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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 11.07.2022, 18:05   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.687

Standard Kein Stück vom Kuchen

Ich bin nicht destruktiv,
geht es mir auch noch so mies.
Ich kann nicht schimpfen und nicht blaffen,
kann nun einmal gar nicht hassen.

Kann nur schweigend leiden,
wollte jeden Streit vermeiden,
bis es zum Finale kam
und alle in mir Eris sahen.

Ausgerechnet ich, ja, ich,
das ist so verwunderlich.
Jeder hätte stets beeidet:
„Die tut keiner Fliege was zuleide"

und schon gar nicht Gold und Geld
sind für sie von Belang auf dieser Welt.
Nun hat jeder einen Grund,
da zu stehen mit offenem Mund:

Was hat dieses Weib getan?
Denn das geht ja gar nicht an:
Wollte doch ein Stück vom Kuchen.
Nie wieder wird sie das versuchen.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.08.2022, 19:18   #2
männlich MonoTon
 
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Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 1.102

Hallo Silbermöwe

Man kann 1000 Dinge richtig machen, aber wenn man 1 mal einen "Fehler" macht und für sich einsteht sind die vorherigen positiven Aspekte und Eigenschaften alle Egal.
Allerdings lernt man dadurch das man niemandem Rechenschaft schuldig ist, wie andere einem oft genug beweisen.
Eris mag die Göttin der Zwietracht und des Streitens sein.
Aber das spricht auch für ihr Selbstbewusstsein.


Deine Wortwahl wirkt zu beginn undefiniert und bestimmt sich durch unzählige Einsilber.
Im Kontext des Gedichtes passt sich der zurücknehmende Charakter der Wortwahl an.
Nach dem Motto "Bloß nicht zu sehr Auffallen."
Das macht es sogar mir schwer eine klare Definition der Betonungen heraus zu sehen. Alles wirkt sehr passiv und leise. Es schwingt beim Lesen ein Gefühl von Demut und Schuldbewusstsein mit.
Wie ich finde grundlos beruhend auf Konfliktängsten.

Zitat:
Ich bin nicht destruktiv,
geht es mir auch noch so mies.
Ich kann nicht schimpfen und nicht blaffen,
kann nun einmal gar nicht hassen.
xXxXxx
XxXxXxX
xXxXxXxXx
XxXxXxXx

Ich erkenne in Paarweise gestellte Assonanzen, um Hörbar über Reime hinweg zu täuschen, vermutlich um extra leise zu wirken "tiv-mies/blaffen-hassen"

Zitat:
Kann nur schweigend leiden,
wollte jeden Streit vermeiden,
bis es zum Finale kam
und alle in mir Eris sahen.
Interessant wie du es schaffst einen inneren Konflikt zwischen Strophe 1 und Strophe 2 darzustellen, als würden Taten (S1) und Gedanken (S2) sich gegenüber stehen.
Die Taten in S1 sind durch Assonanzen eher zurückhaltend formuliert.
Die Gedanken in S2 zeigen aber volle Paarreime, was sie laut werden lässt.

XxXxXx
XxXxXxXx
XxXxXxX
xXxXxXxXx

Zitat:
Ausgerechnet ich, ja, ich,
das ist so verwunderlich.
Jeder hätte stets beeidet:
„Die tut keiner Fliege was zuleide"
XxXxXxX
XxXxXxX
XxXxXxXx
XxXxXxXxXx

Zitat:
und schon gar nicht Gold und Geld
sind für sie von Belang auf dieser Welt.
Nun hat jeder einen Grund,
da zu stehen mit offenem Mund:
XxXxXxX
XxXxxXxXxX ? metrischer Flüchtigkeits-Fehler?
XxXxXxX
XxXxxXxxX ? metrisch bricht es stark aus, ein klangliches Experiment?

Zitat:
Was hat dieses Weib getan?
Denn das geht ja gar nicht an:
Wollte doch ein Stück vom Kuchen.
Nie wieder wird sie das versuchen.
XxXxXxX
XxXxXxX
XxXxXxXx
xXxXxXxXx

Ich lasse die letzten 3 Strophen außen vor, denn aus meiner Sicht spricht in ihnen nicht mehr das Lyr.ich (außer in S3) und dessen innerer Konflikt, es sprechen dritte über das Lyr.ich, das aber nach wie vor einen sehr zögerlichen, ängstlichen Charakter hat.
Sein Ausbruch und das Laut-werden sehe ich als Große Stärke und charakterlichen Gewinn.

Es hüpft ein wenig in den Betonungen, aber die Idee als solches fand ich Klasse. Zumindest glaube ich erkannt zu haben wie Text und Metrum zusammen spielen sollten. Dennoch ist mir das Metrum zu wild gestaltet. Ich mag es eher etwas ruhiger, aber das ist dem persönlichem Geschmack zuzuordnen.
Gerne gelesen

LG Mono
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Alt 25.08.2022, 20:51   #3
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.043

Statt einer Analyse, Kritik oder sonstwas meine Fassung. Gegen Fußtritte und Keulenschläge bin ich bereits gepanzert und verschanzt.

Ich fühlte niemals destruktiv,
und ging es mir auch noch so mies,
war mein Reflex nie negativ,
auf keine Weise feindlich fies.

Stillschweigend litt ich vor mich hin,
bis eines Tags die Bombe platzte,
Konflikt zu meiden war mein Sinn,
bevor man mir den Nerv zerkratzte.

Der Bogen war weit überspannt:
Man hatte mir nicht zugetraut:
Die wehrt sich, völlig durchgebrannt!
Und schaltet von ganz leis auf laut!

Da ist das Staunen groß und weit:
Was steht dem Weibsbild denn im Sinn?
Gefragt, gäb ich dem gern Bescheid
mit einem Zuschlag obenhin.

Ein Stück vom Kuchen wollte ich,
den habe ich mir jetzt geholt,
damit ist all mein Leid vom Tisch
und jeder Tag erstrahlt in Gold.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 26.08.2022, 07:22   #4
weiblich DieSilbermöwe
 
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Alter: 60
Beiträge: 6.687

Hallo MonoTon,

wow, vielen herzlichen Dank für deine vortreffliche Analyse. Du hast zusammengefasst, was ich selbst nie so hätte auf den Punkt bringen können:

Zitat:
Alles wirkt sehr passiv und leise. Es schwingt beim Lesen ein Gefühl von Demut und Schuldbewusstsein mit.
Ich hätte nie gedacht, dass das jemand so herauslesen kann, du hast völlig recht. Eigentlich war mir dieses Gefühl von Demut und Schuldbewusstsein noch nicht mal selbst beim Schreiben klar.


Zitat:
Ich erkenne in Paarweise gestellte Assonanzen, um Hörbar über Reime hinweg zu täuschen, vermutlich um extra leise zu wirken "tiv-mies/blaffen-hassen"
Extra leise zu wirken, war eigentlich keine bewusste Absicht, aber vielleicht hat hier das Unterbewusstsein gesteuert.

Zitat:
Interessant wie du es schaffst einen inneren Konflikt zwischen Strophe 1 und Strophe 2 darzustellen, als würden Taten (S1) und Gedanken (S2) sich gegenüber stehen.
Die Taten in S1 sind durch Assonanzen eher zurückhaltend formuliert.
Die Gedanken in S2 zeigen aber volle Paarreime, was sie laut werden lässt.
Vielen Dank. Verblüffend, wie treffsicher auch hier deine Analyse ist. Und auch hier geschah das „laut werden" eher unbewusst.

Zitat:
XxXxXxX
XxXxxXxXxX ? metrischer Flüchtigkeits-Fehler?
XxXxXxX
XxXxxXxxX ? metrisch bricht es stark aus, ein klangliches Experiment?
Ich glaube, in dieser Strophe habe ich metrisch einfach nur geschlampt. Manchmal habe ich da immer noch Schwierigkeiten. Du hast auch hier recht, teilweise ist das Metrum wild gestaltet.

Zitat:
Ich lasse die letzten 3 Strophen außen vor, denn aus meiner Sicht spricht in ihnen nicht mehr das Lyr.ich (außer in S3) und dessen innerer Konflikt, es sprechen dritte über das Lyr.ich, das aber nach wie vor einen sehr zögerlichen, ängstlichen Charakter hat.
Sein Ausbruch und das Laut-werden sehe ich als Große Stärke und charakterlichen Gewinn.
Ich bin einfach platt, was du alles heraus lesen konntest
Auch hier völlig richtig.

Ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.08.2022, 07:26   #5
weiblich DieSilbermöwe
 
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Alter: 60
Beiträge: 6.687

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Statt einer Analyse, Kritik oder sonstwas meine Fassung. Gegen Fußtritte und Keulenschläge bin ich bereits gepanzert und verschanzt.

Ich fühlte niemals destruktiv,
und ging es mir auch noch so mies,
war mein Reflex nie negativ,
auf keine Weise feindlich fies.

Stillschweigend litt ich vor mich hin,
bis eines Tags die Bombe platzte,
Konflikt zu meiden war mein Sinn,
bevor man mir den Nerv zerkratzte.

Der Bogen war weit überspannt:
Man hatte mir nicht zugetraut:
Die wehrt sich, völlig durchgebrannt!
Und schaltet von ganz leis auf laut!

Da ist das Staunen groß und weit:
Was steht dem Weibsbild denn im Sinn?
Gefragt, gäb ich dem gern Bescheid
mit einem Zuschlag obenhin.

Ein Stück vom Kuchen wollte ich,
den habe ich mir jetzt geholt,
damit ist all mein Leid vom Tisch
und jeder Tag erstrahlt in Gold.
Hallo Ilka,

auch dir vielen Dank für deinen Kommentar und die andere Fassung. Hat was

LG DieSilbermöwe
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