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Alt 12.07.2016, 20:00   #1
männlich Thodd
 
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Beiträge: 61


Standard Ein Prolog - Fantasy

Prolog

Ein Hauch von Magie lag in der Luft. Der erste Schimmer, die erste Ankündigung eines neuen Tages schien über die grünen, im Dunkel jedoch noch grau wirkenden Hügel. Im Wald lag ein würziger Duft von Kräutern und Baumharz, das aus Rissen in der Baumrinde tropfte. Es wurde langsam milder, der Frühling machte sich zum ersten Mal bemerkbar und ließ den Landstrich lebendiger aussehen als vor ein paar Tagen. Trotz der kahlen Bäume und des schwachen Lichts wirkte der Wald wieder grün und gesund. Eine stille Idylle, unterbrochen nur vom ersten Zwitschern vereinzelter Vögel, die den neuen Tag begrüßten. Es wirkte, als würde die Zeit still stehen. Ein weiteres Geräusch gesellte sich zu den Vögeln, ein Knacken im Unterholz, Schritte von leichten Stiefeln, und ein leichtes Knartschen einer Lederrüstung. Eine Gestalt, in dunkles Leder eingehüllt, das Gesicht von einer Kapuze bedeckt, betrat die Szenerie. Auf dem Rücken trug sie einen geschwungenen Bogen von elfischer Machart, daneben einen Köcher, gefüllt mit einfachen Pfeilen, welche aussahen, als wären sie selbst hergestellt. Trotz der edlen Machart wirkte der Bogen alt und abgenutzt, als wäre er schon viele Jahrzehnte in Benutzung. Am grünen Waffengurt trug die Gestalt ein schartiges Schwert, das in einer aufwändig verzierten Scheide steckte, welche an den Bogen erinnerte. Es war ein Anderthalbhänder, mit abgenutztem Griff und einem smaragdgrünen Knauf. Eine Rune war in den Knauf geritzt, im schwachen Licht jedoch nicht identifizierbar.

Die Gestalt ging zielstrebig auf einen kleinen Abhang zu, aus dessen Richtung das leise Plätschern eines schmalen Baches zu hören war. An einer Stelle, an der zwei Eichen, die ein ganzes Stück größer waren als die anderen Bäume, standen, flankiert von dem Bach, der in einem kleinen Wasserfall von der Klippe floss, blieb die eingehüllte Gestalt stehen. Sie drehte den Kopf und sah noch einmal nach hinten, da wurden im Lichtschein leuchtend grüne Augen und ein weißer Bart sichtbar. Der alte Mann langte mit einer langsamen Bewegung in eine Art Alchemistenbeutel und holte ein silbernes Fläschchen hervor. Er trank es komplett aus, steckte es wieder in die Tasche und legte eine Hand auf die Felswand. Leise murmelte er ölige Worte einer sanften Sprache, mit einer Stimme, tiefer als das Grollen eines näher kommenden Unwetters, und ein leichtes Schimmern ging von seiner Hand aus. Er wartete einen kurzen Moment, dann schwang eine unsichtbare Tür nach innen auf, wo zuvor nur Fels zu sehen war. Eine gedämpfte Stimme rief den alten Mann hinein, und während er sich in Bewegung setzte, zog seine rechte Hand kaum merklich ein kleines Messer aus dem Gürtel. Die Tür schwang zu und verschloss sich mit einem leichten Klicken, dann wurde es still, selbst die Vögel verstummten.


Mit gleichzeitig mürrischem und besorgtem Blick sah König Braeius von der eilig geschriebenen Schriftrolle auf, die Fürst Menwyn, der Gesandte des Sixtischen Königreichs aus der Elfenhauptstadt, Tael Avihn, geschickt hatte. Seine buschigen Augenbrauen, das lange Haar und der dichte braune Bart ließen ihn wild aussehen, wie einen der altvorderen Könige, als die Menschen noch im hohen Norden lebten.
„Bei Gorwund, verdammt! Du, Junge, hol Meister Worwyn und die anderen Ratsmitglieder, sie sollen sofort herbeikommen!“
Der Junge erschrak, dann gewann er die Fassung zurück und sprintete los.
Braeius erhob sich vom sixtischen Thron und schritt aufgewühlt zum bunt verglasten Fenster der Ersten Feste. Sein Blick schweifte über Pontumheim, über die hohen, gut gebauten Häuser der Reichen, die Herrenhäuser der Ritter und anderen Edelmänner in der Nähe des großen Tempels, über das Handwerksviertel, von dem Rauch aus vielen Schornsteinen aufstieg und zuletzt über die windschiefen Hütten des Armenviertels, direkt im Schatten der Stadtmauer. Von der Feste aus konnte er über die Mauer blicken und weiter über den Hafen und den großen pontischen See, bis er in der Ferne im Fluss Pontum endete. Dort waren verschwommen und schon vom Schatten der Berge verdeckt die endlosen Westwälder zu erahnen. Der See war voller Schiffe, der Handel im sixtischen Reich blühte seit jeher, das Land war reich. Trotz allem war dieser Hafen nur ein Schatten seiner einstigen Größe. Sechzig Jahre zuvor hatte eine mysteriöse Krankheit, die fortan als Geisterplage bekannt war, die Sinne der Menschen und Zwerge vernebelt und etwa zwei Drittel der sixtischen Bevölkerung ausgerottet. Damals zerbrachen die Allianzen der Menschen, und die nördlichen Reiche, die zuvor noch Vasallen des Sixtischen Imperiums waren, spalteten sich ab und erklärten ihre Unabhängigkeit. Ein Verfall plagte das Reich seit diesen Tagen der Verzweiflung, und langsam ging der Reichtum und die Kultur der Menschen unter. Noch immer war das Sixtische Reich die Spitze der Menschheit, doch es war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Der Thronsaal war ein langer Raum mit einer hohen Decke, die mit Kriegsbildern vergessener Zeiten bemalt war. Berühmte Sagen, wie das Epos von Ardeveanus Sixtus, dem Harpyenschlächter, erinnerten an die Stärke und Würde der früheren Menschen. Das Hauptschiff wurde durch eine in gleichmäßigen Abständen platzierte Reihe von glatt geschliffenen Marmorsäulen von den beiden Korridoren auf der linken und rechten Seite getrennt. Der Boden war ebenfalls aus Marmor, der Raum wirkte steril und Schritte erzeugten einen hallenden Klang. Der sixtische Thron erhob sich durch vier breite Stufen vom Rest des Raumes, auch er war aus Marmor, jedoch pechschwarz, behangen mit der Reichsflagge. Links und rechts von ihm standen große Krüge, gefüllt mit flüssigem Feuer, was einen rotgoldenen Lichtschein auf die ansonsten eher düstere Halle warf. Die Schatten tänzelten und ließen den Raum lebendig wirken, wie ein schlafendes Raubtier, was jedoch immer auf der Hut war. Auch der König wurde von diesen Schatten umtanzt. Auf seinem Gesicht zeigten sich zuvor unbekannte Furchen der Sorge und der Angst, er sah alt und verbraucht aus, obwohl er noch in der Blüte des Lebens stand. In den Korridoren auf beiden Seiten standen Bänke und kleine Tische für Bittsteller und Adelige, während auf der rechten Seite ein großer Tisch mit verzierten Stühlen stand. Eine kunstvoll gezeichnete und mit mythischen Kreaturen verzierte Karte des Sixtischen Reichs und der angrenzenden Länder lag dort ausgebreitet, erleuchtet von einer Kerze, deren Wachs auf den massiven Steintisch tropfte.

Es dauerte noch eine Weile, die der König vor sich hin grübelte, dann flogen die Türen des Thronsaals auf und Meister Worwyn, gefolgt von anderen sixtischen Würdenträgern, die den königlichen Rat bildeten, eilten hinein. Sie hatten alle bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht, aber keiner kam an Worwyn heran. Seine Haut war blass und faltig wie brüchiges Pergament, seine Augen fast blind und sein schlohweißer Bart reichte ihm bis zum Gürtel. Trotz seines offenkundigen Alters – er diente schon unter Braeius' Vater – lief er nicht gebeugt und trug ein feines Gewand, bestickt mit den rot-goldenen Farben des Reichs. Mit besorgter Miene stellte er sich an den runden Tisch auf der rechten Seite des Saals. Die anderen Ratsmitglieder wirkten weniger besorgt, die meisten sogar verärgert, dass man sie zu solch später Stunde rief.
„Eure Majestät, Ihr ließet uns rufen. Welch dringliche Angelegenheit erfordert unser Urteil zu dieser Stund?“ Worwyn war ein Meister der gepflegten Sprache, wie sie vor etwa siebzig Jahren noch am Hof gesprochen wurde. Braeius antwortete nicht, er drückte Worwyn die Schriftrolle in die Hand und wartete einen Moment, während dieser las. Die restlichen Ratsmitglieder streckten ihre Hälse und versuchten, mitzulesen, sichtlich verärgert darüber, dass der König sie ausschloss. Als Worwyn fertig war und der König die Verrenkungen der anderen nicht mehr ertragen konnte, begann er zu reden: „Unser Botschafter bei den Elfen hat mir das geschickt. Es war eine Eilmeldung. Heute morgen hat ein Fremder das Elfensanctum in der Yélfe geschändet und alle Priester und Wachen brutal ermordet.“
„Ein Massaker! Wer mag so etwas nur tun?“, sagte Elwyn, ein griesgrämiger alter Graf, der sein Lehen am See inzwischen an seine Söhne vererbt und sich dem Dienst am Königshof verschrieben hatte.
„Es kommt noch schlimmer. Am Ort des Blutvergießens fanden die Elfen eine Brosche sixtischer Machart. Der Mörder war ein Mensch, und die Spitzohren sind fest davon überzeugt, dass er von mir geschickt wurde.“ Der König blickte sie alle mit seinen klugen, dunklen Augen an und ließ die Worte wirken.
„Gorwund steh uns bei! Denkt Ihr, es ist für sie schlimm genug, uns den Krieg zu erklären?“ Worwyns Stimme zitterte, er war sichtlich besorgt.
„Ein Sanctum ist der wichtigste und heiligste Ort, den ein Elf nur haben kann, und das Sanctum in Yélfe zählt zu den ältesten Elfenstätten der Welt. Wenn wir nicht sofort handeln, wird das ohnehin schon angeschlagene Vertrauen der Elfen verloren sein, und es wird unweigerlich zum Krieg kommen.“ Der König hatte sich lange Jahre mit der Elfenkunde beschäftigt, denn die Spitzohren waren leicht zu kränken und schwer wieder gutzustimmen.
„Mein König, wir sind den Kriegern und Magiern der Elfen nicht gewachsen, ein Krieg würde uns zerstören, gar unser Land zerreißen.“ Gjalmyn war der Oberbefehlshaber der sixtischen Streitkräfte nach dem König, und sein Berater, wenn es um Kriegsführung ging.
„Zu einem Krieg darf es nicht kommen, Meister Gjalmyn“, sagte der König. „Unsere höchste Priorität ist nun, Lord Aélwehr zu erklären, dass wir mit dem Angriff nichts zu tun haben, und alles daran setzen werden, den Täter aufzuspüren. Mit sofortiger Zusammenarbeit können wir diesen Konflikt lösen, bevor er ausbricht. Meister Worwyn und Meister Armyn, Euch obliegt es, den Botschafter aufzusuchen und diplomatische Gespräche mit den Elfen in die Wege zu leiten. Macht Euch sofort auf den Weg, die Zukunft des Reichs hängt von Euch ab. Der Rest darf nun wegtreten. Ich erwarte Eure Anwesenheit morgen früh im Krisenrat, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Gute Nacht.“ Die Sitzung war damit beendet, und die Ratsmitglieder machten sich auf den Weg. Der König legte seine Krone und sein Szepter auf den Thron, dann machte er sich auf den Weg in sein Gemach.

Vor der Tür zum Thronsaal wartete der junge Laufbursche und setzte sich hinter ihm in Bewegung, um seinen Posten vor der Tür des Königs zu beziehen. Braeius verfiel auf dem Weg in tiefe Gedanken. Was, wenn es zum Krieg käme und das Sixtische Reich sich verteidigen müsste? Die anderen Menschenreiche waren seit der Geisterkrise keine Verbündeten mehr und die Zwerge blieben auch für sich. Eiskalt wurde ihm klar, dass er alleine stehen würde. Wer kann nur so töricht sein, die Elfen anzugreifen, und dann auch noch in ihrem Heiligtum? Und noch wichtiger, wer hegt einen solchen Groll gegen mich, dass er eine falsche Spur legt? Diese Fragen konnte der König sich im Moment nicht beantworten, also versuchte er, seine Gedanken zu etwas anderem zu lenken. Er dachte an seine Kinder, Graeius, den gerade einmal sechzehnjährigen Thronfolger, und Ferilla, sein neunjähriges Juwel. Sie musste er um jeden Preis schützen, sie waren sein Ein und Alles. Vor allem, seit ihre Mutter sie verlassen hat. Gaeia... Ein alter Schmerz überfiel ihn und er geriet kurz aus dem Gleichgewicht, als wäre er geohrfeigt worden. Drei Winter ist es nun schon her, doch fühlt es sich an wie gestern. Ich wünschte, du wärst noch unter uns. Oh , meine liebste Gaeia. Die Königin war drei Jahre zuvor an einem verschneiten Februartag gestorben, an einem mysteriösen Fieber, und kein Heiler des gesamten Reichs konnte ihr helfen. Seitdem war das Lächeln aus Braeius' Gesicht gewichen, und es kehrte nur dann zurück, wenn er seine kleine Tochter sah. In vielerlei Hinsicht erinnerte sie ihn an Gaeia, und sie erfüllte ihn mit Stolz, Stolz, wie nur ein liebender Vater ihn empfinden kann.

Als er aufblickte, stand er vor seinem Gemach. Die Wache neigte den Kopf und öffnete ihm die Tür. Er trat ein und sah, wie seine Kinder in ihren Betten friedlich schliefen. Hinter ihm schloss sich die Tür. Ein friedliches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, und er sagte leise:
„Wie friedlich sie doch schlafen. Ihnen darf nichts zustoßen.“
„Keine Sorge, bald sind sie bei ihrer Mutter.“ antwortete eine tiefe Männerstimme hinter ihm. Bevor Braeius sich umdrehen konnte, wurde ihm ein Falchion durch den Hals gestoßen. Hinter ihm stand nun nicht mehr der kleine Laufbursche, sondern ein ausgewachsener Elf im Gewand des Botschafters. Der König sank auf die Knie und fasste sich an den Hals, Blut lief ihm aus der Wunde und aus dem Mund. Er öffnete den Mund und wollte sprechen, doch es kam kein Laut, nur noch mehr Blut. Mit einem spöttischen Blick lief Lord Aélwehr an ihm vorbei und griff in die Tasche seines feinen Gewands.
„El Dútrhain il laey celebn dul“, murmelte er in seine verschlossene Hand. Dann bewarf er die Kinder mit dem Salz, welches er gerade verzaubert hatte. Der König stieß einen lautlosen Schrei aus, als sie zu Staub zerfielen, sobald das Salz sie berührte. So musste Braeius Sixtus, König des Sixtischen Reichs und Bewahrer des Pontum, mit ansehen, wie seine Kinder auf grausame Weise getötet wurden, dann trübten sich seine Augen und er fiel vornüber. Eine Blutlache breitete sich auf dem Boden aus, und der Elf nahm seine Waffe wieder an sich, bevor er den Raum verließ, die Tür hinter sich schloss, eine versteinerte Wache hinter sich ließ und sich auf den Weg machte, die Stadt zu verlassen.
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Stichworte
dark fantasy, elfen, prolog



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