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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 29.06.2015, 23:24   #1
männlich Ex-Ralfchen
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Beiträge: 17.302

Standard Der Bitter

Der Bitter


Hohlkreuzig mit gebeugtem Kopf schamheiß
konfrontiere ich den Zahlmeister des Wohlhabers.
Erbitte um Stundung von Schuld für lebende Ahnen.
Kann kaum Flehen über trocken brüchige Lippen ringen.
Flickfetzen hängen ärmlich um meine Lenden,
hundertfach gereint mit hartem Wasser,
um mindestmöglich Stolz durch Sauberkeit zu wahren.

Der Zahlmeister blinzelt, Lachfalten zerren seine Starrer
in mongoliges Spaltgrinsen, Mund befreit kariöses Zahnbein
umringt von dunkelrot paradontem Ruchfleisch.
Gelbliche Zungenspitze feuchtet in klebrige Mundwinkel.
Es sei ein Nachgab an Zeitlichem kaum real,
der Wohlhaber hat vieles an Investigem terminlich,
das unverschoben bleiben müsste.

So brennt Bitte aus meiner Kehle, mein Anliegen Ihm,
selbst angesichtig und mit erklärender Not zu erdeuten.
Der Zahlmeister hebt kabelnden Kommunikator: flüstert.
Sekunden streicheln meine Not, zagen leicht davon.
Gut nun: selbiger sei gnadenreich, heute zur Ausnahme
und so gestatte man mir Einlass:
der Fußhosen sei zu entledigen.

Meine Gebet an ihn also: in Nacktheit an Sohle und Seele.
Hoher Raum duftet mich an mit kühlem Dunkel.
Der Wohlhaber weitleibig am Ende saaliger Dimension.
Deutet mich näher fetthandwinkig, säuig trieflachend.
Der Zahlmeister hinter mir übel schweißend,
drängt mich schulterdrückend näher dem marmornen Denkbord.
Zehn Worte seien mir gegeben, dünstelt der hinter mir.

Auf meine Mittelbeine muss ich sinken: auf Stein.
Der Wohlhaber hebt sich, zirkuliert um das Bord.
Feister Korpus nun knapp vor mir,
schwer parfümierter Menschenspeck sticht meinen Sinn.
Mein Sagen: demutend und leise, neun Worte für die Bitte.
Schrill hysteriert der Wohlhaber: mit einem Wort sein Ablehnen.

Meine Augen dunkeln verborgen für den Unvermuter.
Hebe Tastsprossen zu Wangen, decke Augen:
Zu flehend Weinerlichem mutiere ich gramtäuschig.
Kralle in volle Strähnigkeiten über meiner Stirn:
denn nur dort ward ich nicht perlustriert, vom Sicherer.
Entwirre scharfe Langnadel mit schnellem Griff.

Der Schinkenwanst staunt mir seufzend zu.
Zu flink sank die Nadel in cardiaces Gewebe. Ein. Aus.
Der Zahlmeister öffnet sein Schreiloch: doch ohne Laut.
Behände drehe ich seinseits und suche den Punkt. Ein. Aus.
Verlasse unhastig diesen und andere Räume.
Zahlmeister und Wohlhaber bleiben zurück schreilos:
Herzen gebrochen.


(aus Schwarze Perlen)
http://up.picr.de/22391263mh.jpg
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.06.2015, 11:58   #2
Thing
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Standard Lieber Ralfchen -

Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
Der Bitter


Hohlkreuzig mit gebeugtem Kopf schamheiß
konfrontiere ich den Zahlmeister des Wohlhabers.
Erbitte um Stundung von Schuld für lebende Ahnen.
Kann kaum Flehen über trocken brüchige Lippen ringen.
Flickfetzen hängen ärmlich um meine Lenden,
hundertfach gereint mit hartem Wasser,
um mindestmöglich Stolz durch Sauberkeit zu wahren.

Der Zahlmeister blinzelt, Lachfalten zerren seine Starrer
in mongoliges Spaltgrinsen, Mund befreit kariöses Zahnbein
umringt von dunkelrot paradontem Ruchfleisch.
Gelbliche Zungenspitze feuchtet in klebrige Mundwinkel.
Es sei ein Nachgab an Zeitlichem kaum real,
der Wohlhaber hat vieles an Investigem terminlich,
das unverschoben bleiben müsste.

So brennt Bitte aus meiner Kehle, mein Anliegen Ihm,
selbst angesichtig und mit erklärender Not zu erdeuten.
Der Zahlmeister hebt kabelnden Kommunikator: flüstert.
Sekunden streicheln meine Not, zagen leicht davon.
Gut nun: selbiger sei gnadenreich, heute zur Ausnahme
und so gestatte man mir Einlass:
der Fußhosen sei zu entledigen.

Meine Gebet an ihn also: in Nacktheit an Sohle und Seele.
Hoher Raum duftet mich an mit kühlem Dunkel.
Der Wohlhaber weitleibig am Ende saaliger Dimension.
Deutet mich näher fetthandwinkig, säuig trieflachend.
Der Zahlmeister hinter mir übel schweißend,
drängt mich schulterdrückend näher dem marmornen Denkbord.
Zehn Worte seien mir gegeben, dünstelt der hinter mir.

Auf meine Mittelbeine muss ich sinken: auf Stein.
Der Wohlhaber hebt sich, zirkuliert um das Bord.
Feister Korpus nun knapp vor mir,
schwer parfümierter Menschenspeck sticht meinen Sinn.
Mein Sagen: demutend und leise, neun Worte für die Bitte.
Schrill hysteriert der Wohlhaber: mit einem Wort sein Ablehnen.

Meine Augen dunkeln verborgen für den Unvermuter.
Hebe Tastsprossen zu Wangen, decke Augen:
Zu flehend Weinerlichem mutiere ich gramtäuschig.
Kralle in volle Strähnigkeiten über meiner Stirn:
denn nur dort ward ich nicht perlustriert, vom Sicherer.
Entwirre scharfe Langnadel mit schnellem Griff.

Der Schinkenwanst staunt mir seufzend zu.
Zu flink sank die Nadel in cardiaces Gewebe. Ein. Aus.
Der Zahlmeister öffnet sein Schreiloch: doch ohne Laut.
Behände drehe ich seinseits und suche den Punkt. Ein. Aus.
Verlasse unhastig diesen und andere Räume.
Zahlmeister und Wohlhaber bleiben zurück schreilos:
Herzen gebrochen.


(aus Schwarze Perlen)
http://up.picr.de/22391263mh.jpg
Ich bin fast sprachlos.
Zwei, drei Worte:
Genial.
Der markierte Vers ist ein Hieb ins Sonnengeflecht.


Die infantilen Kostverächter werden wahrscheinlich kein Wort verstehen.


Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.06.2015, 19:50   #3
männlich Jeronimo
gesperrt
 
Dabei seit: 10/2011
Alter: 70
Beiträge: 4.237

Ich als infantiler Beköstigter finde den Text überragend und grandios. Natürlich auch wegen dem Happy End, dass sich die Leserseele wünscht.
Meine Hochachtung, lieber Ralfchen!

Jeronimo
Jeronimo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.06.2015, 21:40   #4
männlich Ex-Ralfchen
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302

hhhhhhhhh...ja das musste sein - danke lieber freund.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
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