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25.10.2014, 11:42 | #1 |
Die Verpuppung
Die Verpuppung
Der Blick in den Spiegel zeigt mir mein entblößtes Antlitz. Leer und glasig schauen mich meine Augen an. Pein und Schmerz kleiden meinen Körper und foltern meinen Geist. Fade und ledrig wirkt die Haut in meinem Gesicht und erzählt eine Geschichte von Angst und Furcht. Tiefpurpurne Äderchen durchziehen die feine Haut rund um meine Augen und mir scheint es so, als wäre ich schon übergetreten in eine Dimension, die nicht länger von den Lebenden besiedelt wird. Ich schaue durch meine Pupillen an der hellblauen Iris vorbei ins Schwarze und sehe, was dort lauert. Wie fremd, blinkt mich ein Wesen an, welches tief und verborgen hinter meiner Stirn tobt und zeitlebens nur ein Ziel hat: Mich zu verzehren. Ich weiß nun: Es ist an der Zeit. Und wie ein Donnerschlag fährt ein Todesschmerz durch meinen Körper und bringt mich fast um. Ein letzter Blick in den Spiegel offenbart mir ein groteskes Abbild meiner selbst. Wie blutunterlaufen schauen mich Augen an, aufgerissen vor Schmerz und Furcht und wie zerfetzt löst sich die Haut von meinem Gesicht und gibt den Blick frei auf das, was einst verborgen lag. Mein wahres Wesen, welches nun frei ist von jenem Gespenst, das es so lange gefangen hielt, kommt nun zum Vorschein und formt einen neuen Körper. Und wie eine Raupe, die sich verpuppt, löse ich mich mehr und mehr heraus aus meinem alten Körper, leide Schmerz und Befreiung zugleich und beobachte, wie sich jeder Muskel, jeder Knochen und jede Sehne frei schält aus der alten Hülle. Und wie ein samtener purpurner Fluss, fließt mein eigenes Blut aus meinem entblößten Körper heraus und umhüllt mich wie ein warmer Mantel. Und wie eine Raupe, die sich verpuppt, begebe ich mich in die Puppenruhe, voller Ungewissheit und voller Angst. Kalt und starr verharrt mein Körper, so, als wäre alles Leben aus ihm entflohen. Still und dunkel entfaltet sich eine kleine Welt um mich herum, die ich eines Tages zerstören muss. - Und von Dunkelheit umhüllt, kalt, starr und von Schmerz gepeinigt, sah ich dem Wesen in das groteske Antlitz: Es nannte sich Kokon. Und ich sah es: Gespenster wüten auf dieser Erde. Viele Menschen haben vergessen, sie vergaßen, wer sie sind, woher sie kommen und sie vergaßen, wozu sie letztendlich auserkoren waren: Sie hätten alles sein können, wenn sie nur danach gehandelt hätten. Doch sie taten es nicht, denn sie erkannten es nicht. Und erst am Ende verstand ich, was ich tatsächlich sah: Ein Bild von mir selbst, denn ich selbst war der Kokon, in dem ich etwas verändern konnte. Doch wie ich neugeboren wurde und wieder Fuß fassen konnte in einer Welt, die mir fremder nicht hätte erscheinen können, verstand ich meine neue Aufgabe und wie der Wind an meinem verwandelten Körper vorbei strich, war es, als breite ich endlich und nach langer Zeit meine großen und kräftigen Flügel aus, um als Vollendung die Lüfte des Lebens zu erobern. Und wie ein anmutiger Schmetterling flog ich empor, empor in die weite Welt dem Licht entgegen und mir folgten treu und ebenso anmutig die Falter der Nacht, welche mir nach einer langen Zeit des Suchens die Wahrheiten des Lebens lehrten: Ich kann alles sein, wenn ich nur danach handele. - Und wir schreiben das 21. Jahrhundert. Ich bin ein Mensch. Ich wurde wiedergeboren. |
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