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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 29.04.2022, 23:37   #1
männlich Heinz
 
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Standard An die jungen Poeten

Du fragst verzagt: Wie schreib ich ein Gedicht,
dem es an Sinn und Schönheit nicht gebricht?
Wie bring ich, was in meinem Innern tobt,
in Verse, Strophen, die ein jeder lobt?

Gehorche folgsam ich des Reimes Zwängen,
beachte ich fügsam die Regeln der Metrik
und lass mich durch weit‘re Gesetze beengen -
wo bleibt dann der Zauber der himmlischen Lyrik?


Jamben, Daktylen, Trochäen oder Anapäste,
Amphibrachys, Hexa- und auch Pentameter schwirren
durch den Kopf und mancher denkt, es wäre wohl das allerbeste,
weiter aus dem Bauch zu schreiben, Bäuche können niemals irren!

Du hast drei Tage mit Worten gerungen,
hast Silben gezählt und Metaphern gewählt,
dir ist so, als sei das Gedicht dir gelungen,
auf Pegasus Rücken hast du dich geschwungen.

Lass Poete, dich nun preisen, nimm den Lorbeer
stolz entgegen, kränze deines Hauptes Locken,
hör den Klang der silberhellen Ruhmesglocken,
sage an, was willst du Dichter nun noch mehr?

Ich habe mein Werklein mit kritischem Auge betrachtet,
hab Reime gedrechselt, die Regeln der Metrik beachtet,
vor allem hab ich den Rat zu Gemüt mir genommen:
Was du auch dichtest, es muss vom Herzen dir kommen.

Geändert von Heinz (30.04.2022 um 01:05 Uhr)
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Alt 30.04.2022, 08:39   #2
weiblich Lizard
 
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Ein Poet ist nie verzagt
Ist er es doch, der es noch wagt
In verstummten Zeiten
Worte zu verbreiten.
Und notfalls aller Rhythmik trotzt
Auch wenn sein Gegenüber motzt.
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Alt 30.04.2022, 08:54   #3
männlich Ex-petrucci
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Woran erkennt man Möchtegern?

A) Kopistentum
B) „ Regeln der Metrik

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Alt 30.04.2022, 09:15   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von petrucci Beitrag anzeigen
Woran erkennt man Möchtegern?
Am schlechten Deutsch, an den naiven Inhalten, am Nachkritzeln tausendfach ausgelutschter Ausdrücke, am kritiklosen Annehmen von Sprachverhunzungen aller Art - von Anglizisten bis zum Genderblödsinn -, an einem dürftigen Wortschatz und an einer totalen Selbstüberschätzung, die jeden Gedankenrülpser zur Kunst deklariert. Kurz gesagt: an der Schändung der Sprache.
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Alt 30.04.2022, 09:32   #5
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„Kurz gesagt: an der Schändung der Sprache.„

Sei froh, dass hier kein selbstbewusster Feminismus zu gegen ist.
Der würde dich sonst für diesen Ausspruch ans Kreuz nageln.

„Schändung“, „Vergewaltigung“, „Missbrauch“ dürfen nur im Kontext mit Frauen verwendet werden, da man weibliche Opfer damit sonst verhöhnen würde, würde man diese Begriffe aus dem Kontext reißen.

Du hast einerseits recht, wenn du sagst, wir leben in einer guten (goldenen) Zeit. Andererseits sind die Menschen alle nicht mehr ganz dicht.
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Alt 30.04.2022, 10:03   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von petrucci Beitrag anzeigen
Sei froh, dass hier kein selbstbewusster Feminismus zu gegen ist.
Der würde dich sonst für diesen Ausspruch ans Kreuz nageln.

„Schändung“, „Vergewaltigung“, „Missbrauch“ dürfen nur im Kontext mit Frauen verwendet werden, da man weibliche Opfer damit sonst verhöhnen würde, würde man diese Begriffe aus dem Kontext reißen.
Das halte ich erstens für eine blanke Theorie, zweitens ist es mir wurst. Feministinnen können mir ohnehin den Buckel runterrutschen, die haben für mich alle einen an der Klatsche. Nebenbei würde ich gerne von dir erfahren, wie die Begrifflichkeiten aussehen, wenn Männer vergewaltigt, von ihren Frauen misshandelt, verhöhnt und frei erfundener Taten bezichtigt werden, sollten die drei von dir genannten Begriffe tatsächlich Frauen vorbehalten sein. Ich bin mir sicher, dass du mit deiner Behauptung auf dem Holzweg bist.

Wer von sich behauptet, ein Sprachkünstler zu sein, soll mit Sprache wie ein Künstler umgehen oder es bleiben lassen. So einfach ist das.
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Alt 30.04.2022, 10:31   #7
männlich Ex-petrucci
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Das halte ich erstens für eine blanke Theorie,

Wer von sich behauptet, ein Sprachkünstler zu sein, soll mit Sprache wie ein Künstler umgehen oder es bleiben lassen. So einfach ist das.
Leider nicht, soll aber nicht heißen, dass es eine allgegenwärtige "Verstimmung" ist.

Um die Gunst wieder etwas herzustellen: Sylviane Dupuis.
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Alt 30.04.2022, 11:10   #8
männlich Heinz
 
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Liebe Lizard,
"Ein Poet ist nie verzagt" schreibst Du und es wäre schön, wenn das immer zuträfe. Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass der "junge" Poet ein Mensch ist, der im Werden ist. Genau wie die Zwerge haben große Poeten auch mal klein angefangen und sicherlich Phasen durchlebt - durchlitten -, in denen sie das Tintenfass wie weiland Luther am liebsten an die Wand geschmissen hätten. Manche nennen solche Episoden verschämt "künstlerische Pause" und erkennen erst später, dass auch der größte Optimist mal für drei Tage durch die Hölle gehen muss.
"... und notfalls aller Rhythmik trotzt" - ja, so ähnlich, allerdings in einem anderen Zusammenhang, hat Schiller gesagt; "Der Meister kann die Form zerbrechen. Mit weiser Hand, zur rechten Zeit". Ein anderer Friedrich (W. Weber) sprach: "Freiheit ist der Zweck des Zwanges, wie man eine Rebe bindet, dass sie, statt im Staub zu kriechen, froh sich in die Lüfte windet."
So, jetzt habe ich mal wieder meine bildungsbürgerliche Grundeinstellung aufgezeigt und wünsche Dir ein schönes Wochende!
Heinz
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Alt 30.04.2022, 11:38   #9
männlich Heinz
 
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Hallo Petrucci,
Du fragst: "Woran erkennt man Möchtegern?"
und antwortest:
A) Kopistentum
B) „ Regeln der Metrik“.
Wie Du von meinem Werklein zur Möchtegernproblematik gekommen bist, ist mit schleierhaft. Du setzt Regeln der Metrik in An- und Abführungszeichen und ich weiß nicht genau, was Du meinst.
Ich denke nicht, dass Du die Regeln der Metrik infrage stellst und merke natürlich bei blutigen Anfängern, dass sie berauscht von der eigenen Genialität Regeln außer Kraft setzen, die sie noch nicht einmal kennen.

Liebe Ilka-Maria,
Dein erster Kommentar bezieht sich eher auf Petruccis Frage, aber was die Antwort angeht, da stimme ich Dir zu.
Im zweiten Kommentar geht es um bestimmte Begrifflichkeiten ("Schändung der Sprache"). Ich selbst verwende diese Bezeichnung neben "Vergewaltigung" und manchmal "Amputation" und habe noch nie einen Gedanken daran verschwendet, ob es sich hierbei um feministisches Gedankengut handeln könnte.
Als gewiss kann gelten, dass die Schande, die Schändung, der Schandpfahl, die Vergewaltigung oder Amputation erfunden wurden lange bevor der Feminismus Einzug hielt.
Ad spectatores: Wir wäre es mit einer Rückkehr zu meinem Text?

Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 30.04.2022, 13:24   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Ad spectatores: Wir wäre es mit einer Rückkehr zu meinem Text?
Ich fürchte, dass ein Laie mit einer solchen Strophe bereits überfordert wäre:

Zitat:
Jamben, Daktylen, Trochäen oder Anapäste,
Amphibrachys, Hexa- und auch Pentameter schwirren
durch den Kopf und mancher denkt, es wäre wohl das allerbeste,
weiter aus dem Bauch zu schreiben, Bäuche können niemals irren!
Außerdem besteht ein großer Irrtum bei Anfängern darin, dass sie die Lyrik für die einfachste aller literarischen Disziplinen halten, vor allem wenn sie sich modern darin wähnen, reimlos zu "dichten". Bloß keine Zwänge! Das wäre zu mühsam, und letztendlich komme es allein auf die großen Gefühle an. Eine derartige Chuzpe hatten sich nicht einmal die Dichter der Romantik geleistet, in deren Lyrik sich bei näherer Betrachtung duchaus Zeitkritik und philosophischen Gedanken finden lassen.

Natürlich kann man aus dem Bauch heraus schreiben, wenn man über ein entsprechendes Sprach- und Rhythmusgefühl verfügt. Aber auch ein Naturtalent, das den Bogen schnell heraus hat, muss sich zunächst mit den Grundregeln befassen. Ob durch Theorie oder vieles Lesen ist dabei unerheblich, es gibt immer unterschiedliche Wege. Ein Travolta musste seine Tanzschritte nicht mehr mitzählen, sondern hatte sie lange genug eingeübt, damit sie fließend übers Parkett rauschten; und was die Eiskunstläufer in einer fast fünf Minuten langen Kür an Figuren hinlegen, ist bewunderswert. Das heißt allerdings auch, sie tagtäglich sechs bis acht Stunden lang einzuüben. Ein Maler muss über Farbenlehre, Materialien und Techniken Bescheid wissen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Kann er das nicht, bleibt sein Werk flach und bedeutungslos.

Es genügt nicht, ein paar billige Schlagertextchen alias "atemlos durch die Nacht" zu kennen, um zu wissen, wo Barthel den Most holt. Sprache besteht aus mehr als dem Alphabet und dem Zusammenkleben von Subjekt, Prädikat und Objekt. Und vermeintlich romantisches Mondscheingesäusel, ein von Verlassenheitsschmerz malträtiertes Herz und ähnlich platte Gefühlsduselei haben noch lange nichts mit guter Lyrik zu tun. Wer mit Sprache Kunst schaffen will, sollte ihr den nötigen Respekt erweisen und aus dem Potential schöpfen, das sie zur Verfügung stellt. Sonst bleibt sie so lächerlich wie der Kaiser ohne Kleider.
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Alt 30.04.2022, 13:40   #11
männlich Psychopath
 
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Zitat:
Feministinnen können mir ohnehin den Buckel runterrutschen, die haben für mich alle einen an der Klatsche.
Die meisten. Und Menschen, die Gleichberechtigung fordern, ebenfalls.
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Alt 30.04.2022, 14:51   #12
weiblich Lizard
 
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Lieber Heinz,
So gehe ich mit meinem langjährigen Leitspruch (ich weiß nicht woher) in die kreative Wochenendpause:
Wer ist Meister? Der was ersann.
Wer ist Geselle? Der was kann.
Wer ist Lehrling? Jedermann.
Und verspreche mir (nicht nur Dir) die Regeln der Kunst zu vertiefen. Um sie zuweilen ignorieren zu dürfen.
Grüße
Lizard
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Alt 30.04.2022, 16:36   #13
männlich Heinz
 
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Hallo Psychopath,
Menschen, die Gleichberechtigung wünschen, anstreben, fordern, sind mir sehr sympathisch.Vielleicht aus dem gleichen Grund, mit dem die Menschen der französischen Revolution überschrieben: Liberté, Égalité, Fraternité.
Viele von uns haben das unverdiente Glück, in einer Gesellschaft aufgewachsen zu sein, in der diese Vision von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wenigstens teilweise erfüllt ist. Die Ablehner, Ignoranten, Rückwärtsgewandten - gleichwohl aber Genießer, Nutznießer - sind mir ein Gräuel.
Heinz
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Alt 30.04.2022, 17:13   #14
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
f
Viele von uns haben das unverdiente Glück, in einer Gesellschaft aufgewachsen zu sein, in der diese Vision von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wenigstens teilweise erfüllt ist.
Ich finde, dass du das Spiel nicht ganz durchschaut hast, Heinz. Die Freiheit und Gleichheit galt nämlich immer nur für die Oberschicht. Das war vor allem bei unserem großen Vorbild, der angeblich ersten modernen Demokratie so, nämlich den U.S.A. Tatsache ist: Die Unterschichten hatten nichts zu melden.

Die sogenannten "Demokratien" waren so angelegt, dass der Geldaldel nach wie vor das Sagen hatte. So war die Politik ausgelegt, und so waren die Geldhäuser ausgelegt. Kein Reicher hatte ein Interesse daran, dass ihm ein Arbeiter, Sklave oder Tagelöhner in die Suppe spuckte. Man war unter sich, und so sollte es bleiben. So ist es bis heute geblieben.

Nur, dass wir heute dadurch einen Rechtsruck erfahren, der uns zurückkatapultiert in einen Nationalismus, den wir fälschlicherweise als überwunden glaubten.

Soll sich jeder selber Gedanken darüber machen, wohin das führt.

Hast du wirklich jemals geglaubt, die "Demokratie" sei für das Volk in die Welt gesetzt worden? Sie ist eine Ideologie, wie viele vor ihr.
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Alt 30.04.2022, 18:29   #15
männlich Heinz
 
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Liebe Ilka-Maria,
ich bin nicht ganz so pessimistisch wie Du, aber auch nicht so blauäugig, wie es in meinen Antworten auf Psychosomathen aussehen mag.
Dass unser Gesellschaftssystem sich weiter verändern muss - keine Frage.
Fast zehn Jahre gehörte ich zu dem Mitarbeiterkreis um Prof. P.C. Dienel, Bergische Universität Wuppertal, der sich genau dieses Segment der Zukunftssicherung zur Lebensaufgabe gemacht hat. Er wollte das wacklige Gebäude "Demokratie" mit neuartigen Elementen menschenfreundlicher gestalten und ist auf große Schwierigkeiten gestoßen. Ich hatte mal in einer Diskussion behauptet, eine der Aufklärung verpflichtete monarchische Verfassung sei das Beste für uns. (Da waren noch mehr romantisierende Ideen in meinem Kopf, aber ich bin nicht mehr in der Lebensphase, in der feuerköpfige Revolutionäre die Welt neu erfinden. Ich fühle mich in einer kontemplativen Phase, zu der auch gehört, auf das Geschaffene zu schauen).
Wir fesseln keine Übeltäter an einen Schandpfahl und fügen ihm Höllenqualen zu, wir kennen keine hochnotpeinlichen Verhöre mit unmenschlichen Foltern, wir haben über 30% Frauen im Parlament, in Schweden und/oder Finnland sind es noch mehr, die Frauen müssen ihre Männer nicht mehr um Arbeitserlaubnis bitten, die "Durchstiegs- oder Aufstiegschancen" von (beinahe hätte ich sagt "vom armen Köhler) von Mitgliedern des Prekariats sind ungleich größer als vor 100 Jahren usw.
Der harte Schnitt, den sich manche vom Sieg des Kommunismus versprochen haben (Abschaffung des Adels, Enteignung der Schloss-, Wald- und Grundbesitzer - "Junkerland in Bauernhand" - hatte in der DDR die Spätfolge, dass man die Parole umdichtete und von "Bauernland in Bonzenhand" sprach.
Adlige, die man brauchte (wie die Kodderschnauze Karl-Eduard von Schnitzler vom "Schwarzen Kanal" der DDR oder den Pionier der Funk- und Fernsehtechnik, Manfred von Ardenne, der für den NS-Staat Atomforschung betrieb, um seine Dienste bei Kriegsende dann den Sowjets anzubieten. 1955 kehrte er in die DDR zurück und führte sein privates Institut bis zur Wende erfolgreich weiter.
Von der Metamorphose des Juso-Vorsitzenden (1979) zum Parteivorsitzenden (1999), weiter zum Ministerpräsidenten(1990) Niedersachsens und vorletztens zum Bundeskanzler Deutschlands und dann (der Schmetterling kroch aus dem Kokon) zum Lobbyisten Putins - man könnte verzweifeln und blickt doch nur auf allzu Menschliches.
Und - trotz alledem und noch viel mehr - will ich mir den Blick nicht verstellen lassen. Und auch wenn wir verlorene Kinder sind und Fortuna immerzu nur herum flog, aber nicht bei uns dauerhaft landete, bleibt die Verheißung (und das sagt ein Atheist):
"Unsterbliche heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor."
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 30.04.2022, 20:19   #16
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Alles richtig, Heinz. Dennoch: Von einer Demokratie im Sinne von Volksherrschaft sind wir weit entfernt. Im Kapitalismus hat es sich nicht mehr gelohnt, Menschen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, denn an den Maschinen sind sie nützlicher. So nüchtern muss man das sehen. Sprach man früher von Sklaven und Lohnarbeitern, spricht man heute von "Human Resources". Wir dürfen wählen gehen, aber im Grunde ist es die Wahl zwischen den Metzgern mit den schärfsten Messern und den Metzgern mit den Maschinen, die uns am effektivsten den Hals durchschneiden. Wir sind Fußvolk und Zuarbeiter, die mit Samstagsabendsshows im Fernsehen bei Laune gehalten werden. Wer sich traut, ein bisschen nachzudenken, wird mit Klimascheiß und Maskenpflicht auf Trab gehalten, damit er bloß nicht auf gehaltvollere Ideen kommt. Ganz Deutschland ist nur noch ein Kolosseum, in dem fröhliche Spiele stattfinden und ein Puppenkasper namens Scholz sich überwinden muss, das Tuch aus der Hand fallen zu lassen.

Jahrelang war es verpönt, zu sagen: Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein." Heute müsste man sich für einen solchen Satz bis tief in den Boden schämen, aber aus ganz anderen Gründen.
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Alt 30.04.2022, 23:58   #17
männlich Heinz
 
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Liebe Lizard,
dieses alte deutsche Sprichwort schrieb einst mein Vater auf ein Blatt Papier und legte es in die Mappe meines Knappenbriefes (ich war Bergmann und der Knappe war der Geselle, so wie der Hauer damals der Meister war).
Beim Poeten, ich spreche von den großen, wahren Poeten, reicht der Spruch nicht ganz aus. Jedermann ist Lehrling (tja, unsere spracheformenden Vorfahren kannten den Genderismus noch nicht), der Geselle - wenn Kunst von Können kommt - ist schon Künstler/Kenner und der Meister denkt sich was aus, erfindet, konstruiert.
Und nun kommt der Poet: Einem Gott gleich streckt er die Hand aus und lässt zu seiner Lust aus dem Nichts heraus, sagen wir, eine Blume entstehen. Und so etwas macht er seit Milliarden von Jahren mit noch mehr Schöpfungen aller Art.
Da ich wider Erwarten nach diesen Zeilen Atheist bin, muss Dich nicht stören. Hölderlin (in seinem Gedicht "An die Parzen") sagt:
"Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht. Doch ist mir einst das Heil'ge, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen - willkommen dann, o Stille der Schattenwelt, zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel mich nicht hinab begleitet. Einmal lebt ich wie Götter - und mehr bedarfs nicht".
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 01.05.2022, 20:21   #18
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Lieber Heinz,

der Spruch - da habe ich ins Schwarze Deiner persönlichen Ebene getroffen - erinnert mich tatsächlich an die "Weisheiten" meiner Großmutter.
Sie hatte mir stets zu verstehen gegeben, dass ich weit von höheren Erkenntnisstufen entfernt sei. Was ich damals, der jugendlichen Natur entsprechend, meinte, besser zu wissen.
Mein Großvater war im Bergwerk gefallen, mein Vater hatte untertage seinen ersten Lohn erhalten. So scheint der Spruch doch zu passen. Und ich verstehe ihn ähnlich wie Du.

Selbst war ich am Wochenende eher kontemplativ/kreativ im Kloster unterwegs (herrlicher Gegensatz zu Deiner Aussage, nicht wahr?). Eine Klausur im Rahmen meines Ehrenamts, dem ich übrigens nur zustimmen konnte, da "Zweifler willkommen" seien.
Mich haben Deine Zeilen jedenfalls bewegt, Nietzsches Zarathustra hervorzukramen. Danke also auch für diese Inspiration.

Zu den Poeten oder Kunst im allgemeinen:
Es bedarf in der schaffenden Kunst doch einer Radikalität - Du sprachst bereits vom Leiden des Poeten - die meines Erachtens wichtig für den Schritt ins wahre Künstlertum ist.
Radikalität aber ist mir selbst fremd. Zumindest ist sie kein übergeordnetes Ziel. Übrigens auch nicht im politischen Diskurs.

Ich spreche daher eher von der Lust, Neues zu schaffen. Oder vom kreativen Funken. In Wort und Bild. Der Mut, das eine oder andere Werk fremden Betrachtern zu zeigen, führt zu tieferer Auseinandersetzung. Mit dem Geschaffenen. Mit sich.

Poetin bin ich also nicht. Wortgewandt? Doch sicherlich.

Liebe Grüße
Lizard
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Alt 01.05.2022, 20:36   #19
männlich Heinz
 
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Liebe Lizard,
auch ich wage es nicht, die Bezeichnung "Poet" auf mich anzuwenden. Aber das Schicksal hat es gut mit mir gemeint, denn mein Wohnort heißt Reimershagen.
(Zum Reimen habe ich mich schon oft geäußert, aber "Reimer" kann auch über des Wortes Bedeutung hinaus für Schreiberlinge angewendet werden, siehe die Loewe-Ballade "Tom, der Reimer, saß am Bach". Umfriedet von Hecken sitze ich also in meinem Hag und reime so vor mich hin).
Zu meiner bergmännischen Vergangenheit: Erstens liegt sie einige Jährchen zurück, zweitens war das eh nicht mein Wunschberuf. Knapp zehn Jahre war ich im Steinkohlenbergbau als Berglehrling, Knappe, Hauer und Schießmeister.
Da es in Deiner Familie auch Bergleute gegeben hat, ist mein Gruß "Glück Auf!" Dir ja wohl bekannt.
Also: Glück Auf,
Heinz

Geändert von Heinz (02.05.2022 um 02:24 Uhr)
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Alt 03.05.2022, 00:04   #20
männlich Flocke
 
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Standard Ich bin deine Zielgruppe

Ein interessantes Werk!
Vielleicht passt das Wort "Werklein" besser - so nennst du dein Gedicht "bescheiden". Es ist an die "Nachwuchsdichter" gerichtet. Und will ihnen offensichtlich Mut machen.

Ich zitiere eine Bemerkung von Schiller, die ich als Leitmotiv für meinen Beitrag ausgewählt habe. Es war wiederum Heinz, der das Zitat in anderen Zusammenhang hier in das Forum einführte:
Zitat:
Der Meister kann die Form zerbrechen. Mit weiser Hand, zur rechten Zeit.
__________________________________________________ ______________


Und wieder beginne ich mit einem Zitat des umtriebigen Autors Heinz, der weg wollte von allgemeinen Diskussionen in seinem Thread und hin zu Kommentaren, die sein Gedicht ins Auge fassten. Er fand in einem Beitrag die auffordernden Worte:
Zitat:
Ad spectatores: Wir wäre es mit einer Rückkehr zu meinem Text?
Hallo Heinz!
Also dann! Jetzt kommen meine Bemerkungen zu dem Gedicht: An die jungen Poeten.

Ich habe Schwierigkeiten, mir die Zielgruppe "junge Poeten" vorzustellen;
"verzagt" sollen sie also sein ob der Intention, das "tobende Innere" in eine Gedichtform zu binden, die "Sinn" macht und sich zur gleichen Zeit in ihrer "Schönheit" zeigt. Dabei seien "Folgsamkeit" und "Fügsamkeit", die Metrik betreffend, unverzichtbar, auch wenn das Bauchgefühl sich dagegen stemmen sollte.
Die Frage, wie eine gelungenes Gedicht entstehen kann, kulminiert in dem wichtigsten Ratschlag:
Zitat:
es muss vom Herzen dir kommen!
So könne, auf "Pegasus" aufsitzend, ein "Werklein" entstehen. (geflügeltes Pferd, Sohn von Poseidon und Medusa, Symbol der dichtenden Gemeinschaft). Der "junge Poet" aus dem öden Deutschland kommend, würde zum gereiften "Poete" englischer oder „Poète“ französischer Coleur aufsteigen. Unter seinen von Lorbeer umkränzten Haarlocken vernähme er seine wohltuenden, verdienten und ihn erfreuenden "silberhellen Ruhmesglocken". Schon in der ersten Strophe erwähnte das lyrische Ich schon seinen ausgeprägten und ersehnten Wunsch auf dieses Lob.

Deine Sprache kommt mir altertümelnd vor, nostalgisch und einige Ausdrücke klingen niedlich ("Werklein", "zu Gemüt mir"). Stände der "Poete" mit den "gekränzten Haareslocken" auch noch nackt in der Mitte eines Marmorspringbrunnens, dann wäre die Kitschzone erreicht.

Mein Eindruck von vielen "jungen schreibenden Menschen" ist nicht, dass sie
ein ästhetisch ansprechendes Gedicht schreiben und dass sie damit dann den Nachweis erbringen wollten, wahre Poeten zu sein. Und sich dann über ein Lob aus berufenem Mund freuen würden.
Ich sehe viele, die für ihre schrecklichen Erfahrungen (und das kann durchaus der erste oder zweite Liebeskummer sein) und für ihr verletztes und schmerzhaftes Innenleben eine adäquate Sprache suchen. Auf diese Weise wollen sie mit dem Erlebten und Gefühlten zu Rande kommen und ihr Trauma überwinden. Konventionelles Sprechen ist ihnen zu oberflächlich, unspezifisch und deswegen unangemessen für diese starken inneren Erfahrungen. Mit ihr sei ihr individueller Schmerz, die Intensität des Erlebten nicht einzufangen. Es muss da doch etwas sehr viel tiefer gehendes geben!, so denken wohl viele. Gedichte dagegen können ein sehr gutes, vielleicht sogar ein adäquates Ausdrucksmittel sein! (künstlerische Tätigkeiten wie Musik und speziell Songs haben ein ähnliches Image.) Und das spüren diese jungen Menschen.
Ich fürchte deine "Rat"schläge reichen nicht bis zu dieser Generation, sondern nur bis zu einer nicht ganz kleinen Gruppe von eher älteren Menschen mit einem humanistischen (kann man das heute noch so nennen?) Hintergrund.
Zu den „Jungen“, insb. den jungen Frauen mit dem schüchternen Augenaufschlag und den zart schwellenden Brüsten beim Anblick einer Autogrammkarte von Johann Wolfgang von Goethe, reicht deine und auch meine poetische Aura nicht hinne. Sie suchen suchen keine Erbauung unter deiner Mithilfe, der sie in den Tanzball der basslastigen Anapäste, des schnellen Walzers der Daktylen oder in den Foxtrott der Dichtung, den unvergleichlichen Jambus einführt. Sie wollen in ihrer ganz besonderen individuellen Art wahrgenommen und unterstützt werden. Ihnen ist es erst mal egal, in welcher dichterischen Form eine Begegnung stattfindet. Und ob es überhaupt Lyrik das Medium der Begegnung sein wird.
Du sagst selbst an anderer Stelle:
Zitat:
So, jetzt habe ich mal wieder meine bildungsbürgerliche Grundeinstellung aufgezeigt.“
Diese Grundeinstellung gilt, glaube ich, heutzutage nicht mehr als sexy!
Achtung nach dieser Entäuschung folgt der Schrecken. Jetzt kommt es noch schlimmer:
Ich befürchte, dass „ich“ einer aus deiner wahren Zielgruppe bin. Mich erreichst du mit deinen pädagogischen Impetus. Ja, du triffst mich, um eine deiner Metaphern zu nutzen, über den Umweg meines "Gemütes" mit deinen Gedanken mitten in mein Herz. Ich bin wirklich begierig, Neues zu lernen, wie Gedichte funktionieren, was das Metrum leistet, wie „wahr“ Dichtung sein kann. Ich beschäftige mich noch nicht so langer Zeit wieder mit Gedichten und hab noch viel zu lernen und will es auch. Ich halte die Lyrik für die beste Sprache, um Wirklichkeit zu beschreiben und sie zu verstehen! Nie wollte ich ein Bildungsbürger sein, trotz mannhafter Versuche bin ich es immer geblieben. Eklektisches Wissen in Übermaß, eine zähe Hassliebe zu Schuldgefühlen und versteckte Eitelkeit sind die wichtigsten Pfeiler, die ich mir geschaffen habe, um in unserer Welt zu überleben.
Wir sind Brüder im Geiste oder zumindest Schwippschwager im selbigen Sumpf.

Aber eigentlich wollte ich ja gerne zu deiner Kernkompetenz kommen, zur Metrik, speziell hier in diesem Gedicht.

1. Strophe: 5-hebiger Jambus

2. Strophe 1. Zeile : 5-hebiger Jambus
2,3,4 Zeile : 4-hebiger Daktylus

3. Strophe 1. Zeile zwei Anapäste, drei Jamben
- 2. Zeile 7 Trochäen
- 3. Zeile 9 Trochäen
- 4. Zeile 8 Trochäen

4. Strophe 1. Zeile: zwei Jamben, zwei Daktylen
- 2, 3,4 Zeile: ein Jambus, drei Daktylen

5. Strophe 6-hebige Trochäen

6. Strophe 1,2 Zeile 5-hebiger Daktylus
- 3 Zeile Jambus-Daktylus-Jambus-Daktylus
- 4 Zeile: Trochäus-Jambus-Daktylus-Jambus-Daktylus

Das sind meine Vorschläge. Natürlich gibt es auch andere Interpretationen und vielleicht habe ich mich auch mal verzählt. Hier ein Beispiel, wie das Metrum unterschiedlich gesehen werden kann:
Zitat:
Was du auch dichtest, es muss vom Herzen dir kommen
.
xX xX x // xX xX xxX x oder
Xxx Xx // xX xX xxX x
Einer will am Anfang der Zeile einen Jambus erkennen, ein anderer einen Daktylus.

Heinz brilliert in diesem Gedicht, indem er verschiedene Metren durchprobiert und an einigen Stellen mit ihnen spielerisch umgeht.
Ich unternehme einen kurzen Spaziergang durch das Gedicht, um die Metren zu identifizieren und ihre Funktion einzuordnen.

1) Der aufsteigende Jambus passt zu den „verzagten“ Fragen in der ersten Strophe.

2) Der Dreier-Takt des Trochäus fügt dann in der zweiten Strophe den vorsichtigen Schritten der ersten Strophe eine weitere, eine dritte Silbe hinzu. Der einfache Takt zuvor3) wird unbefangener, tänzelnd und dynamischer.

3) In der dritten Strophe gelingt es Heinz, zwei Anapäste hintereinander zu präsentieren. Ansonsten werden die Zeilen, mit einem jambischen Versfuß unterlegt, lang und länger: 16 Silben in der dritten Strophe! Man könnte die extreme Länge in diesen Zeilen als einen Versuch sehen, das weitläufige und komplizierte in dem Thema „Metrum“, das in dieser Strophe benannt wird, in dieser gelängten Form wiederzuspiegeln.

4) Die vierte Strophe umfasst wieder weniger Silben auf ein geläufiges Maß hin: 11 Silben.
Nach den dominierenden langen und ermüdenden Zeilen der vorherigen Strophe bringen Jamben und vor allem die Daktylen wieder mehr Lebendigkeit und unterstreichen die Freude über das Gelingen des Gedichtes.
5) Die fünfte Strophe hat sich streng an den Trochäus gebunden, der ununterbrochen durch die vier Zeilen treibt, da auch die Kadenz klingend ist. Der Leser wird zügig durch die Ehrungs-Maschinerie gezogen. Der vorherrschende Modus des Imperativ unterstützt diesen schnellen Move durch diese Strophe.

6) Die ersten zwei Zeilen der letzten Strophen wechseln wieder auf den Dreitakt (5-hebiger Daktylus).
War die vorletzte Strophe ein Bericht über die Überreichung des Dichterlohns, reflektiert das lyrische Ich nun sein „Werklein“. Der Daktylus bremst das Sprechtempo, die 15 Silben längen die Strophen; diese Form unterstreicht die Beobachtungen des „kritischen Auges“ mit einer ruhigeren und besinnlicheren Sprache.
Und die letzten beiden Zeilen zeigen sich am Ende jetzt mit den wechselnden Jamben, Trochäen und Daktylen variantenreich, spielerisch und nach allen Seiten offen. Sie demonstrieren einen souveränen Versfußgebrauch, ohne von vermeintlich strengen Vorgaben eingebremst zu werden.


Nun noch ein paar Hinweise und Fragen:

Zur auf mich nostalgisch wirkenden Sprache habe ich schon etwas gesagt!
In dem Metaphern- und Begriffsgemenge um „verzagt“, „folgsam“, „fügsam“,„Zauber“, „Poete“, „Pegasus Rücken“, „Lorbeer umkränzte Locken“, „silberhelle Ruhmesglocken“, „gedreckselt“ und „Werklein“ finden sich einige Sätze, die zwar grammatisch korrekt sind, aber nicht dem alltäglichen Gebrauch folgen:
Zitat:
Zitat:
1) gehorche folgsam ich des Reimes Zwängen
das Pronomen „ich“ und das Adjektiv „folgsam“ sind hier vertauscht.
Zitat:
Zitat:
2) dir ist so, als sei das Gedicht dir gelungen
das zweifache „dir“ wirkt unglücklich!
Zitat:
3) „Was du auch dichtest, es muss vom Herzen dir kommen“
„Herzen“ und „dir“ sind vertauscht!

Wie gesagt, diese Sätze sind nicht falsch, ich empfinde sie als unelegant.
Solche in sich verdrehten Sätze finden wir häufig bei Poem-Beginners. Mit diesen Umstellungen wollen sie das Metrum retten.

Zitat:
4) vor allem hab ich den Rat zu Gemüt mir genommen
→ im Deutschen gibt es diese Wortzusammenstellung nicht. Allgemein gebräuchlich ist die Fassung: „zu Gemüte führen“.
Heinz hat also hier einen Neologismus gebastelt.


Hier noch eine weiterführende Beobachtung!

In Heinzens Gedicht nun passen diese Satzdeviationen gut zu den leicht altertümelnden Bildern um den Lorbeerruhm und generieren zusammen ein (scheinbar) gehobenes Sprachniveau, das aber nur eine nostalgische Erfindung ist. Auch diese Mischung von scheinbar gehobener Sprache und ältlichen Metaphern mit vornehmlich mit antiken Bezug findet sich häufig:

5) In der 4, Strophe finden sich am Ende der Zeilen 1,3 und 4 die reimenden Worte:
„gerungen“, „gelungen“, „geschwungen“.
Die zweite Zeile findet kein reimendes Pendant und muss alleine stehen:
„gewählt“
Eine solche Reimwahl kann Sinn machen. Würde z.B. in dieser Zeile der zentrale Gedanke des Gedichts benannt, könnte diese Reimverteilung ein Stilmittel sein. Diese besondere Zeile wäre eben besonders geknnzeichnet. Die Zeile aber, die mit „gewählt“ endet, trägt nun inhaltlich nichts Besonderes oder Herausragendes in sich. Deswegen finde ich den fehlenden Reim als störend.
Ich vermute, dass ein Flüchtigkeitsfehler dahinter steckt. Mir ist Ähnliches auch schon passiert.


6) Ich habe Schwierigkeiten, den folgenden Reim in deiner zweiten Strophe als solchen zu erkennen:
Zitat:
beachte ich fügsam die Regeln der Metrik
wo bleibt dann der Zauber der himmlischen Lyrik?
„Metrik“ und „Lyrik“ werden beide schon im alltäglichen Gebrauch auf der ersten Silbe betont. Die Zeilen enden mit klingenden Kadenz, wobei der letzte Daktylus katalektisch ist, weil er nur aus zwei Silben besteht. Dementsprechend unterstützt auch der daktylische Versfuß die Betonung auf die vorletzte Silbe.
Z.B. Wikipedia sagt uns:
Zitat:
Der Reim ist im weiteren Sinne eine Verbindung von Wörtern mit ähnlichem Klang. Im engeren Sinne ist der Reim der Gleichklang eines betonten Vokals und der ihm folgenden Laute
.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Reim)

Also: es gibt nur einen Gleichklang der unbetonten letzten Silben, aber keinen Reim, der ja mit der letzten betonten Silbe einer Zeile beginnen muss!
In diesem Zusammenhang möchte ich dich an deine Polemik zum Gedicht “Testament“ von seren erinnern (https://www.poetry.de/showthread.php?t=98255):
Dort finden wir den gleichen Fehler. Wenn auch die betonten Silben sich in diesem Fall ähneln.
Du schreibst dort:
Zitat:
Leider stimmt der erste Paarreim nicht, sonst hätten wir ein Musterbeispiel für paargereimten Quacksus Maxus.
Auch hier suchst du zu reimen, aber dieser Reim arbeitet nur unsauber
:
Quacksus - Maxus
Wir haben den gleichen Fehler zweimal innerhalb nur wenige Tage auseinander liegenden Tage in den Texten des Autors gefunden. Und der zweitgenannte Reimfehler diente sogar aus der Sicht eines vermeintlich weit überlegenden Wissens als „griffiges“ Argument gegen eine missliebigen Autorin. Er kam in polemischer Weise zur Anwendung, ein falscher Fehler sozusagen.

Grüße Flocke
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Alt 03.05.2022, 00:47   #21
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Zitat:
das zweifache „dir“ wirkt unglücklich!
Zitat:
3) „Was du auch dichtest, es muss vom Herzen dir kommen“
„Herzen“ und „dir“ sind vertauscht!

Wie gesagt, diese Sätze sind nicht falsch, ich empfinde sie als unelegant.
Solche in sich verdrehten Sätze finden wir häufig bei Poem-Beginners. Mit diesen Umstellungen wollen sie das Metrum retten.
Hier habe ich einen Einwand. Verändert man die Syntax in "es muss dir von Herzen kommen" könnte ein Missverständnis entstehen, das je nach den frivolen Kapazitäten des Lesers entweder zu Ratlosigkeit oder zum Schmunzeln führen könnte. Es gibt zwar im Deutschen viele Möglichkeiten des lockeren Umgangs mit der Syntax, ohne dass sich der Sinn eines Satzes dadurch verändern würde, aber manchmal ist es dennoch ratsam, auf die gängige Idiomatik zu achten.

Ich bin überzeugt, dass sich Heinz in diesem Fall bei dem Arrangementl der Syntax etwas gedacht hat.

LG
Ilka
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Alt 03.05.2022, 00:47   #22
männlich Heinz
 
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Hallo Flocke,
nach der richtigen Zuordnung gilt, was ich geantwortet hatte: Ich werde ausführlicher antworten, habe heute aber keine Zeit mehr.
Gruß,
Heinz
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Alt 03.05.2022, 00:58   #23
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Liebe Ilka-Maria,
ja, mit dem Herzen hab ich es schwer. Im Hinterkopf hatte ich ein kleines Gedicht von - na, von wem wohl? - Goethe. Der Originaltext ist:

Denn es muss von Herzen gehen,
Was auf Herzen wirken soll.

(XxXxXxXx
XxXxXxX)

Die leichte Abänderung:

"Was du auch dichtest, es muss vom Herzen dir kommen"

hat was mit dem gewählten Versfuß zu tun (XxxXx-xXxXxxXx)

Goethe hatte den Trochäus gewählt, ich nicht. Das ist das ganze Geheimnis.
Gruß,
Heinz
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Alt 03.05.2022, 19:21   #24
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
hat was mit dem gewählten Versfuß zu tun (XxxXx-xXxXxxXx)
Ist mir schon klar, dass es auch mit dem Versfuß zu tun hat. Mir scheint, es handelt sich um eine Mischung als Daktylus und Amphibrachys. Es gibt eben viele Gründe, mit der Syntax zu variieren. Ich habe nie verstanden, weshalb das manche Leser so kritisch-kleinlich sehen, denn gerade unsere deutsche Sprache lässt das freie Spiel damit weit großzügiger zu als zum Beispiel die englische und französische Sprache.
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Alt 03.05.2022, 22:53   #25
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Ich habe nie verstanden, weshalb das manche Leser so kritisch-kleinlich sehen, denn gerade unsere deutsche Sprache lässt das freie Spiel damit weit großzügiger zu als zum Beispiel die englische und französische Sprache.
Ich kann nicht für die Allgemeinheit sprechen, aber es gibt nichts Schlimmeres als eine Sprache, die nicht in sich fließend klingt. Warum Lyrik "Lyrik" heißt, will ich nicht erläutern, ich schätze, dass das hier jeder wissen wird. Man muss hierbei jedoch Obacht geben, denn Songtexte sind eigentlich keine Lyrik. So gesehen ist die deutsche Sprache dann doch recht limitiert hinsichtlich "inversiver" Fallen. Jedenfalls limitierter als das Englische oder gar Französische. (Als Dichter der französischen Sprache, würde ich irre werden, noch viel schlimmer ist portugiesisch).

Als kleines Beispiel für gelungene deutsche Dichtung, hier ein Werk (so denn rechtlich vertretbar) von M. Kaleko:

Mascha Kaléko
Interview mit mir selbst + Post Scriptum
Anno Zwounddreißig

Ich bin als Emigrantenkind geboren
In einer kleinen, klatschbeflißnen Stadt,
Die eine Kirche, zwei bis drei Doktoren
Und eine große Irrenanstalt hat.

Mein meistgesprochnes Wort als Kind war »Nein«.
Ich war kein einwandfreies Mutterglück.
Und denke ich an jene Zeit zurück -
Ich möchte nicht mein Kind gewesen sein.

Im Ersten Weltkrieg kam ich in die achte
Gemeindeschule zu Herrn Rektor May.
Ich war schon sechs, als ich noch immer dachte,
Daß, wenn die Kriege aus sind, Frieden sei.

Zwei Oberlehrer fanden mich begabt,
Weshalb sie mich, zwecks Bildung, bald entfernten.
Doch was wir auf der Hohen Schule lernten,
Ein Volk »Die Arier« ham wir nicht gehabt.

Beim Abgang sprach der Lehrer von den Nöten
Der Jugend und vom ethischen Niveau.
Es hieß, wir sollten jetzt ins Leben treten.
Ich aber leider trat nur ins Büro.

Acht Stunden bin ich dienstlich angestellt
Und tue eine schlechtbezahlte Pflicht.
Am Abend schreib ich manchmal ein Gedicht.
Mein Vater meint, das habe noch gefehlt.

Bei schönem Wetter reise ich ein Stück
Per Bleistift auf der bunten Länderkarte.
An stillen Regentagen aber warte
Ich manchmal auf das sogenannte Glück.

Post Scriptum
Anno Fünfundvierzig

Inzwischen bin ich viel zu viel gereist,
Zu Bahn, zu Schiff, bis über den Atlantik.
Doch was mich trieb, war nicht Entdeckergeist,
Und was ich suchte, keineswegs Romantik.

Das war einmal. In einem andern Leben,
Doch unterdessen, wie die Zeit verrinnt,
Hat sich auch biographisch was ergeben:
Nun hab ich selbst ein Emigrantenkind.

Das lernt das Wörtchen »alien« buchstabieren
Und spricht zur Mutter: »Don’t speak German, dear.«
Muß knapp acht Jahr alt Diskussionen führen,
Daß er »allright« ist, wenn auch nicht von hier.

Grad wie das Flüchtlingskind beim Rektor May!
Wenn ich mir dies Dacapo so betrachte…
Er denkt, was ich in seinem Alter dachte:
Daß, wenn die Kriege aus sind, Frieden sei.
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Alt 04.05.2022, 00:20   #26
männlich Heinz
 
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Hallo Petrucci,
zu Mascha Kaléko:
Albert Einstein hat mal in einen Brief an die Dichterin geschrieben:
"Ich habe Ihre Gedichte mit wirklicher Bewunderung gelesen. Sie haben mir solchen Eindruck gemacht wie Weniges aus unserer Zeit."
Ein anderer, ich glaube, es war Tucholsky, sah Mascha K. in der Nachfolge Heinrich Heines.
Wenn es Deine Absicht war, uns an Mascha Kaléko zu erinnern, habe ich nichts dagegen. Aber was hat das mit meinen Faden zu tun?
Setz Dich hin und schreib ein Gedicht auf sie und versuch, ihre sprachliche Brillanz ansatzweise zu erreichen.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.05.2022, 01:09   #27
männlich Ex-petrucci
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Setz Dich hin und schreib ein Gedicht auf sie und versuch, ihre sprachliche Brillanz ansatzweise zu erreichen.
Liebe Grüße,
Heinz
Mich interessiert ein Links, Rechts, Oben und Unten nicht.
Idealisierung halte ich für vage, unmündig und hinderlich.

Mir gefallen nicht alle Werke von Kaleko - ich finde Lavant interessanter.
Aber dies oben gezeigte Werk, darf gern exemplarisch für die Schönheit deutscher Dichtung stehen (Schlichtheit wiegt mehr als Schnörkel) und ja, mit deinem „Gedicht“ hat es wenig zu tun, wohl aber mit den Zusammenhängen, das es aufruft.

Und darum geht es doch hier im Forum?
Hier wird viel erzählt, aber wo sind die schönen Gedichte?
Etwa Geschichte?
Ex-petrucci ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.05.2022, 01:39   #28
männlich Heinz
 
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Lieber Petrucci,
ich gebe mir ja Mühe, Deinen Gedankengängen zu folgen.
Deine abschließende Frage ist kaum zu beantworten: Wo sind die schönen Gedichte?
Ich sag mal so: Wer sucht, der findet. Zwei Hinweise sollen Dir helfen.
Zum einen kannst Du an der Anzahl und dem Inhalt der Kommentare erkennen,
was von anderen Usern als lesenswert und schön empfunden wird, zum anderen gibt es die Möglichkeit die Gedichte aufzustöbern, die von anderen zu Favoriten erwählt werden. Letzte Möglichkeit: Selbst welche schreiben.
Ich selbst bin ständig auf der Suche, versuche auch, die Spreu vom Weizen zu trennen. Zu Kommentaren motivieren mich dreierlei Beiträge
1. ich finde das kommentierte Gedicht gut
2. ich finde das Gedicht grottenschlecht
3. ich glaube, auch bei schwachen Gedichten ein schlummerndes Talent zu erkennen.
Es gibt noch eine Kategorie: Gedichte, die so banal und handwerklich so stümperhaft sind, dass es den Schweiß des Edlen nicht wert ist, sie zu kommentieren.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.05.2022, 17:41   #29
SanPellegrin
 
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Beiträge: 1

Standard Hi Heinz

Hi Heinz,
ich finde dein Gedicht ganz schön und ich finde es hat seine absolute Daseinsberechtigung. Meiner Meinung nach sollte es hier weniger negative Energie geben, weil das Schönste an Kunst und damit auch an deinem Gedicht ist doch, dass es dem eigenen Ausdruck dient. Kunst hilft, zu sich selbst zu finden und sich auszudrücken. Dein Gedicht behandelt dieses Thema im Bezug auf erste Berührungspunkte mit der Lyrik. Wenn es jemandem nicht gefällt ist das in Ordnung, gerne auch schreiben, warum man sich damit nicht identifizieren kann. Aber als Außenstehende wirken doch einige Kommentare sehr verbittert und aggressiv, was nun wirklich nichts mit dem Inhalt deines Gedichts zu tun hat. Lasst Kunst Kunst sein und gönnt den anderen einfach mal. Entspannt euch, jeder hat seinen eigenen Zugang zur Lyrik und das ist völlig ok so, egal ob eher emotional oder analytisch. Für Gleichberechtigung sollte man immer sein, deswegen sofort gegen Feminismus zu sein, finde ich fragwürdig.
Liebe Grüße
SanPellegrin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.05.2022, 19:50   #30
männlich Heinz
 
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Hallo und guten Tag und - nicht zu vergessen: Herzlich willkommen im Forum!
Ich denke, es ist alles richtig, was Du sagst. Für Deine Zustimmung zu meinem Gedicht: Herzlichen Dank!
Was die mehr oder weniger bissigen Kommentare angeht: Da bin ich Schlimmeres gewohnt.
Zum Feminismus ganz kurz: Ich bin für die absolute Gleichberechtigung der Frauen, aber Begriffen gegenüber, die mit ...mus enden, immer ein bisschen misstrauisch. Mein Gedicht (ich benutze den Begriff nicht gern, weil ich an ein Gedicht sehr hohe Ansprüche stelle) handelt von einer jungen Person (das habe ich unter "jungen Poeten subsummiert), die am Anfang ihrer Laufbahn als Poet steht. Ich erinnere mich noch gut meiner stümperhaften Anfänge, die Konzentration auf metrische Kenntnisse und auf meine Ablehnung der Ansicht, am besten schriebe man aus dem Bauch heraus. Mein Bauch, ja, der knurrt manchmal oder passt nicht mehr in die Hose, weil sie nachts von irgendwelchen Monstern enger gemacht wurde, aber ein Gedicht hat mir mein bauch noch nicht geliefert. Es soll von Herzen kommen - mhhh, das hat ja eigentlich genug damit zu tun, meinen Blutkreislauf auf Trab zu halten, ist aber dem Gehirn, wo sich alles abspielt, um einiges näher.
Eine Strophe wie:
"Lass Poete, dich nun preisen, nimm den Lorbeer
stolz entgegen, kränze deines Hauptes Locken,
hör den Klang der silberhellen Ruhmesglocken,
sage an, was willst du Dichter nun noch mehr?"
setzt voraus, will man sie richtig verstehen, dass man mich ein bisschen näher und länger kennt. Ein Augenzwinkern begleitet solche Ergüsse und man muss nicht alles auf die Goldwaage legen.
Hab Dank für Deinen Beitrag und sei gegrüßt,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2022, 08:13   #31
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Hallo SanPellegrin ("o)?),

erst einmal ein herzliches Willkommen; ich finde deinen Einstieg erfrischend. Du beobachtest, dass für einige Außüenstehende "einige Kommentare sehr verbittert und aggressiv" klingen.
Ich fühle mich gemeint und werde wohl über gewisse Schärfen in meinen letzten Beiträgen nachdenken müssen.
Grüße Flocke
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Alt 06.05.2022, 08:39   #32
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Flocke Beitrag anzeigen
Ich fühle mich gemeint und werde wohl über gewisse Schärfen in meinen letzten Beiträgen nachdenken müssen.
Findest du, man müsse sich jede Jacke anziehen, die einem gereicht wird, aber letztendlich nicht passt?

Der Vorwurf der Bitterkeit und Aggression ist eine gängige Waffe gegen Leute, die ein gewisses Maß an Anspruch haben, ehe sie einen von selbsternannten Dichtern, die in Wahrheit Ignoranten sind, vereinnahmten Begriff wie "Kunst" für deren "Werke" akzeptieren. Diesen Vorwurf kann man erst einmal annehmen, sollte aber auf derartige Taktiken nicht hereinfallen. Es wäre schlimm, wenn man unter dem Vorwurf der Aggression die Ohren anläge und sich demütig in die Gefilde hinterbegäbe, aus denen man sich jahrelang mühevoll und mit einer wahren Leidenschaft für die Lyrik herausgearbeitet hat. Wenn man derartige Vorwürfe zu Ende denkt, könnte man sich nämlich gleich auf die Stufe mit ABC-Schützen stellen oder am besten ganz zurück bis ins Baby-Brabbelalter gehen, was auch eine Menge mit Kreativität, aber noch lange nichts mit einem gehobenen Umgang mit der Sprache zu tun hat.
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2022, 13:11   #33
männlich Flocke
 
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Hallo Ilka-Maria,

ich bin immer wieder erstaunt über deine Präsenz in diesem deinem Forum.
Etwas mehr nur als 20 Minuten hast du benötigt, um auf meinen Text zu reagieren.
Ich stelle mir vor, wie du dich in deiner Wohnung bewegst, deine alltäglichen Routinen durchläufst, dich rollend und streckend aus dem Bett quälst, zur Kaffeemaschine wankst, die Fenster öffnest ... und immer bereit bist, einen Blick nach oder nach rechts oder nach oben zu werfen.
Ich vermute, in jedem Raum deiner Wohnnung stehen mindestens ein Monitor und eine Tatstatur, im Wohnbereich zwei. Im Vorgartenbereich schützt eine riesige Leinwand deinen zarten Teint vor dem Sonnenlicht, das ohne Erbarmen deine empfindliche Haut und dein sanftes Gemüt aufsucht.
Tag und Nacht läuft dein Server und automatisch werden neue Beiträge vorgestellt, immer wieder, bis du sie zur Kenntnis genommen hast. Das gilt auch für die Nacht. Der Notschalter, der bei Überlastung betätigt werden sollte, ist bei dir in einem Hängeschrank in deiner Küche integriert. Was aber selbst deine Familie nicht weiß: Diese aufdringlich rot glänzende Vorrichtung ist nur eine Attrappe. Sie dient der Beruhigung deiner Liebsten.
Die Beiträge der User kannst du dann, wie es so schön heißt, im Vorübergehen lesen. Und dann brauchst du nur noch kraft deiner geistigen Intention durch den verblichenen Vorhang zu greifen, der deinen Hippocampus von deinem Kortex trennt und eine Überfülle von Begriffen, Bildern und Urteilen finden sich wie von selbst in eine passenden Beurteilung eingepasst und als elaborierte Antwort designd. So sind sie im WWW verewigt.
Hast du keinen Beitrag geschrieben, seitdem 5 neue Texte eingegangen sind, erklingt in deinem Schlafzimmer eine eingebaute Autoalarmanlage. Hast du dich dann nicht innerhalb von 10 Minuten auf diesen Beitrag eingeklinkt, wird eine Sprenkelanlage, die du im Norden von Minneapolis ....

Aber das ist nicht das Thema!

Die Antwort auf deine Frage, Ilka-Maria, bezüglich der Jacke und des Anziehens der selbigen:
NEIN! Natürlich nicht.
Ich neige dazu, mit einem Angelhaken, der mir über den Rücken hängt, durch die Gegend zu laufen und jedem nachzurennen und anzusprechen, der ein Problem hat.
"Gib es mir, häng es an meinen Schuldhaken! Weil: ich bin es schuld."
Ich fühle mich gerne gemeint!"

Aber in mir gibt es auch eine "Zu-recht-rücken-Funktion", die diese erste Interpretation, eben auf das rechte Maß zurechtstutzt. Sie ist sogar gut wirksam und in meinem Denken fest verankert!

So ist es auch ein bisschen eine Frage des Zeitpunktes, wie und was ich auf deine Frage von heute morgen antworte.
Bei meiner Antwort von heute, ich werde über "gewisse Schärfen ... nachdenken müssen", dachte ich natürlich an meine Analyse von Heinz seinem Gedicht*. Mir wurde nochmal deutlich, dass die Schärfe meiner Ausdrücke nicht oder nur zu geringen Teilen aus dieser Analyse heraus motiviert war, sondern aus einem anderen Zusammentreffen von Heinz und mir herrührten.
Die Konsequenz, die ich daraus ziehen will, lautet: die Diskussionen sind dort auszutragen, wo sie hingehören!
Na ja, das höre ich nicht zum ersten mal, aber vielleicht muss die Menge an Erfahrungen eine bestimmte Anzahl erreichen, um in Fleisch und Tat überzugehen.

Du beschreibst, wie es dir mit deiner Leidenschaft für Lyrik in deinem Leben ergangen ist.:
Zitat:
... sich demütig in die Gefilde hinterbegäbe, aus denen man sich jahrelang mühevoll und mit einer wahren Leidenschaft für die Lyrik herausgearbeitet hat.
Das ist ein wirklich starker Satz, aus dem neben deiner "wahren Leidenschaft" auch die große Kraftanstrengung und die Treue, ja die Zähigkeit zu spüren ist, nicht von deinem Ziel abzulassen. Ich ahne nur, was es dich gekostet haben muss (nicht nur finanziell) seit Jahren ein solches, ich nenne es mal: ein Begegnungszentrum mit "gehobenen Umgang", das einen angebrachten Standard einhält, aufzubauen und zu unterhalten. Ich verstehe gut, dass du schnell und hart auf lyrischen Müll reagierst, sonst wäre dein Betrieb schon längst am Ende.

Ich komme aus dem therapeutischen Bereich. Ich arbeite dort. Viele kranke Menschen schreiben Gedichte, es entlastet sie, es stärkt sie. Hier spielt die Frage der poetologischen Qualität des Geschriebenen eine untergeordnete Rolle. Vorrangig bleibt immer der therapeutische Nutzen.
Deswegen neige ich zu einem „wohlwollenden“ Interpretieren. Ich interpretiere auch in meiner "Freizeit" (also auch hier) immer auch "therapeutisch". An die poetologische Dominanz in der Bewertung in deinem Forum muss ich mich noch gewöhnen.
Wir kommen aus unterschiedlichen Ecken. Kleinere Auseinandersetzungen und Diskussionen über die Bewertung einzelner Texte werden sich immer mal wieder sozusagen naturwüchsig ergeben. Was soll's, das kann nur gut sein!

Lieb Grüße Flocke


_______________________

* Wie schreibe ich korrekt?
Was ist der flüssigste Ausdruck?
Heinz Gedicht, Heinz' Gedicht, Heinz sein Gedicht, dem Gedicht von Heinz, Heinzes Gedicht, das Gedicht von Heinz, das Gedicht "Junge Poeten" (Heinz)?
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