund tödliche Gefahr lauert. Zitat:
Zitat:
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Besten Gruß und eine schöne, kreative Woche, Ilka |
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13.06.2022, 11:53 | #6 |
Hi Ilka,
ja, das mit dem kommentieren! die meisten wollen gelesen werden und gelobt. andere texte interessieren sie nicht. hinzutritt das faktum, dass viele texte einfach nicht gut sind (um nicht zu sagen: sehr schlecht) und die qualität der einträge oft in direkter korrelation zur unterentwickelten kritikfähigkeit der eintragenden steht. also kommentiert man nicht mehr. es motiviert niemanden, nach ein paar offenen worten sofort persönlich angegriffen oder brachial abgeschmettert zu werden. lg W. |
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13.06.2022, 12:00 | #7 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Nach meiner Erfahrung kommt aber noch ein anderes Moment hinzu: Viele Laien gehen davon aus, dass ein lyrischer Text vor allem spontane Gefühle ausdrücken soll, wobei es nur auf den Inhalt ankomme, während man das Handwerk beiseite schieben könne. Das ist natürlich ein kolossaler Irrtum! |
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13.06.2022, 12:04 | #8 | |
Zitat:
lb Ilka. ich selbst habe früher, nun ja, nicht besonders gute gedichte geschrieben. dann habe ich mir etwas sagen lassen, und es wurde von mal zu mal besser. lg W. |
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13.06.2022, 12:10 | #9 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Habe aber auch mehrere Lehrgänge gemacht (insgesamt dreieinhalb Jahre lang) und viel Fachliteratur gelesen. |
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13.06.2022, 14:43 | #10 | |
abgemeldet
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Zitat:
so sieht es aus. Ich legte mal eine Mappe mit meinen Gedichten an. Ich war stolz auf sie. Heute würde ich diese Mappe gern verbrennen. Es war zuviel von mir selbst drin. Ich habe Schreiben zum Verarbeiten verwendet. Technik war da eher zweitrangig. Habe lediglich Silben gezählt aber auf Betonungen gar nicht geachtet. Das kam erst hier. Andererseits sind diese Gedichte halt auch ein Teil von mir. Heute schreibe ich zwar mit einem Gefühl, das mich gerade überkommt, aber ich erzähle nicht mehr im Detail meine Geschichte. Ilka hat gerade schon bei mir zur Ähnlichkeit in der Form zu Deinem Werk kommentiert. Meine Antwort diesbezüglich wiederhole ich hier jetzt nicht nochmal. Nur soviel. Amphibrachys habe ich allerdings durch Dich gelernt und mittlerweile zu meiner favorisierten Schreibweise gemacht. Soviel zum Lernen. Daher ist lesen halt auch immer wichtig. Ich habe mal Rielkes "Der Panther" genommen und daraufhin "Die Libelle" in genau diese Form gesetzt. Keine Ahnung, ob das irgendjemandem auffallen würde, wenn ich es nicht hier gerade gesagt hätte. Dein Sonett hier ist mal wieder tadellose Handwerkskunst und es ist wunderbar düster. So mag ich das. Respekt. Pennywise |
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22.06.2022, 17:46 | #11 | |
Zitat:
wie kommt man zu können? durch üben. talent ist nur die würze. den rest muss man selbst anbauen, hochpeppeln, gießen, hacken, waschen, rebeln, schneiden, in die Pfanne oder den Topf hauen. und dann die würze drüber, kochen, abschmecken, fertig. bei jedem werk gilt: was vorne rein kommt, kommt hinten wieder raus. also: schlechte basis + gute würze gibt keine gute mahlzeit. letztlich, ich wiederhole das, kann das, was ich hier erreicht habe, jede/r erreichen. wenn ersiees nur will. bei dir kann man das übrigens gut erkennen. du schreibst immer besser. und das freut mich sehr. meinen dank für dein lob lasse ich klein ausfallen. nicht, weil mir das nicht gefiele. eher, weil ich angst vorm abheben habe. denn dann wird das schreiben gleich wieder schlechter, weil man sich nicht mehr so anstrengt und nicht mehr so selbstkritisch ist. lg W. |
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23.06.2022, 14:35 | #12 |
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 61
Beiträge: 1.680
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... zur Technik kann ich nichts sagen, der Rest ist wunderschön düster. Klingt so nach den letzten Tagen der Menschheit inklusive Untergang des Universums. Die erste Fassung hätte ich vermutlich schlecht kommentiert. Ist mit dem Schinder einfach Gevatter Hein, Tod und Tödin gemeint? Bei "wo nur waren die Kinder" stolpere ich immer ein wenig.
wünsche schöne Träume ohne Dornen |
13.07.2022, 01:42 | #13 |
Hey Walther,
für den ganzen Faden würd ich unbedingt ein großes Danke dalassen wollen. Das Gedicht ist echt gut und transportiert eine "stimmige Dunkelheit" und was du weiter schreibst war für mich an ein paar Stellen sehr aufschlussreich Etwas inspirierendes hatte dein Gedicht sogar auch, aber das Ergebnis poste ich eigenständig Was mir gefällt an dem Gedicht? In welchem Ton das Dunkle spricht! Wiegesagt, drei mal Danke, für Gedicht, Faden und Inspiration Einen lieben Gruß |
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15.07.2022, 10:51 | #14 | |
Zitat:
danke für lesen, bedenken und inspiriert fühlen! stay tuned! lg W. |
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