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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 06.12.2021, 20:51   #1
männlich Andri
Gast
 
Dabei seit: 12/2019
Ort: Die Erde
Beiträge: 425

Standard Die Wächter

Die Wächter

Einer sehr pedantisch und grau
traumlos, glaubt sich wichtig und schlau
Steht in speckig alter Robe
Prokurist und nicht fürs Grobe

Tanzen gauklergleiche Schmetterlinge
lebend, ohne Fesseln, oder Ringe
sammelt sie ein, lässt keinen leben
Körper um sie auf Papier zu kleben

Tollen sie, eine Schar fröhlicher Kinder
lauter lachend kleine Wahrheitsfinder
oder heulende Wölfe, kettet er sie kalt
sind im Zwinger bald schon zahnlos alt

Es wird gewogen, gezählt, bedacht
keines, dass einfach sagt wie gedacht
Niemals ist Liebe aus dem Tor geflogen
oder Glück, jubelnd und im hohen Bogen

Mitleid, und ein tröstendes Wort
schickt er weg, er schickt es fort
Er denkt vorsichtig, gemein auf seine Weise
und vor dem Tor ist meine Stimme leise

Der andere sitzt im Hintergrund
er blickt nicht auf meinen Mund
Gewand aus dunklem harten Stahl
Er lässt mich frei, hab jede Wahl

Nur wenn sich die rote Welle bricht
aus tiefem Schlaf tritt er ans Licht
hält unerbittlich mit eisernem Griff
den Kapitän vor dem tödlichen Riff
erst wenn die rasende Wut verblasst
und mich die Ratio wieder erfasst

gibt er mich frei zu entscheiden

Geändert von Andri (06.12.2021 um 23:08 Uhr)
Andri ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2021, 14:52   #2
männlich dunkler Traum
 
Benutzerbild von dunkler Traum
 
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.534

... es verursachte mir Schmerzen, mich hier teilentblößt zu lesen, doch Deine treffenden Worte erzeugen Ehrfurcht, hab dank, Andri.

wünsche schöne Träume
dunkler Traum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2021, 16:39   #3
weiblich C.Alvarez
 
Benutzerbild von C.Alvarez
 
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.892

Zitat:
Zitat von Andri Beitrag anzeigen
gibt er mich frei zu entscheiden
Lieber Andri,
ich habe deinen Text mal destilliert um das Thema des Textes sozusagen von den verdampfbaren Wörtern zu trennen und die eigentliche Aussage deines Werkes durch Kondensation der Schlüsselwörter aufzufangen und so ihren Zusammenhang zu erkennen. Wenn ich jetzt das Resultat anschaue, dann stimmt der letzte Satz nicht. Er müsste lauten:

"gibt er mich frei hinzuscheiden"

Kann das sein? Vielleicht habe ich auch einen Fehler gemacht, ich beschäftige mich noch nicht so lange mit Textdestillationen.

Liebe Grüsse

Corazon
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2021, 17:08   #4
männlich Andri
Gast
 
Dabei seit: 12/2019
Ort: Die Erde
Beiträge: 425

Lieber dunkler Traum,
das ist ja ein sehr großes Lob, ich hoffe dass wir das Gedicht ähnlich sehen! Und daher auch so oft ähnlich empfinden.
Viele Grüße,
Andri

Liebe Corazon, du musst mir die Methode unbedingt erklären, ich finde das sehr interessant.
Dennoch liegst du da vielleicht nicht ganz richtig. Die Interpretation ist die folgende: Der erste Wächter, ist meine Unfähigkeit Gefühle gerade heraus und spontan zu äußern, mit anderen zu kommunizieren wie sie es bräuchten. Es ist eine starke Hemmung, ja Unfähigkeit meinerseits. Nie rede ich direkt, jedes Wort muss erst am "Wächter" vorbei und wird seziert und klein gemacht.
Der zweite Wächter ist anders, ich bin von Natur jähzornig und könnte auch in einem Gewaltausbruch mich und andere ins Unglück stürzen. Dafür ist der zweite Wächter, er wird mich immer halten mir die Zeit geben um klaren Verstandes zu entscheiden: Zuschlagen oder nicht.
Es gibt bei mir keinen Affekt:
Nicht den kleinen alltäglichen (Wächter 1)
Nicht den gefährlichen, gewaltsam, tödlichen (Wächter 2)

Liebe Grüße,
Andri
Andri ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2021, 18:43   #5
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.680

Lieber Andri,

ohne Erklärung hätte ich das Gedicht nicht verstanden. Es ist schon interessant, was mit den Wächtern gemeint ist.

Ich habe die Sache anders geregelt, wenn ich nicht weiß, ob ein Wort falsch ankommt beim Gegenüber (also im reality life, nicht im Internet, da ist es einfacher), sage ich lieber gar nichts.

Ich finde dein Gedicht sehr fantasievoll, ich wäre auf so eine Idee nicht gekommen.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2021, 19:40   #6
männlich Andri
Gast
 
Dabei seit: 12/2019
Ort: Die Erde
Beiträge: 425

Liebe Silbermöwe,
danke für dein Lob. Phantasievoll ist es vielleicht schon, aber es läuft doch etwas unrund. Da war ich wie immer zu ungeduldig mit dem Veröffentlichen.
Ich sage auch oft lieber gar nichts.. aber halt auch dann wenn es besser wäre etwas zu sagen!
Zitat:
Niemals ist Liebe aus dem Tor geflogen
oder Glück, jubelnd und im hohen Bogen
oder auch
Zitat:
Mitleid, und ein tröstendes Wort
schickt er weg, er schickt es fort
das ist das Problem.

Liebe Grüße,
Andri
Andri ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.12.2021, 21:48   #7
männlich Ex-Lichtsohn
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493

Lieber Andri,

es gibt einen Moment, da sieht man sich sitzen und schaut
sich selbst zu, dieser Moment rückt oft aus einer Zeit in eine
andere und dann ist er wieder sehr nah. Es gibt einen Moment
da glaubt man Bilder aus einer Zukunft zu sehen und findet sich
in einem Raum in dem so viele Türen sind. Es gibt einen Moment,
da ahnen wir dass wir in diesem Raum stehen könnten und ab und
an fröstelt uns dieser Gedanke vielleicht, aber eigentlich ist es nichts,
das uns ängstigen sollte, denn wenn wir uns zu diesem Raum denken,
ist alles friedvoll und klar. Es gibt einen Moment, da sollten wir anfangen,
die Türen aufzumachen und hineinschauen, vielleicht ist unsere Furcht ein
wenig übertrieben und hinter den Türen warten Gedanken und Ideen, die uns
Antworten geben, die uns weiterbringen und die eine Welt öffnen, ohne die
andere restlos aufzulösen.
Ich wünsche dir diesen einen Moment und den Mut dazu die Türen aufzumachen,
aber ich kann dir nichts versprechen, ich glaube, dass kann niemand.

Alles Liebe
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2021, 16:33   #8
männlich Andri
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Dabei seit: 12/2019
Ort: Die Erde
Beiträge: 425

Hallo Lichtsohn, das hast du schön formuliert und bedacht. Aber oft sind es gar nicht viele Türen. Fast immer ist es eine, in diesem Moment genau eine die man öffnen könnte. Und ich bewege mich gern dazwischen und halte mir den Rückweg offen. Ich guck mal vorsichtig rein und sag lieber nichts.

Liebe Grüße,
Andri
Andri ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2021, 16:45   #9
männlich Ex-Lichtsohn
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493

ich hoffe du hast die richtige erwischt - es ist so laut

alles liebe
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2021, 22:03   #10
weiblich Zaubersee
 
Benutzerbild von Zaubersee
 
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Alter: 66
Beiträge: 2.583

Lieber Andri,


phantasievoll; das ist Dein Gedicht für mich unbedingt.
In einem anderen Zusammenhang benutze ich ich das "Wächter" auch. Es ist ein kraftvolles Wort, mit dem man vieles transportieren kann.

Interessant wäre eine "Eigenanalyse", was den ersten Wächter betrifft. Wenn die Worte, die nach außen dringen seziert und kontrolliert sind, weiß
das lyyrische Ich denn genau, was es gesagt hätte, an dem ersten Wächter vorbei? Ich meine ausgesprochen. Es ist ein Unterschied, ob ich ungefähr weiß was ich denke, oder ob ich es, auch für mich, einmal verbalisiert habe, mit jedem Wort, das dafür zur Verfügung steht. Es ist in der Genauigkeit manchmal eine Überraschung, denn was ich sagen möchte und sage geschieht in der Sekunde der Formulierung ... es fließt aus mir heraus, während ich erfahre was "genau" ich sagen möchte. Denn auch, wenn mir tendenziell klar ist, was ich sagen wollte, schenkt mir meine eigene Formulierung eine differenziertere Anschauung dessen. Ich bin manchmal überrascht, was noch hinter meiner "Ursprungsidee" steckt.
Was das lyrische ich davon seinem Gegenüber zumuten möchte ist vielleicht noch etwas anderes ... obwohl auch da spannend wäre, was denn geschähe, wenn es es wagte und was es genau daran hindert.

Ich würde da mit Lichtsohn gehen und sagen: lass es das lyrische ich wirklich mal etwas genauer ansehen.
Auch das mit dem 2.Wächter.
Jähzorn kann, wenn er unkontrolliert und vor allem unreflektiert geschieht unheilvoll sein. Aber die Kraft, die dahinter steckt, die Energie, kann gezähmt ein Segen sein.


Mir gefällt Dein Gedicht ausgesprochen gut. Die Schmetterlinge, all das was so wunderschön ist und sich nicht sehen lassen darf ...da zusehen zu müssen, wie das beiseite geschoben wird, ist die Aufforderung sich dem Wächter zu stellen ... ich glaube der wartet nur darauf, dass er endlich in den Ruhestand gehen kann ;-)


Lieber Andri, dieses Gedicht ist für mich ein Favorit! Und zwar auch deshalb, weil es so viele Möglichkeiten der Betrachtung gibt. Es hat Tiefe und Liebe und unglaublich viel Raum für das lyrische Ich, um zu arbeiten und die Situation zu verändern, zu seinen Gunsten... alles ist dafür vorhanden ...


Liebe Nordgrüße

Zaubersee
Zaubersee ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2021, 15:58   #11
männlich Andri
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Dabei seit: 12/2019
Ort: Die Erde
Beiträge: 425

Liebe Mara,
dein Kommentar hat mich besonders gefreut und ich bin richtig stolz auf den Favoriten!
Und du hast auch gleich den Finger auf den entscheidenden Punkt beim ersten Wächter gelegt:
Zitat:
Interessant wäre eine "Eigenanalyse", was den ersten Wächter betrifft. Wenn die Worte, die nach außen dringen seziert und kontrolliert sind, weiß
das lyrische Ich denn genau, was es gesagt hätte, an dem ersten Wächter vorbei? Ich meine ausgesprochen. Es ist ein Unterschied, ob ich ungefähr weiß was ich denke, oder ob ich es, auch für mich, einmal verbalisiert habe, mit jedem Wort, das dafür zur Verfügung steht. Es ist in der Genauigkeit manchmal eine Überraschung, denn was ich sagen möchte und sage geschieht in der Sekunde der Formulierung ... es fließt aus mir heraus, während ich erfahre was "genau" ich sagen möchte. Denn auch, wenn mir tendenziell klar ist, was ich sagen wollte, schenkt mir meine eigene Formulierung eine differenziertere Anschauung dessen.
Genau dieses und fast bin ich versucht es noch schärfer zu formulieren: Ist es vielleicht nur ein unausgegorenes Gefühl, dass diese Worte, die Schmetterlingsworte, die Liebes und Glücksworte, die Worte des Trostes und des Miteinander in mir sind? Nur eine romantische Vorstellung meiner selbst dass diese Gefühle da wären, dass sich etwas Bahn brechen wollte? Der Wächter ist letztliches ein bequemes Konstrukt, aber er wacht vielleicht gar nicht da es nichts zu bewachen gibt. Ja so spielt man mit sich selbst Verstecken.

Und doch hast du mir mit deinem Kommentar Mut gemacht es immer wieder aufs Neue zu unternehmen im Gedicht und im Leben!

Alles was du zum zweiten Wächter sagtest ist richtig: Ich bin froh ,dass mein Geist zu einem Körper gehört der eine stürmische Lebensenergie besitzt, dies hat mir oft über schwierige Zeiten geholfen.

Liebe Grüße,
Andri
Andri ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2021, 21:26   #12
männlich Ex-Lichtsohn
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Beiträge: 1.493

Lieber Andri,

Zitat:
Ist es vielleicht nur ein unausgegorenes Gefühl, dass diese Worte, die Schmetterlingsworte, die Liebes und Glücksworte, die Worte des Trostes und des Miteinander in mir sind? Nur eine romantische Vorstellung meiner selbst dass diese Gefühle da wären, dass sich etwas Bahn brechen wollte? Der Wächter ist letztliches ein bequemes Konstrukt, aber er wacht vielleicht gar nicht da es nichts zu bewachen gibt. Ja so spielt man mit sich selbst Verstecken.
Du hast ganz definitiv die richtige Tür erwischt.

Alles Liebe
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
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