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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 01.05.2022, 22:33   #1
weiblich evelina
 
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Standard haiku gedicht

anfang vom ende
du bist schon wieder nicht hier
kein wind der hoffnung
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Alt 06.05.2022, 17:09   #2
weiblich Candlebee
 
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Hallo evelina,

traurig, wenn jede Hoffnung verloren ist.

Nette Grüße, Candlebee
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Alt 06.05.2022, 17:39   #3
männlich Heinz
 
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Hallo Evelina,
ein Haiku ist die kürzeste Gedichtform. In der Überschrift steht "haiku Gedicht".
Das ist fast so etwas wie ein Pleonasmus wie "ein Gesang Lied"", ein alter Greis oder Stanzen Gedicht. Wenn Dein Gedicht in der Form eines Haikus geschrieben ist (die 5- 7 - 5 Regel hast Du eingehalten, aber ich bin kein Haikukenner), dann ist es eben in der traditionellen japanischen Gedichtform geschrieben, also ein Haiku. "Kein Wind der Hoffnung" - der Wind kann vielleicht eine Hoffnung überbringen. Aber: Eine leise Erinnerung an ein anderes Gedicht, auch von einer Frau geschrieben, hat Dein Haiku bei mir wach gerufen:
Suleika

Ach! um deine feuchten Schwingen,
West, wie sehr ich dich beneide:
Denn du kannst ihm Kunde bringen
Was ich in der Trennung leide.

Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen,
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Stehn bei deinem Hauch in Tränen.

Doch dein mildes sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlider;
Ach für Leid müsst ich vergehen,
Hofft’ich nicht zu sehn ihn wieder.

Eile denn zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen;
Doch vermeid’ ihn zu betrüben
Und verbirg ihm meine Schmerzen.

Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 09.05.2022, 17:29   #4
männlich Flocke
 
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Beiträge: 177

Sorry, wieder mal den falschen Thread gewählt.
Zu finden ist der Beitrag in
"Die Abwesenheit der Liebe"
https://www.poetry.de/showthread.php...681#post576681
Flocke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.05.2022, 18:00   #5
weiblich evelina
 
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Hey Flocke,
nachdem ich dein Kommentar gelesen habe musste ich mein Gedicht erneut lesen, da es schon ein halbes Jahr her ist und direkt meine "Fehler" bzw Unklarheiten bemerkt. Stimme dir komplett zu und finde deine Umformulierung wirklich sehr schön. Dankeschön
Liebe Grüße
Eve
PS: kannst auch was zum Haiku sagen, wenn du möchtest. Das war eine 5 Minuten Aufgabe aus dem Deutschunterricht... fand es trotzdem ganz süß
evelina ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.05.2022, 19:41   #6
männlich Flocke
 
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Beiträge: 177

Standard Haiku

Das Haiku
Was macht ein Haiku aus?


Schaut man auf ein Haiku - kurzer, knapper, ungereimter Text, in dem Lebensweisheiten und eigenartige Bilder auftreten - dann könnte man meinen, dass es einfach wäre, ein Haiku zu schreiben. Dem ist nicht so.

Zur Einstimmung: hier ein berühmtes Haiku von Matsuo Bashō (18.Jh.) in einer deutschen Übersetzung.
Zitat:
Der alte Teich
Ein Frosch springt hinein -
das Geräusch des Wassers (entnommen aus: http://www.teeweg.de/de/literatur/basho/furuikeya.htm)
Die äußeren, formalen Vorgaben für das Verfassen eines Haikus lassen sich ja noch ohne Probleme einhalten:

Ein Haiku besteht im Japanischen aus 17 Moren. Moren ( Einzahl More oder Mora) entsprechen funktionell den deutschen Silben. Japanisch ist völlig anders grammatisch und phonetisch strukturiert wie die indogermanischen Sprachen. Deswegen ähneln sich Moren und Silben auch nur. Und so ist ihr jeweiliger Informationsgehalt nicht gleich groß. 17 Moren entsprechen in etwa 10 - 14 Silben im Deutschen.
Die Moren werden klasssischerweise auf die 3 Zeilen wie folgt verteilt: 5 - 7 – 5.
Endreime und Überschriften gibt es nicht.
Das Haiku wird in einem Zug gelesen.

Früher (bis ca. zur Jahrtausendwende) übertrugen deutschsprechende Autoren ihre Übersetzungen oder ihr Eigenbaumodell Haiku in drei Zeilen mit folgender Silbenverteilung:
1. Zeile 5 Silben 2. Zeile 7 Silben 3. Zeile 5 Silben
Heutzutage werden auch Haikus mit kürzerer Silbenanzahl anerkannt.


Die inhaltlichen Vorgaben sind speziell und haben es in sich.

(Punkt 1) Klassischerweise hat ein Haiku einen Bezug zu aktuellen Jahreszeit. Strenge Haikuaner sagen sogar, dass dieser Bezug in jedes Haiku gehört. Mit vielen Begriffen assoziieren die Japaner schneller als wir Europäer eine Jahreszeit. Für die starke assoziative Bindung dieser Begriffe haben die Japaner sogar einen eigenen Namen: „kigo“. So wird mit den Worten „Wasserfall“, „Regenbogen“, „Swimmingpool“ unmittelbar auch die Jahreszeit „Sommer“ mitgedacht.
(Punkt 2) Ein Haiku ist prägnant, also klar und kurz formuliert.
(Punkt 3) Es orientiert sich an der äußeren Welt, es spricht nicht in erster Linie über eine innere Welt. (Punkt 4) Es bezieht sich auf konkrete Gegebenheiten und den einen Augenblick, dem einzelnen Moment in denen eine spirituelle Erkenntnis erschaut wird.
(Punkt 5) Dementsprechend steht es in der Zeitform des Präsens.
(Punkt 6) Das Haiku benutzt Bilder.
(Punkt 7) Diese Bilder wirken symbolisch; „Schnee“ steht symbolisch für die Jahreszeit „Winter“, die „geöffnete Tür“ für die Offenheit im Geiste und der „Schlüssel“ für den Zugang zu einer tieferen Sicht auf unsere Welt.
Manche Haiku-Fans hängen die Messlatte noch höher. Sie erwarten eine sinnstiftende, in die Tiefe gehende Beschreibung eines Augenblicks, in dem sich die eigentliche, die wirkliche Welt zeigt.
(Punkt 8) Außerdem wird ein inhaltlicher Aufbau im Text erwartet. Die letzte Zeile sollte die Quintessenz, die logische Folge, eine Zusammenfassung des Gesagten beinhalten oder aber auch einen Kontrapunkt oder eine humorvolle Wendung setzen.

Es gibt auch Haiku-Hardliner. Sie anerkennen ein Haiku erst, wenn es Zen-Weisheiten zu vermitteln sucht. Zen gefällt sich in einer sehr eigene japanischen Auslegung des Buddhismus). Haiku müsse in die Richtung einer „Satori“erfahrung aufgebaut sein. Im Zen ist damit ein Erleuchtungs- oder ein Erweckungserlebnis gemeint.



Das Haiku
Betrachtung von evelinas Haiku


Dear evelina,
wenn ich dich bis hierhin noch nicht mit meiner Schreibe vergrault habe, wäre ich hoch zufrieden.

Dein Haiku hat natürlich die formalen Anforderungen erfüllt (17 Silben)
Aber auch ein Teil der inhaltlichen Vorgaben hast du konsequent eingehalten
Zitat:
anfang vom ende (fünf Silben)
du bist schon wieder nicht hier (sieben Silben)
kein wind der hoffnung (fünf Silben)
Es ist prägnant geschrieben (2).
Es steht im Präsens (5): „du bist … nicht hier“. So verweist es auf ein Erlebnis, das gerade passiert.
Du beschreibst ein Bild (6): „wind der hoffnung“.
Und dein Text zeigt eine logische Folge, es besitzt einen schlüssigen Aufbau (8)

Beim Lesen konnte ich in den drei Zeilen ein Muster erkennen
Dein Text zeigt also auch einen klaren Aufbau
Es beginnt mit einer Art Überschrift. In ihr wird eine Behauptung aufgestellt;
Das, was jetzt geschieht, ist der „anfang vom ende“! Im Grunde ist die Überschrift nichts anderes als eine trockene, fast chon sarkastische Kommentierung des Haikus;
Die zweite Zeile formuliert einen Vorwurf, der an eine andere Person gerichtet ist. Diese will sich offensichtlich aus der Beziehung ziehen. Das Zitat dokumentiert in der Form einer “direkten Rede“ Ärger und Enttäuschung. Ein wichtiger Teil ihrer inneren Welt wird offenbar.
In der dritten Zeile wird in einer Metapher das Ausmaß der Hoffnungslosigkeit benannt; die Hoffnung hat ihre Kraft verloren: „[I]kein wind der hoffnung[/I]“. Aber auch diese Metapher bezieht sich auf die Innensicht.

Dieser Aufbau folgt einer gewissen Logik. Aber er begrenzt den Blickwinkel allein darauf, was im Inneren passiert. Das Thema, Verlust einer wichtigen Beziehung, realisierst du in deinem Text, indem du mit jeder Zeile einen unterschiedlichen Blickwinkel auf das Innere der liebenden Person angibst. Aber alle drei Blickwinkel sind Ausdrücke von Kummer und Ärger; so sind sie auf die innere Welt fixiert. (Punkt 8)


Welche Vorgaben hast du nicht abgedeckt?
Bei deinem Projekt finden sich keine Bezüge zu einer Jahreszeit. Aber dieser ehemals so geforderte Aspekt, steht heute nicht mehr unabdingbar im Vordergrund. (Punkt 1)

Was aber nach wie vor Vorrang haben sollte, ist, dass die äußere Welt, nicht aber die Innenwelt, in den Vordergrund gestellt und beschrieben wird. (Punkt 3)
Dein Haiku berichtet über einen schwierige Beziehungskrise. Aber du bindest diese Erfahrung nicht auf eine symbolisch tragfähige Ebene ein, die ein Haiku mehr sein lässt als nur ein individuelles Erlebnis. So konntest du der poetischen Vorgabe nach Tiefe und Spiritualität nur in einem begrenzten Maße nachkommen. (Punkt 4)

Was heißt das? Wovon redet der: Symbolisch tragfähige Ebene?
Ein Haiku berichtet über ein Geschehen und sollte bei der Darstellung dessen, was gerade ist, auch die Bezüge zur Umwelt, zur Geschichte mitdenken und zu einer tieferen spirituellen Sicht führen, die sich in Text niederschlägt. Ein individuelles Erlebnis - das hast du in deinen Blickpunkt genommen - ist aber nicht der Kern dessen, was ein Haiku beschreiben will.
Aber wie kann man dieser Vorgabe in nur 17 Silben auch nur annähernd näherkommen?
Jedenfalls nicht, indem wir Verhalten und Einstellungen explizieren.
Aber unsere Sprache kennt ein Stilmittel, das äußerst prägnant, vielfältige Bezüge anklingen lässt. Sie nutzt dazu ein „Bild oder Bilder.

Vielleicht zeigt sich hier ein Unterschied im fernöstlichen Denken zu unserem abendlländischen Denken.
Für die westliche Welt hat die Gestaltung und die Verteidigung der Individualität einen hohen Rang. In Japan ist der Lebensalltag in Traditionen eingebunden, die das Gemeinsame und das Gruppengefühl favorisieren. Traditionen müssen nicht in jedem Fall begrenzend sein und nur oberflächlich von außen aufgesetzt. Ausgeprägte Spiritualität, die tief empfundene Bindung zu unserer Welt erlebt und entwickelt, kann diesen Traditionen Tiefe und Verlässlichkeit geben und den Menschen Freude und Sinn schenken.

Wie kann es gelingen, dass mit einem „Bild“ in einem Haiku die spirituelle Welt durchscheint, Vergangenheit und Gegenwart keine Antipoden mehr sind, die naturgegebene Verbindung aller Menschen berührt und die Welt als Ganzes erfahren werden kann. Und das alles nur im Verlauf von ca. 10 Sekunden.


Das Haiku
Bilder und Symbole

Ich stelle ein weiteres Haiku von Matsuo Bashō vor. An ihm möchte ich nachvollziehen, wie ein kurzer Text mittels eines "Bildes" symbolisch die Welt miteinbezieht.
Zitat:
Der alte Kirschbaum
blüht; eine Erinnerung
an vergangene Jahre.
Quelle: https://beruhmte-zitate.de/autoren/matsuo-basho/

Ich schaue mir dieses Haiku an und spekuliere mal wild darauf los:
Es ist Frühling. Ein alter Mann biegt auf den Weg nach Hause in eine kleine Gasse. Die Gasse ist eng, die Häuser bis auf eine Ausnahme haben keine Vorgärten. Schräg gegenüber wächst in dem einzigen, kleinen Vorgarten ein Kirschbaum. Er ist knorrig, auf einer Seite blühen deutlich mehr Blüten als auf der anderen. Der Stamm wirkt ausgetrocknet, die Blüten dagegen überaus fein und zart.
Über Jahre hinweg ging der ältere Mann mit seiner Frau auf dem Weg zum Markt an diesem Vorgärtchen vorbei. Die Blüte, Ende April, verpassten sie nie.
Vor drei Jahren starb seine Frau. Jetzt, heute nun blüht der Kirschbaum wieder. Er spürt ihren Atem, ihr leichtes Hinken beim Gehen, ihren gemeinsamen Blick auf die Blüte ...Er wird traurig, fühlt sich verloren. Er spürt ihre Gegenwart und ihr Fortsein zugleich. Er fühlt sich wie der Stamm, verwurzelt, verdorrt. Aber er erlebt auch die Kraft der Sonne, die Lebensfreude des neuen Jahres und er entschließt sich, noch mal einen Anlauf für ein weiteres Jahr zu nehmen. Er empfindet auch Stolz und Friede.
So könnte es dem Dichter ergangen sein oder so es sich vorgestellt haben.
Als europäischer Dichter hätte er einen Roman geschrieben, in denen er Erlebnisse und Erfahrungen mit seiner Frau ordnet und verstehen lernt und über den Schreibprozess ihren Tod annimmt und seinen angstfreier erwarten kann. Seine Trauer könnte so erträglicher werden. Matsuo Bashō wird eine solche Innenwelt nicht kleinschätzen. Er würde aber noch die äußere Welt miteinbeziehen.

Das Haiku ist so gebaut, dass das Bild vom „alten Kirschbaum“ nicht nur den realen Baum meint, den es nur abzuknipsen gilt, um ein weiteres, schönes Bild im Album kleben zu haben. Die Begriffe "Kirschbaum", "alt sein", "blühen", "Erinnerung", "vergangene Jahre" kreieren Bilder, die vielseitige Assoziationen zulassen, die sich gegenseitig befruchten und ein umfassendes Wissen vermitteln, was wichtig und was wahr in dieser Welt ist. Der Geruch des Baumes ist zu fühlen, ein leichter Wind unterstützt die Wahrnehmung unserer Lebendigkeit. Mittels des Bildes eines alten Kirschbaumes spüren wir etwas von einer mystische Macht, in die wir eingebttet sind. Individuelle Erinnerungen, archetypische Figuren leben in uns auf. Das Haiku öffnet uns mit dem poetischen Bild des Kirschbaums zusätzliche Dimensionen der erfahrbaren Welt. Im Grunde schaut das Haiku auf den gesamten Kosmos. Die „alte Kirschbaum“ wird zum Symbol eines sich immer wieder erneuernden Lebens und des Sterbens. Da es ein Symbol ist, braucht auch der Dichter das Thema nicht in all seinen Einzelheiten auszudeklinieren. Wir brauchen nur ein offenes Ohr.


Liebe Grüße Flocke
(ich war tatsächlich länger als 5 Minuten beschäftigt)

Geändert von Flocke (16.05.2022 um 00:04 Uhr)
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