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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 24.01.2022, 15:23   #1
männlich Ex-petrucci
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Standard fürwahr

Als meine Blicke in die Himmel schwanden
und ich im tiefen Traume von der Liebe las,
stieg fast wie aufgebrochen aus den Landen,
der weiße Wald und die Natur aus Glas.

Und aus der Himmel ungezählten Tränen
brach Licht auf Wolken sanft getragen
und mündete auf Wipfeln und auf Kähnen,
versank und stieg in ihren tausend Sagen.

Unendlich war es, wie mir schien. Kaum ein
Moment verging und ich verschied im Bilde
der Einsamkeit, befreit in meinem Dasein
und auch die Luft war scharf und wenig milde.

Dein Kuss war kühl, die Lippen aus Velours,
der Himmel nahm kein Ende und das Licht
versank im schnellen Wechsel der Natur.
Mein Blick blieb schwach und zart Dein Angesicht.

Für Henriette, 1994

Geändert von Ex-petrucci (24.01.2022 um 18:08 Uhr) Grund: *Ich habe mich diesmal im Titel verschrieben... Korrektur: *fürwahr
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Alt 24.01.2022, 17:25   #2
weiblich Mohrel
 
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Beiträge: 670

Lieber petrucci,

dieses Gedicht ist der Wahnsinn!
(Im positiven Sinne)

Zunächst kam es mir wie eine nachträgliche Liebeserklärung vor, wie eine schöne Erinnerung. Aber ich blieb immer an dem Reim in Strophe 3 hängen: kaum ein Dasein.
Und an der betonten Einsamkeit im dritten Vers der gleichen Strophe.
Der Kuss war kühl, die Lippen aus Velours.
Das klingt so schön, wirkt aber im Grunde traurig.
Ein kühler Kuss erzählt mehr von Desinteresse als von feuriger Leidenschaft.
Velours - samtweich, aber nur oberflächlich?
Der Blick blieb schwach (eine Schwäche haben, weil blind?), zart (nur) das Angesicht, aber im Inneren nicht?
Und eigentlich steht es ja schon in der ersten Strophe: im tiefen Traume von der Liebe lesen, heißt nicht sie bewusst erleben.
Es wirkt nur alles so schön verpackt!

Das ist richtig gut geschrieben!

Gefällt

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.01.2022, 17:43   #3
weiblich Ilka-Maria
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Hervorragend getextet, petrucci, bärenstarke Bilder!

Nur eine Frage hätte ich:

In der ersten Strophe sind es "die Himmel", in der zweiten ist es nur noch ein Himmel. Warum der Wechsel vom Plural in den Singular? Es hätte doch auch heißen können "Und aus der Himmel ungezählten Tränen" (oder: "Aus jeden Himmels ...").

Ist es vielleicht so gemeint, dass der Protagonist in allen Himmeln gesucht hat, aber nur in einem eine Antwort sah?

LG
Ilka
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Alt 24.01.2022, 17:49   #4
männlich Ex-petrucci
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Hallo Mohrel,

ich danke Dir für Die positive Resonanz und für das Lob.

Das Gedicht beschreibt die damalige von mir empfundene Abfuhr meiner Frau.
1994 waren wir noch kein Paar, verbrachten jedoch sehr viel Zeit, da wir die gleichen Studienängste und "Nöte" besaßen.

Damals war ich schüchtern und eher introvertiert und wir waren spazieren und plötzlich küsste sie mich, ließ mich aber im Anschluss eiskalt stehen und ging, ohne ein Wort zu verlieren.

Das ließ mich mit gemischten Gefühlen zurück, als ich den Spaziergang alleine durch das winterliche Gefilde fortsetzte. Dabei entstand dieses Gedicht.

Zwei Jahre später, 1996, haben wir geheiratet und und kurz nach ihrem "Aussetzer", stellte sich heraus, dass es kein Desinteresse war, demnach keine Abfuhr, sondern Angst, dass ich diese Zuneigung nicht teile.

Trotzdem war ich ziemlich verwirrt, da schlug meine Stirn einige Wellen.

Die meisten meiner Gedichte sind persönlich aufgeladen, die wenigen, die es nicht sind, publiziere ich in der Regel. "fürwahr" hingegen zeige ich ganz gerne.

So spielt das Leben, liebe Mohrel.


@Ilka - betrachte es wie folgt: Am Anfang war das LI orientierungslos, im weiteren Verlauf erhielten die Gefühle Orientierung und Ordnung.
Natürlich könnte ich den Singular/Plural übernehmen, wäre eventuell sogar richtiger. Aber ich mag es so, wie es ist.

Edit: Ich werde darüber nachdenken, vielleicht übernehme ich es. Danke!
Ja, ich übernehme es. :-)

Danke für Deinen Kommentar und das Lob!
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Alt 24.01.2022, 18:55   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von petrucci Beitrag anzeigen
Damals war ich schüchtern und eher introvertiert und wir waren spazieren und plötzlich küsste sie mich, ließ mich aber im Anschluss eiskalt stehen und ging, ohne ein Wort zu verlieren.

Das ließ mich mit gemischten Gefühlen zurück, als ich den Spaziergang alleine durch das winterliche Gefilde fortsetzte. Dabei entstand dieses Gedicht.

Zwei Jahre später, 1996, haben wir geheiratet und und kurz nach ihrem "Aussetzer", stellte sich heraus, dass es kein Desinteresse war, demnach keine Abfuhr, sondern Angst, dass ich diese Zuneigung nicht teile.
Das wäre ein wundervoller Anfang für einen Liebesroman. Ich kenne ähnliche Geschichten von Frauen, die an introvertierten Männern interessiert waren und selbst intiativ werden mussten. Du glaubst nicht, auf welche Ideen sie kamen!
__________________

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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.01.2022, 21:36   #6
männlich Ex-petrucci
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Beiträge: 414

Die Romane dürfen gern andere schreiben. Meinerseits mangelt es an Fähigkeit und das zunehmende Alter setzt merklich ein. Einen alten Bekannten geschah Ähnliches, ob das die Norm darstellt, wage ich fast zu bezweifeln, streite dies jedoch nicht ab. Das Leben verkehrt in unbestimmten Kreisen.

Ich wünsche einen angenehmen Start in die Woche.
Ex-petrucci ist offline   Mit Zitat antworten
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