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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 11.04.2022, 01:15   #1
männlich Focke
 
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Beiträge: 5

Standard die 6 Akte der Trennung

Vorwort

Die folgenden 5 Gedichte habe ich in den 3h nach der Trennung von meiner großen Liebe geschrieben. Eins am Morgen danach. Sie beschreiben meinen Umgang mit der Trauer über den Verlust des Menschen der mich am tiefsten verstand und den ich aufgeben musste. Lasst gern Feedback da, ich schreib noch nich lang.

Akt 1 - Die Trennung

Wir trugen des Andern Herz in uns’rer Brust.
Doch was bleibt ohne Herz und mit fehlendem Kuss?
Wenn nicht leere Hüllen, des Andern Sorgen tragend,
die sich auf ewig fragen: noch wie viele Tage?
Ich bereue kein Beisammensein, nur das was uns trennte,
doch war es eine Ewigkeit gegen kurze Momente.

Akt 2 - Eine kalte Nacht

Ich gehe auf und ab.
Es läuft Daft Punk.
There‘s something about us.
Es ist eine kalte Nacht.

Ich gehe auf und ab.
Und eine einsame Träne erwartet mich.
Davor Sie zu zeigen schäme ich mich.

Ich gehe auf und ab.
Bis zum Ende des Bahnsteigs.
Und die Einsamkeit
betritt mein Gesicht.
Eine Träne glänzt schüchtern im Licht,
die Zweite ganz nüchtern,
die Dritte erlischt.

Ich stehe auf.
Und gehe auf und ab.
Es läuft Daft Punk.
There‘s something about us.
Die Nacht ist kalt.

Akt 3 - Was ist das für ein Schmerz?

Ich bin allein,
verließ Sie,
doch bin verlassen.
Wie kann es sein?
Seit 6 Jahren
überkam
mich nie
die Einsamkeit.
Seit 13 Jahren
keine Träne geteilt
und nun Tränenmeere.
Es ist kalt.

Akt 4 - Benommen

Eine Bindung
nicht für die Ewigkeit
in leidsamer
Gemeinsamkeit,
ist der Feind
die Zeit der Einsamkeit.
Sie macht dich gleich
verneint und beschleicht
der geeinten Zweisamkeit.
Bis sie entreißt
der beiden Heiterkeit.


Akt 5 - Cognitio

Und so erkannt ich
den Preis für
„für immer“
nicht.
Verbrannte mich
innerlich.
Und nach einem Moment der dem Spätsommer glich,
verstand ich,
die Bedeutung
des Wortes
bittersüß


Akt 6 - Katharsis

Als ich zur Besinnung kam,
war Schönes da.
Das Gesicht trocken
das Kissen noch feucht
verblasst das vermissen
bereits ein bisschen
ich bin fast enttäuscht
zu wissen,
dass sich die Erde weiterdreht
und die Zeit nicht steht.
War ich doch,
als dann
der stille Abend kam,
in meiner
Katharsis
gefang‘n.

Geändert von Focke (11.04.2022 um 03:34 Uhr)
Focke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.04.2022, 20:04   #2
männlich Flocke
 
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Dabei seit: 12/2016
Ort: NRW
Beiträge: 177

Hallo Focke (was für ein schöner Name!),

wir sind ja fast Namensvettern, ich bin Flocke! Und unsere Namen reimen sich dann auch noch! Da musste ich mir deine Gedichte gleich mal anschauen.
Mal sehen, wie oft wir in der Zukunft verwechselt werden!
Erstmal also einen lieben Gruß von mir und meinem "lyrischen Ich" an meinen "lyrischen Halbbruder" .

Deinen Gedichten nach, geht oder ging es dir sicherlich nicht gut. Du hast dich entschieden, deinen inneren Schmerz und deine Verzweiflung in Gedichte zu fassen. Ich denke, dass das ein guter Weg sein kann, seine Gefühle in Griff zu bekommen. So kannst du sie sozusagen von außen betrachten. Sie werden sich, so ist meine Erfahrung, unter deinem Blick allmählich verändern und nicht mehr so weh tun.
Wir sind hier ein Gedichtforum. Deswegen werde ich jetzt nicht über die Psychologie der Trennung sprechen oder über meine eigenen diesbezüglichen Erfahrungen berichten. Ich werde mir eins deiner sechs Gedichte aussuchen und es, so gut ich es kann, analysieren. Ich habe das ausgewählt, das mir am besten gefiel.

In Gedichten gehen wir mit der Sprache anders um als im alltäglichen Gebrauch. Sie haben eine ausgeprägte, eigentümliche Form.
Damit meine ich nicht in erster Linie, das Gedichte sich durch Reime und Strophen auszeichnen. Sie sind nur ein Stilmittel unter vielen anderen.
Zu den typisches Stilmittel gehört auch die Wiederholung, die du in deinem Gedicht Akt 2 Eine kalte Nacht in verschiedener Weise benutzt.

Und schon sind wir in der Analyse!

Zuerst möchte ich deinen Hinweis aufnehmen und den Song von Daft Punk:"There's something about us" anspielen:
https://www.youtube.com/watch?v=sOS9aOIXPEk

Für die Leute, die wie ich Englisch nicht fließend sprechen, habe ich hier eine Übersetzung:

Zitat:
Es ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt
Ich bin vielleicht nicht der Richtige
Aber es gibt etwas über uns, das ich sagen möchte
Denn da ist sowieso etwas zwischen uns
Ich bin vielleicht nicht der Richtige
Vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt
Aber es gibt etwas zwischen uns, das ich tun muss
Eine Art Geheimnis, das ich mit dir teilen werde
Ich brauche dich mehr als alles andere in meinem Leben
Ich will dich mehr als alles andere in meinem Leben
Ich werde dich mehr vermissen als irgendjemand in meinem Leben
Ich liebe dich mehr als jeden anderen in meinem Leben.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator
Quelle: Musixmatch
Songwriter: Christo Guy Manuel Homem / Bangalter Thomas
Aufgepasst Focke! Das Video gibt es auch für auch in einer 1 Stunden Version. Aber das weißt du bestimmt schon:
https://www.youtube.com/watch?v=88JytHWs1LA

Das Musikstück ist unterkühlt und zurückgenommen gespielt, die Range ist gering. Die Stimme geht nicht in die Tiefe. Sie hat, obwohl auf mindestens 2 Spuren aufgenommen, wenig Obertöne.

"I'll miss you more than anyone in my life"
("Ich werde dich mehr vermissen als irgendjemand in meinem Leben")
Diese Zeile legt als einzige nahe, dass der Interpret von der Besungenen getrennt ist, bzw., dass abzusehen ist, dass sie irgendwann getrennt sein werden.
Der Song strahlt wenig Energie aus. Es ist kein ausgeprägter Kampf, kein vitales Engagement zu spüren, eher Resignation und Kraftlosigkeit. Ein Ich-habe-mich-irgendwie-damit-abgefunden-Song! Kein Temperamentsausbruch, kein Drama! Lange währender, fast schon cool zu nennender Song, der einen unendlichen Schmerz kultiviert. Dass es den Song in einer loop-Form über eine Stunde geht, scheint mir logisch.

Ich zitiere jetzt dein Gedicht, Focke, das ich mir anschauen will.

Zitat:
Akt 2 - Eine kalte Nacht

Ich gehe auf und ab.
Es läuft Daft Punk.
There‘s something about us.
Es ist eine kalte Nacht.

Ich gehe auf und ab.
Und eine einsame Träne erwartet mich.
Davor Sie zu zeigen schäme ich mich.

Ich gehe auf und ab.
Bis zum Ende des Bahnsteigs.
Und die Einsamkeit
betritt mein Gesicht.
Eine Träne glänzt schüchtern im Licht,
die Zweite ganz nüchtern,
die Dritte erlischt.

Ich stehe auf.
Und gehe auf und ab.
Es läuft Daft Punk.
There‘s something about us.
Die Nacht ist kalt.

In diesem Gedicht benutzt du viele Formelemente, die die Trauer und den Schmerz des lyrischen Ichs gut zum Ausdruck bringen, die also seinen Schmerz nicht nur mit einem Begriff benennen, sondern ihn damit spürbar werden lassen.

Die erste und die letzte Strophe sind sich sehr ähnlich. Sie umklammern die 2. und 3. Strophe, in denen erzählt wird, wie die Trauer zunehmend äußerlich, wenn auch nur kurz, sichtbar wird und wieder verschwindet: "einsame Träne" -> "glänzt" -> "erlischt!"
Unentwegt Zeit läuft das lyrische Ich den Bahnsteig auf und ab. Es nimmt während dieser Zeit vorübergehend Zeichen seiner Trauer wahr: "die Einsamkeit betritt mein Gesicht" Die Zeichen verlieren sich wieder. Vielleicht ist das lyrische Ich für einen Moment zur Ruhe gekommen, hatte sich kurz hingesetzt. Aber denn der Text sagt uns: "ich stehe" wieder auf dann läuft das lyrische Ich - wie schon die ganze Zeit vorher - auf und ab. Also kein Ziel, keine Absicht, keine Richtung. Nichts Neues, keine Überraschung, kein Ende. Einzig die "einsame" Träne bereitet uns darauf vor, einen Blick auf seine nur kurz aufziehende, sichtbare "Einsamkeit" wahrzunehmen. (Sie "betritt sein Gesicht"

Das Gedicht benutzt auf verschiedenen Ebenen die Technik der Wiederholung:
1) Die erste Strophe korrespondiert mit der vierten Strophe: die aufeinanderfolgenden Zeilen haben jeweils das gleiche Thema und präsentieren die gleichen Begriffe in leicht veränderter Grammatik:
"auf und ab" laufen;
"Daft Punk";
"kalte Nacht"

2) Der Anfangssatz der ersten drei Strophen ist gleich:
"Ich gehe auf und ab". In der 4. wird dieses Motiv variiert.

3) Auf das Wortfeld um den Begriff Einsamkeit wird zweimal Bezug genommen: "einsame Träne", "Einsamkeit"-> "Gesicht"

4) Die Begriff "Träne" wiederholt sich zweimal und in vier Zeilen wird auf sie Bezug genommen.

Das Stilmittel der Wiederholung ist in diesem Gedicht das dominierende Formelement. Das passt zum Gefühl des lyrischen Ichs: Wiederholung heißt Stillstand, fehlender Abschluss, never ending -> die Hinterlassenschaft, die Verwüstungen, die Ödnis nach der Trennung wollen nicht enden.

Das Gedicht geht sparsam mit Bildern um, innerliche Leere schafft keine Vielzahl an Bildern.
- Der"Bahnhof" ist hier ein Symbol dafür, das das lyrische Ich zwar unruhig hin und herläuft, sozusagen auf dem Sprung ist, aber nicht wirklich weiterkommt er nicht. Er steckt fest.
- Die "kalte" Nacht: das lyrische Ich friert innen und außen.

Zum Schluss hole ich mal die ganz große Keule aus meinem poetologischen Werkzeugkasten:

Wie in einem Drama von Sophokles der Chor dem Publikum Hintergrundsinformationen, Interpretationshilfen und angesagte Gefühlslagen nahebrachte, so breitet Daft Punk einen musikalischen Stimmungsteppich aus, der die Empfindungen des lyrischen Ichs begleitet und ihm einen Rahmen gibt. Vorausgesetzt, man kennt die Musik von Daft Punk gut und ist es gewohnt, mit ihr im Ohr durch den Tag zugehen, dann begleitet diese Musik das Gedicht als ein Hintergrundrauschen, das von Verlorenheit, Verlust und Kälte berichtet. Und das kontinuierlich, aber kraftlos und existierend, aber nicht richtig lebendig scheint.

Und ganz zum Abschluss doch noch eine Frage an dich, Focke: Warum verdrehst du den Satz,
"Davor sie zu zeigen schäme ich mich".
Es gibt ja manche Dichter, die meinen, ein Gedicht solle eine erhabene Sprache sprechen. Sie neigen dann zu Satzkonstruktionen am Rande der Grammatik. Vielleicht haben sie aber auch die Weisheiten des Jedi Ritter Yoda (Star Wars) in Erinnerung:
Euch lebend zu sehen mein Herz aufs Wärmste erfreut."

Ich hoffe, das dir meine Begrüßung ein bisschen Freude gebracht hat und dass dich dein Kummer nicht ins Nirwana taumeln lässt. Ja, dass du mit meinem Schreibkram überhaupt etwas anfangen kannst und ihn auch gelesen hast, ohne dich quälen zu müssen!

Grüße Flocke
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Alt 13.04.2022, 20:28   #3
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Zitat:
Zitat von Focke Beitrag anzeigen
Akt 1 - Die Trennung

Wir trugen des Andern Herz in uns’rer Brust.
Doch was bleibt ohne Herz und mit fehlendem Kuss?
Wenn nicht leere Hüllen, des Andern Sorgen tragend,
die sich auf ewig fragen: noch wie viele Tage?
Ich bereue kein Beisammensein, nur das was uns trennte,
doch war es eine Ewigkeit gegen kurze Momente.
.
Ich mach's kurz: In Hollywood wäre das nicht einmal ein B-Movie geworden, schon gar kein C- oder D-Movie, sondern ein eingestampftes Drehbuch.

Bleibt noch die Frage: Was war dennn das trennende Element? Was waren dienn die "Sporgen"? Sozialer Unterschied, Ehebruch, Suff. verfeindende Familien, intellektuell nicht auf Augenhöhe, Entwicklungsunterschiede, Interessen-Dkivergenzen ... etc.

Das Gedicht hätte kürzer sein und eins dieser Probleme aufs Koirn nehmen könne. Aber es verliert sich in Allgemeinheiten.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 14.04.2022, 17:35   #4
männlich Focke
 
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Beiträge: 5

Hallo Flocke,

Danke für die ausführliche Analyse ^^. Es freut mich, dass du dir auch meinen Liebling unter den Gedichten rausgesucht hast. Aber durch deinen guten Geschmack bei der Namenswahl sollte mich das eigentlich nich überraschen. ;D
Zu dem Yoda-Satz:
„Eine einsame Träne erwartet mich
Davor sie zu zeigen, schäme ich mich“
Das war vielleicht ein bisschen unglücklich, aber der Plan war, dass zwei Silben am Ende „Träne erwartet mich“ - „zeigen schäme ich mich“ vor den Träne-schäme Reim wandern.
Ich wollte, dass das Klangbild dadurch einen immer kürzer werdenden fast schon schluchzenden Charakter bekommt, da der Teil ja auf die Tränen im nächsten vorbereitet.
Da war mir das dann irgendwie wichtiger als ein besserer Satzbau.
Prinzipiell gilt aber:
Ein Gedicht muss garnichts
und schon garnich in einer unnötig komplizierte Sprache daherkommen nur damit sich der Schreiber/Leser klug vorkommt.
Ich hoffe ich hab den Satz nich zu stark verunstaltet ;D

LG


Hallo Ilke Maria,

Dass sich die Gedichte teilweise wiederholen und zusammengenommen zu ausschweifend sind, dachte ich mir schon. Sie wurden ja auch direkt hintereinander übers gleiche Gefühl geschrieben. :)
Ich bin neu hier und wollte keinen durch 6 einzelne Posts übers Gleiche nerven.
Insgesamt ging es um die Einsamkeit in einer Fernbeziehung, die ich aus diesem Grund aufgegeben musste.
Also gibt es wohl keinen so spezifischen einzelnen Faktor, wie die die du aufgeführt hast.
Es war ein schleichendes Gefühl und doppelt tragisch. Da die Lösung (die Trennung) mehr Einsamkeit bedeutet.
Schade, dass ich bei dir den Eindruck erweckt habe, dass das eine zusammenhängende Geschichte wird. Wenn man auf ein Ende oder eine Auflösung wartet ist man sicher genervt, wenn sich das Gedicht „verliert“.

LG Focke
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Lesezeichen für die 6 Akte der Trennung

Stichworte
leere, liebe, trennung

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