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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 24.08.2022, 00:50   #1
Ex-Pennywise
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Beiträge: 599

Standard Deine Flügel

Du hast mich im Dunkeln alleine gelassen,
nahmst heimlich und still deinen Hut.
Auch heute stell ich auf den Tisch uns zwei Tassen
mit Kaffee, Vergessen braucht Mut.

Du fehlst mir besonders im grauen November,
erst recht wenn es regnet bei Nacht.
Denn damals im Herbst hat sich alles verändert,
da hast du dich dünne gemacht.

Ich würde dir gern meine Leiden vergeben,
die Trauer samt Wut und Ballast.
Du bist meine fehlende Strophe im Leben
und jedes Wort nach dir verblasst.

Dein Mantel hängt hier an der Holzgarderobe,
ich frage mich, ob du ihn brauchst.
Der Kaffee wird kalt und weiß Gott ich gelobe,
am morgigen Tag wart ich auch.

Die schneeweißen Tassen, der Mantel am Bügel,
das alles bleibt mein Ritual.
Ich hoffe, sie geben dir bald deine Flügel
und irgendwann holst du mich mal.

Geändert von Ex-Pennywise (24.08.2022 um 12:16 Uhr)
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Alt 24.08.2022, 07:04   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Pennywise,

sehr schön und sehr traurig.

Zitat:
Der Kaffee wird kalt und weiß Gott ich gelobe,
am morgigen Tag wart ich auch.
Das erinnert mich daran, als mein früherer Lebensgefährte gestorben ist (inzwischen ist das 10 Jahre her). Ich machte dasselbe wie das LI: Ich wartete an Stellen, wo wir uns früher immer getroffen hatten. Obwohl ich natürlich wusste, dass er nicht kommen würde. Und am nächsten Tag ging ich wieder hin und wartete.

LG DieSilbermöwe
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Alt 25.08.2022, 09:01   #3
weiblich Donna
 
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Beiträge: 406

Zitat:
Zitat von Pennywise Beitrag anzeigen
Die schneeweißen Tassen, der Mantel am Bügel,
das alles bleibt mein Ritual.
Ich hoffe, sie geben dir bald deine Flügel
und irgendwann holst du mich mal.
Hi Pennywise,
die Vorstellung, dass eine beidseitige Beziehung über den Tod hinausgeht, scheint für den Hinterbliebenen unabdingbar. Die Liebe macht ja keine Vollbremsung. Vielleicht ist es auch Bestandteil von einem stabilisierenden Trauerprozess. Zur Erinnerungskultur gehören Rituale und mit den täglichen Ritualen ergeben sich die notwendigen fast unmerklichen Veränderungen. Bis eine tiefe Trauer sich dabei in eine Freude und Zuversicht umwandelt, braucht es u.U. viel Zeit. Ob uns zum Schluss der "Engel" abholen wird bleibt unseren Vorstellungswelten vorbehalten. Die vertraute Zuversicht: "irgendwann holst du mich mal " ist zumindest sehr anrührend.
gerne gelesen,
LG Donna
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Alt 25.08.2022, 12:44   #4
Ex-Pennywise
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Beiträge: 599

Moin zusammen,

@ Silbermöwe
Es tut mir leid, dass du diese Erfahrung gemacht hast. Ich konnte mich nur gedanklich hinein versetzen. Die Erfahrung habe ich glücklicherweise noch nicht gemacht.
Danke fürs Kommentieren.

@ Donna

Ich wollte es ja erst mit der leicht flappsigen Schreibart "dünne machen etc." nach normaler Trennung bei Nacht und Nebel aussehen lassen. Den Turn Around mit den Flügeln musste ich so bringen, um den Bruch drin zu haben. Normalerweise lasse ich es nicht ganz so triefen (blödes Wort, aber mir fällt nichts anderes ein) aber hier war das durchaus mal erlaubt. Denn es ist glaube ich so, wie du sagst. Das sind die Gedanken, die Trost geben. Ob sie stimmen, sei dahin gestellt. Das finden wir alle irgendwann raus.
Danke für den Kommentar

Gruß

Pennywise
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Alt 25.08.2022, 13:33   #5
weiblich DieSilbermöwe
 
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Beiträge: 6.706

Hallo Pennywise,

ich las damals, dass man so die Trauer besser verarbeiten kann und dass viele Trauernde das so machen. Es darf nur nicht länger als drei Monate ca. anhalten, sonst wird es pathologisch (las ich).

LG DieSilbermöwe
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Alt 26.08.2022, 16:19   #6
weiblich Candlebee
 
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Hallo Pennywise,

wirklich sehr traurig. Ich hatte beim Lesen einen Kloß im Hals. Loslassen ist schwer, das weiß auch ich. Besonders gefällt mir der Lesefluss. Du hast die passenden Worte gefunden.

Nette Grüße, Candlebee
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Alt 05.09.2022, 21:30   #7
weiblich Schreibfan
 
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Zitat:
Zitat von Pennywise Beitrag anzeigen
Du hast mich im Dunkeln alleine gelassen,
nahmst heimlich und still deinen Hut.
Auch heute stell ich auf den Tisch uns zwei Tassen
mit Kaffee. Vergessen braucht Mut.

Du fehlst mir. Besonders im grauen November.
Erst recht wenn es regnet... bei Nacht...
Denn damals im Herbst hat sich alles verändert,
da hast du dich dünne gemacht.

Ich würde dir gern meine Leiden vergeben.
Die Trauer. Die Wut. Den Ballast.
Du bist meine fehlende Strophe im Leben
und jedes Wort nach dir verblasst.

Dein Mantel hängt hier an der Holzgarderobe,
ich frage mich, ob du ihn brauchst.
Der Kaffee wird kalt und weiß Gott: Ich gelobe,
am morgigen Tag wart ich auch.

Die schneeweißen Tassen, der Mantel am Bügel,
das alles bleibt mein Ritual.
Ich hoffe, sie geben dir bald deine Flügel
und irgendwann holst du mich mal.

Lieber Pennywise. Dein Gedicht berührt mich zutiefst, ich finde es wunderbar geschrieben. Ich poste dir hier mal ein paar dezente Vorschläge (hauptsächlich Satzzeichen betreffend), die die Intensität vielleicht noch unterstreichen.

LG Schreibfan
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Alt 06.09.2022, 08:51   #8
weiblich DieSilbermöwe
 
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Sorry, Schreibfan, dein Vorschlag mit den vielen Punkten ist furchtbar, nicht nur, weil sie beim lauten Lesen den Lesefluss unterbrechen. Es wirkt abgehackt.
Dann fügst du völlig überflüssige Leerzeichen ein.
Nee, passt nicht.

Warum sollte man auch an einem Supergedicht verschlimmbessern?

Davon abgesehen, hier ist in deiner Fassung sogar die Interpunktion falsch:
Zitat:
Du bist meine fehlende Strophe im Leben
und jedes Wort nach dir verblasst.
denn da nach dem „und" ein ganzer Satz folgt, der auch für sich alleine stehen könnte, gehört da ein Komma hin

Schöne Grüße
DieSilbermöwe
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Alt 06.09.2022, 10:15   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Dann fügst du völlig überflüssige Leerzeichen ein.
Das sind Punkte, keine Leerzeichen. Vielmehr fehlt jeweils ein Leerzeichen zwischen den Wörtern und den Punkten. Man klebt sie nicht einfach an, denn sie gehören nicht zu den Wörtern, sondern weisen auf etwas Unsagbares hin.

Allerdings bin ich auch der Meinung, dass sie hier überflüssig sind.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
denn da nach dem „und" ein ganzer Satz folgt, der auch für sich alleine stehen könnte, gehört da ein Komma hin.
Nach der alten Rechtschreibung ist das so, und ich setze immer noch ein Komma. Seit der Rechtschreibreform muss man das aber nicht mehr machen. Das gilt auch für den Infinitiv mit "zu": Früher setzte man nur ein Komma, wenn er erweitert war, jetzt kann man es auch nach dem einfachen Infinitiv mit "zu" setzen.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.09.2022, 20:04   #10
weiblich Schreibfan
 
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Beiträge: 980

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Sorry, Schreibfan, dein Vorschlag mit den vielen Punkten ist furchtbar, nicht nur, weil sie beim lauten Lesen den Lesefluss unterbrechen. Es wirkt abgehackt.
Dann fügst du völlig überflüssige Leerzeichen ein.
Nee, passt nicht.

Warum sollte man auch an einem Supergedicht verschlimmbessern?

Davon abgesehen, hier ist in deiner Fassung sogar die Interpunktion falsch:


denn da nach dem „und" ein ganzer Satz folgt, der auch für sich alleine stehen könnte, gehört da ein Komma hin

Schöne Grüße
DieSilbermöwe

Naja, ob die Veränderungen übernommen werden, das entscheidet ja Pennywise. Gerade in Trauerphasen habe ich meine Gefühlswelt tatsächlich als sehr "abgehackt" wahrgenommenen. Durchaus sehr klare Gefühle, die dich aber schnell abwechseln können. Bei den Gedankenpunkten hat Ilka Maria recht, da sollten noch Leerzeichen rein. Ist halt die Frage ob sich das Lyrische Ich in regnerischen Nächten an seinen Lebensmenschen erinnert, oder wenn es regnet und auch bei Nacht.

Den Satz "du bist meine fehlende Strophe im Leben..." hat Pennywise so geschrieben, da hab ich nix dran verändert.

LG Schreibfan
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Alt 07.09.2022, 10:41   #11
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
Das sind Punkte, keine Leerzeichen.
Stimmt, das hatte ich auch gemeint, hab mich vertan.

Zitat:
Nach der alten Rechtschreibung ist das so, und ich setze immer noch ein Komma. Seit der Rechtschreibreform muss man das aber nicht mehr machen.
Stimmt auch, ich habe es mit einer anderen Regel verwechselt (ich habe ein ganzes Buch, wo sich alles allein um das Komma dreht).

Aber nach dem Duden ist ja mittlerweile sowieso alles richtig...
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.09.2022, 19:15   #12
Ex-Pennywise
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Hallo Candlebee, nochmal Silbermöwe, Schreibfan und Ilka,

da hab ich doch fast verpasst, dass hier kontrovers diskutiert wird. Grundsätzlich bin ich Verbesserungen gegenüber immer offen. Hier denke ich allerdings auch, dass es dann etwas den Lesefluss reduziert. Das ist denke ich einfach eine individuelle Einstellung. Da gibt es kein Richtig oder Falsch.
Was die Kommasetzung betrifft, hat Ilka ja eigentlich alles gesagt. Ich habe mich mit der Zeichensetzung diesbezüglich immer schon etwas schwer getan und gehe da in der Regel nach Gefühl. Meistens scheine ich richtig zu liegen und wie erwähnt ist das alles mittlerweile ja durch zahlreiche Reformen etwas aufgeweicht worden. In meinem Fall: Zum Glück!

Ich danke jedenfalls für das positive Feedback. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das Geschriebene etwas zu kitschig ist. Speziell im letzten Vers. Aber ich denke, ein Mensch der aus tiefstem Herzen trauert, hegt genau solche Gedanken, die irgendwie tröstlich sind.

Euch einen schönen Abend.

Pennywise
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Alt 07.09.2022, 22:24   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Pennywise Beitrag anzeigen
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das Geschriebene etwas zu kitschig ist.
Wie kommst du auf so einen Gedanken? An deinem Gedicht ist überhaupt nichts kitschig, Pennywise. Es gibt Liedermacher, die über einen solchen Text glücklich wären. Stell dir mal vor, du hättest jemanden wie Udo Lindenberg, der die richtige Musik drüberzieht und den Text als Chanson mit seinem tieftraurigen Dackelgesicht und mit einer vor Trauer rostigen Stimme vorträgt.

Welche Farbe hätte dann das Licht, das auf dein Gedicht fällt?
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Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.09.2022, 12:55   #14
Ex-Pennywise
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Danke Ilka,
das ist eine schöne Sicht darauf und überzeugt mich.

Gruß

Pennywise
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