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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln.

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Alt 08.06.2025, 10:22   #1
weiblich Elke H
 
Dabei seit: 05/2025
Beiträge: 36

Standard Welche Aprikosen?

Welche Aprikosen?

Wir kennen das doch alle. Als Sparfüchse wandeln wird durchs Leben. Erst muss man das Haus abbezahlen, dann hat man die Kinder und ruckzuck ist man alt und die Rente knapp. So sind wir unser Leben lang auf der Jagd nach Schnäppchen, Sonderangeboten, auch im Discounter.
Früher wartete man am Wochenende auf die übel riechenden Prospektbeilagen in der Dorfzeitung, schrieb sich akribisch alles auf einen Zettel. Und am nächsten Tag beim Einkauf vergaß man ihn doch.
Das kann nun nicht mehr passieren, denn heute haben wir eine Äpp. Zumindest jene von den Alten, die mit einem Handy umgehen können. Ich konnte das bisher nicht. Aber dank der Engelsgeduld meines Schwiegersohnes, dessen Toleranzfähigkeit täglich als Lehrlingsmeister für Elektriker aussgetestet wird, habe ich jetzt auch eine Äpp für jeden Discounter. Um meine Dankbarkeit zu beweisen, habe ich die Aktion mit 70 Euro Macces belohnt, aber, wenn ich die Äpp regelmäßig nutze, habe ich das ja schnell wieder drin.
Meine Bedenken, ein gläserner Kunde zu sein, werfe ich galant über Bord, als die Äpp meines Lieblingsdiscounters mir mitteilt, dass ich diesen Monat schon 15 Euro gespart habe. Und wir haben erst den sechsten. Ist doch egal, ob Trump weiß, dass ich die amerikanischen Wochen ignoriere, weil ich einfach nicht gerne an ekligen Hühnerflügeln rumknabber oder viel zu süßes Popcorn zwischen den Zahnlücken habe. Ist doch wurscht, was seine Computer über mich speichern, ich fahr sowieso im Urlaub nicht nach Amerika.
Wenn man der Äpp penibel folgt und nicht das kauft, worauf man Hunger hat, sondern das, was reduziert ist, lohnt sich das echt. Ok, darum gab es bei uns vorgestern Fisch in Dosen mit Brot und heute Tomatensalat mit Basilikum und Mozarella. Ohne Brot. Man muss schon bereit sein, mitzumachen. Nur dann trickst man die Discounter richtig aus. Es sei denn, dein Handy geht kurz vor der Kasse aus. Dann stehst du dumm da, so wie einer, dem gerade der letzte Zug abgefahren ist am dunklen Bahnhof. Und hinter dir 20 Leute. Von deren Handys auch viele ausgehen. Und dich beschleicht das Gefühl : Das hat System.

Aber war das nicht immer so? Ich erinnere mich an früher, wenn man plötzlich auf dem Kassenzettel feststellte, dass die Aprikosen nicht reduziert waren, obwohl es dran stand. Die Kassiererin sagte: Nee, das habe ich nicht falsch getippt, das hat die Kasse nicht genommen. Und rief zur Bestätigung zum Kollegen rüber: Peter? Nimmt die Kasse bei dir auch die Aprikosen nicht reduziert? Und Peter zuckte dann gewissenlos die Schultern und brüllte zurück: Welche Aprikosen? Das war letzte Woche!
Ich aber zeig es euch jetzt, nehmt das, Discounter! Ich habe ein neues Handy, mit dem besten Provider, das nie mehr ausgeht vor der Kasse. So klicke ich heute morgen frohgelaunt auf meine Äpp, und bin erstaunt. Vom Anfang der Woche weiß ich noch, dass Kartoffeln, Sahne und der sündhaft teuere Parmesan aktiviert sind. Doch alles weg. Heute soll es doch lecker Kartoffelgratin geben. Und morgen die traumhaften Blätterteigbrötchen 2 zum Preis von einem.
Die Ware steht jetzt als normal reduziert im Äpp- Prospekt und ich lasse mein Handy zuhause.
Samstag. Vor Pfingsten. Der Laden brummt. Haushoch sind die Körbe der Kunden gefüllt. Doch nach 20 Minuten bin ich schon dran. Entsetzt sehe ich, dass alle meine Artikel zum Normalpreis berechnet werden und sage: Nee, das geht aber nicht! Die Brötchen sind reduziert. Jetzt kosten die 6 Stück ja 11 Euro! Die Kassiererin antwortet: Nein, das ist nur mit der App. Und ruft zur Bestätigung zu ihrem Kollegen rüber: Emre? Hast du die 2:1 Brötchen ohne App in der Kasse? Emre zuckt gewissenlos die Schultern und brüllt zurück: Welche Brötchen? Die waren letzte Woche.
Ich bemerke, wie einige in der Schlange klammheimlich gefüllte Brötchentüten in dem Zeitungsständer vor der Kasse entsorgen und insistiere: Nein. Dann holen Sie bitte mal den Geschäftsführer.
Die letzten in der Schlange wechseln daraufhin zu Kasse drei und die Kassiererin, mit der ich sonst immer scherze, flüstert: Ich nehm das jetzt auf mein Handy als meinen Einkauf. Dann bekommen sie alle Reduzierungen. Pling geht die Einkaufssumme um satte 11,80 Euro runter. Ich bedanke mich, ebenfalls flüsternd, und denke: Da kannse doch saachen, wat de wills, dat hat doch System…
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