über den gipfeln herrscht unruh bei Poetry.de

Perry · 24.03.2022, 21:40

trete ich nach den morgendlichen news über die
misslichkeiten der welt hinaus in die natur drängen
sich düstere ahnungen ins frühlingshafte keimen

der wald steht ausgetrocknet und schweigt über
abholzungen windbrüche und borkenkäferbefall
spechte trommeln dazu ihr monotones klagelied

still dämmert der abend hüllt die fluren in ein
bittersüßes blutorange stellt drängend die frage
finden wir je zurück zu den wurzeln des lebens

Heinz · 24.03.2022, 22:34

Lieber Perry,
und trotz aller Warnungen wird weiter abgeholzt und jeden Tag wird dem Wald/werden den Wäldern dieser Welt schändliche und schädliche Sünden angetan.Deinem Gedicht kann ich inhaltlich nur zustimmen.
En passant: Dass mir bei Deinem Gedicht sofort Goethes "Über allen Gipfeln..." einfiel, wird Dich nicht verwundern. Im letzten Herbst war ich zum ersten Mal auf dem Kickelhahn in der Nähe von Ilmenau, da, wo die Waldhütte steht, an deren Innenwand Goethe das Gedicht ins Holz gekritzelt hat. Ich habe mich dann draußen hingesetzt und nachempfinden können, was Goethe da gedichtet hat. Es war sehr bewegend und mit großer Freude habe ich die gleiche Luft wie der große Dichter geatmet. Es war einfach nur schön.
Liebe Grüße,
Heinz

Perry · 24.03.2022, 23:32

natürlich stand Goethes "Über allen Gipfel ist Ruh'" und sein pessemistischer Schluss "Warte nur! Balde / Ruhest du auch" Pate für meine Zeilen.
Wenn der letzte Baum gerodet ist, werden wir vielleicht verstehen, dass man ohne Sauerstoff nicht leben kann. Aber im Moment stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir uns vorher durch einen Atomkrieg verabschieden.
Genug der Schwarzmalerei, mit etwas Glück und Verstand findet sich ja vielleicht noch ein "Umstand" der Putin stoppt.
Danke fürs Feedback LG
Perry

Heinz · 25.03.2022, 11:01

Lieber Perry,
dieses Gedicht ist wohl eines der bekanntesten von Goethe. Die Zahl der Interpretationen ist ungeheuer groß und jeder darf sich beim Lesen das denken, was ihm gefällt. (Allein der Streit um das Wort "Vögel" oder "Vögelein" ist bemerkenswert. Leider ist der ursprüngliche Text - von Goethe an die Bretterwand geschrieben - nicht erhalten. Die derzeitige nachgeahmte Kritzelei schreibt "Vögel", aber die veröffentlichte Fassung - lange nach der Entstehung - sagt "Vögelein".
Ob der Schluss "Warte nur, balde ruhest auch du" pessimistisch ist, stelle ich mal in Frage. 1780 war Goethe 31 Jahre jung und zu Pessimismus gab es eigentlich keinen Anlass. Aber die unglaubliche Ruhe, die auf dem Kickelhahn herrscht, der Blick in die Landschaft meiner Heimat, kann schon nachdenklich stimmen und Gedanken über die Endlichkeit des Lebens wecken.
Ich glaube, Goethe war im hohen Alter nochmal auf dem Kickelhahn (ich bin vor einem halben Jahr auch die anderthalb Kilometer vom Parkplatz an der Landstraße da rauf gelatscht und musste mehrere Pausen einlegen, weil es immerzu bergauf ging). Mein lieber Mann, der muss eine ganz schöne Konstitution gehabt haben. Empfehlung: Sehr preiswerte Ferienwohnung (ca 30 Euro pro Nacht und Person) in Ilmenau (Adresse bei mir erhältlich) mieten und auf jeden Fall mal rauf auf den Kickelhahn.
Liebe Grüße,
Heinz

24.03.2022, 21:40	#1
Perry Dabei seit: 11/2006 Alter: 71 Beiträge: 3.762 Meine Gedichte	über den gipfeln herrscht unruh trete ich nach den morgendlichen news über die misslichkeiten der welt hinaus in die natur drängen sich düstere ahnungen ins frühlingshafte keimen der wald steht ausgetrocknet und schweigt über abholzungen windbrüche und borkenkäferbefall spechte trommeln dazu ihr monotones klagelied still dämmert der abend hüllt die fluren in ein bittersüßes blutorange stellt drängend die frage finden wir je zurück zu den wurzeln des lebens

24.03.2022, 23:32	#3
Perry Dabei seit: 11/2006 Alter: 71 Beiträge: 3.762 Meine Gedichte	Hallo Heinz, natürlich stand Goethes "Über allen Gipfel ist Ruh'" und sein pessemistischer Schluss "Warte nur! Balde / Ruhest du auch" Pate für meine Zeilen. Wenn der letzte Baum gerodet ist, werden wir vielleicht verstehen, dass man ohne Sauerstoff nicht leben kann. Aber im Moment stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir uns vorher durch einen Atomkrieg verabschieden. Genug der Schwarzmalerei, mit etwas Glück und Verstand findet sich ja vielleicht noch ein "Umstand" der Putin stoppt. Danke fürs Feedback LG Perry

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24.03.2022, 22:34	#2
Heinz Dabei seit: 10/2006 Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow Beiträge: 7.879 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Perry, und trotz aller Warnungen wird weiter abgeholzt und jeden Tag wird dem Wald/werden den Wäldern dieser Welt schändliche und schädliche Sünden angetan.Deinem Gedicht kann ich inhaltlich nur zustimmen. En passant: Dass mir bei Deinem Gedicht sofort Goethes "Über allen Gipfeln..." einfiel, wird Dich nicht verwundern. Im letzten Herbst war ich zum ersten Mal auf dem Kickelhahn in der Nähe von Ilmenau, da, wo die Waldhütte steht, an deren Innenwand Goethe das Gedicht ins Holz gekritzelt hat. Ich habe mich dann draußen hingesetzt und nachempfinden können, was Goethe da gedichtet hat. Es war sehr bewegend und mit großer Freude habe ich die gleiche Luft wie der große Dichter geatmet. Es war einfach nur schön. Liebe Grüße, Heinz

25.03.2022, 11:01	#4
Heinz Dabei seit: 10/2006 Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow Beiträge: 7.879 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Perry, dieses Gedicht ist wohl eines der bekanntesten von Goethe. Die Zahl der Interpretationen ist ungeheuer groß und jeder darf sich beim Lesen das denken, was ihm gefällt. (Allein der Streit um das Wort "Vögel" oder "Vögelein" ist bemerkenswert. Leider ist der ursprüngliche Text - von Goethe an die Bretterwand geschrieben - nicht erhalten. Die derzeitige nachgeahmte Kritzelei schreibt "Vögel", aber die veröffentlichte Fassung - lange nach der Entstehung - sagt "Vögelein". Ob der Schluss "Warte nur, balde ruhest auch du" pessimistisch ist, stelle ich mal in Frage. 1780 war Goethe 31 Jahre jung und zu Pessimismus gab es eigentlich keinen Anlass. Aber die unglaubliche Ruhe, die auf dem Kickelhahn herrscht, der Blick in die Landschaft meiner Heimat, kann schon nachdenklich stimmen und Gedanken über die Endlichkeit des Lebens wecken. Ich glaube, Goethe war im hohen Alter nochmal auf dem Kickelhahn (ich bin vor einem halben Jahr auch die anderthalb Kilometer vom Parkplatz an der Landstraße da rauf gelatscht und musste mehrere Pausen einlegen, weil es immerzu bergauf ging). Mein lieber Mann, der muss eine ganz schöne Konstitution gehabt haben. Empfehlung: Sehr preiswerte Ferienwohnung (ca 30 Euro pro Nacht und Person) in Ilmenau (Adresse bei mir erhältlich) mieten und auf jeden Fall mal rauf auf den Kickelhahn. Liebe Grüße, Heinz