Koffer gepackt!

[Ilka-Maria]

„Ich habe dir das Nötigste eingepackt. Auch den Rasierapparat. Deine anderen Sachen kannst du später holen. Nach Absprache. Die Schlüssel!“ Sie streckte die Hand aus. „Hast du nicht gehört? Die Schlüssel!“

„Wieso? Was hat das zu bedeuten?“

Gitte deutete auf den Koffer. „Wonach sieht es aus?“

In Branko erhob sich Widerstand. Er lief rot an. „Das kannst du mit mir nicht machen!“

„Doch. Kann ich. Hier.“ Sie drückte ihm einen Bon in die Hand. „Zimmer 31. Die erste Woche ist bezahlt, danach musst du sehen, wie du weiterkommst. Und jetzt raus!“

„So einfach geht das nicht, Herzchen.“

„Ich bin nicht mehr dein Herzchen, Branko. Das war in der Steinzeit.“

Er schlug zu, bis ihr das Blut aus der Nase lief. „Wie du willst. Und hier hast du den Schlüssel, du gottverdammtes Weib!“ Er warf ihr das Bund vor die Füße. „So ein Miststück wie dich habe ich geliebt.“ Er nahm den Koffer und ging davon.

Im Badezimmer wusch sich Gitte den roten Schleim aus dem Gesicht. Dann betrachtete sie sich im Spiegel. Sie war achtunddreißig und sicher, dass ihre beste Zeit hinter ihr lag. Und sie war verliebt. In einen Mann, der siebzehn Jahre jünger war als sie.

Die Furchen um ihren Mund wurden tiefer. Die sogenannten Kasper-Falten. Sie nahm ihre Gesichtshaut in die Finger und zog sie nach hinten. Schon besser. Beinahe so attraktiv, wie sie mit achtzehn war. Aber die Zeit spielte gegen sie, da kannte der Spiegel kein Erbarmen.

Während sie ihre Wimpern mit schwarzer Farbe verlängerte, wurde sie unruhig. Warum rief Patrick sie nicht an, obwohl er es versprochen hatte?

Hatten sie nicht eine großartige Nacht verbracht?

Gittes Misstrauen wuchs. Sie wählte Patricks Nummer.

„Er ist weg. Wann kommst du?“

„Hm … mal sehen,. Ich hab noch ein bisschen zu tun.“

Sie ließ sich dazu hinreißen, zu sagen, was sie nicht hatte sagen wollen. „Ein bisschen mit deinen Nutten?“

„Du bist vulgär.“

„Du nicht ?"

„Hör zu, du alte Schachtel. Es war schön, dich einmal zu ficken, aber damit hatte es sich. Ein junger Schwanz wie meiner guckt bei den ersten Falten noch weg, aber nicht mehr bei den zweiten. Und danke, dass du mir ein Semester bezahlt hast. Ist das charmant genug?“

„Schonungslos charmant. Victor Hugo hätte es nicht besser bringen können.“

„Dann weiß du ja, woran du bist, du blöde Kuh.“

Rotes Icon, Gespräch beendet. Die Tränen, die dann leifen, machten die Sache nicht besser.

Branko. Gitte ging ins Schlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank. Wieso nannte man den Kleiderschrank nicht Hemdenschrank oder Anzugschrank? Seine Hemden waren noch da, von ihr gebügelt und zusammengelegt. Pro Hemd in weniger als acht Minuten. Branko hätte dafür einen halben Tag gebraucht.

Dafür konnte er andere Sachen gut. Zum Beispiel dem gemeinsamen Sohn innerhalb eines Vormittags das Fahrradfahren beizubringen.

Und jetzt spürte sie wieder, wie stark sie ihn liebte. Sie hatte es bloß vergessen.

[Heinz]

Hab ich was falsch gemacht? Auf die Idee eine Frau zu schlagen, bin ich noch nie gekommen, meine Hemden bügle ich selbst und fast genauso schnell wie die Protagonistin. Und meine Verflossenen, darunter drei Ehefrauen, sind noch nie in der Weise von mir beschimpft worden. Ist die Story nicht ein bisschen realitätsfremd?
H.

[Ilka-Maria]

Zitat von Heinz

Ist die Story nicht ein bisschen realitätsfremd?
H.

Nö, Heinz, ist sie nicht, Eher bist du aus der Art geschlagen. Gewalt im Alltag ist "normal", und der größte Feind einer Frau, das kannst du in jeder Kripo-Akte nachlesen, ist der eigene Ehemann.

Aber es geht um noch was anderes, nämlich brisant zu schreiben. Ein Autor muss überspitzen, um gelesen zu werden. Niemand interesiert sich für den Pudding, mit dem man morgens ein Baby füttert. Es muss das Messer im Herzen sein. Daran hat sich seit "Stahlnetz" nichts geändert.

[Heinz]

na gut, Du hast völlig recht, was die Gewalt gegen Frauen angeht und dass der feind der Frau oft im eigenen Umfeld zu suchen ist. Auch was die Zuspitzung angeht - einverstanden. Trotzdem: Mir ist die Darstellung zu einseitig.
Heinz

[Ilka-Maria]

Zitat von Heinz

Mir ist die Darstellung zu einseitig.
Heinz

Du hast die Geschichte nicht so gelesen, wie ich sie geschrieben habe, Heinz. Mein Branko ist nich per se ein Mann, der sich an Frauen vergreift. Er wurde massiv gekränkt

Vielleicht ist die Story einseitig. In den meisten Fällen sind es aber die Frauen, die wegen einer jüngeren Liebe auf den Müll geworfen werden. In meiner Story geht der Schuss in die andere Richtung. Glücklich sind dabei die wenigsten Menschen geworden.