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Fantasy, Magie und Religion Gedichte über Religion, Mythologie, Magie, Zauber und Fantasy.

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Alt 18.10.2021, 12:37   #1
weiblich Mohrel
 
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Standard Gold

Stocksteif, doch erhaben, in samtener Robe,
gekrönt und gesalbt, und zum Herrschen bereit,
sitz ich noch im Thronsaal, wie ich es gelobte
und lausche geduldig dem Echo der Zeit.

Geleert sind die Stühle, die Gäste verschwunden,
verhallt sind die Tänze, Musik und Gesang,
gelöscht auch die Kerzen, die Schatten umrunden
mich grüßend, doch sind sie nicht mehr von Belang.

Denn vor mir der Kelch, fast zur Neige getrunken,
birgt nur einen Schluck noch im goldenen Schoß,
ermahnt mich zur Einsicht und Umkehr, versunken
in Stille stellt sich die Vergänglichkeit bloß.

Erinnernd liegt noch der Geschmack auf den Lippen,
wie Galle, gleich Wermut, und Blei an Gewicht,
als ich mich entscheide, den Kelch leer zu nippen
wohl wissend, dass in mir die Geißelung spricht.

Sodann leg ich Zepter und Krone beiseite,
streif ab meinen Schmuck und die Ketten aus Gold,
schlüpf aus meinem Kleid und den Schuhen aus Seide,
und wähle die Leichtigkeit als meinen Sold.
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.10.2021, 19:54   #2
Ex-Pennywise
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Dies liebe Mohrel ist von der Metrik das Beste, das ich von Dir bisher gelesen habe. Und noch dazu ist es bildgewaltig.
Zum Inhalt:
Geht es hier wirklich um eine Herrscherin, die mehr oder weniger ihre Gefolgschaft verliert oder haben wir hier zum Beispiel einen Menschen, der sich im Glanz des Erfolges rühmte und nun in Vergessenheit gerät. Im Eintausch mit dem Ruhm aber eine erlösende Leichtigkeit und Freiheit erlang. Dies würde allerdings nicht in die Rubrik passen.
Eine weitere Deutung wäre das Versinken von Religion in Bedeutungslosigkeit. Beispielhaft fällt mir hier spontan die katholische Kirche ein.
Ich will keine Erklärungen.
Ich finde, dass ein Text, der so viele Möglichkeiten beinhaltet, qualitativ außergewöhnlich ist. Das macht es für mich aus. Ich finde das richtig, richtig gut gelungen.

Gruß

Pennywise
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.10.2021, 05:55   #3
weiblich Mohrel
 
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Beiträge: 670

Vielen Dank, lieber Pennywise, für die Blumen

Es ist immer wieder spannend zu lesen, welche Deutungsmöglichkeiten du findest!
Aber so ist es, denk ich, mit allem. Auch wenn man das gleiche sieht, nimmt doch jeder unterschiedliche Dinge wahr..

Ich freu mich riesig über dein Lob!

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.10.2021, 15:46   #4
männlich Andri
Gast
 
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Hallo Mohrel
Gefällt mir sehr dein Gedicht und wirklich kann man so wunderbar über die Bedeutung rätseln. Es erinnert auch fast an die Rätsel, deren Lösung dann die Zeit, oder ähnliches ist...
Nicht, dass ich je richtig lag bei der Erklärung deiner Gedichte und erst mit deiner Erklärung fällt es mir dann immer wie Schuppen vor den Augen. Und oft war ja der Titel schon eine Art Schlüssel.
Aber schwierig, diesmal, hmm vielleicht die jugendliche Eitelkeit der Thron auf dem du saßt, es bitter ankommt sie aufzugeben, man aber mit Freiheit belohnt wird.
Ich wage bei so schöner Frau kaum diese Deutung auf dass mich nicht dein verdienter Zorn trifft...

Liebe Grüße
Andri
Andri ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.10.2021, 18:24   #5
weiblich Mohrel
 
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Standard Dankeschön

Oh, lieber Andri, jetzt bringst du mich aber in Verlegenheit!
Ich würde ja gerne schreiben, dass es nicht um Eitelkeit geht und das LI weit davon entfernt ist, aber in gewisser Weise ist ja niemand frei davon und sich als darüber erhaben zu empfinden, beweist schon eine zugrunde liegende Arroganz.

Aber eigentlich geht es tatsächlich um das, was einem (persönlich) Gold wert ist. Und - dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt.

Ich freu mich sehr, dass es dir gefällt!

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.10.2021, 18:32   #6
männlich Anaximandala
 
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Ort: Zu Hause
Beiträge: 1.190

Ich kann mich Pennywise und Andri da nur anschließen, das Gedicht ist wirklich richtig gut ein wenig rätselhaft xD
Mein erster Gedanke ging spontan in die Richtung, dass Macht und Herrschaft nicht glücklich gemacht haben und somit mehr Fesseln waren, und die Entscheidung, sich davon loszusagen das Lyrische Ich zum Gold in Form von Leichtigkeit gebracht hat.

Stocksteif klingt nicht sehr glücklich, aber Leere Säle klingen verlassen (worden).
Das könnte natürlich Symptom eines Herrschers, der es nicht sein will sein, vielleicht sind die Menschen deshalb gegangen, vielleicht wurden sie deshalb fortgeschickt, vielleicht hat der Lauf der Zeit es auch so ergeben und mit den Menschen ist auch die Freude am Herrschen verschwunden...
Der letzte Schliuck im Kelch könnte auf das fehlende Glück hindeuten, er könnte die Erkenntnis sein, dass das LI sich nicht dort befindet, wo es glücklich wird, die mit dem letzten Schluck verinnerlicht wird... oder die schmerzhafte Erinnerung an die Tage, als alles noch Glück bedeutet hat, die mit dem letzten Schluck hinter sich gelassen wird, dass das man sich mit Leichtigkeit Neuem zuwenden kann. In.beiden Fällen könnte der Schmerz darüber die Geißel sein.

Klarheit schaffen die Ideen bei mir aber trotzdem nicht xD
Aber gefallen tut mir dein Gedicht sehr.

Viele liebe Grüße
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.10.2021, 19:09   #7
weiblich Mohrel
 
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Beiträge: 670

Lieber Anaximandala,

deinen ersten Gedanken und die anderen Ideen dazu finde ich richtig gut!
Aber warum schaffen sie keine Klarheit?

Dass ein Rätsel daraus wird, war überhaupt nicht beabsichtigt. Ich hatte ein gewisses Gefühl vor Augen (genaugenommen ein Gefühl, das sich in ein anderes wandelt, und dieser Moment, in dem das geschieht) und das wollte ich in Worte fassen.

Ich danke dir für deine Antwort und freu mich sehr, dass es dir gefällt!

Liebe Grüße


P.S: Stocksteif - das war mein erster Impuls dazu, das erste Wort, das mir einfiel. Die Ausgangslage sozusagen. Verstockt, festgefahren, erstarrt...

Geändert von Mohrel (22.10.2021 um 20:47 Uhr)
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.10.2021, 21:14   #8
männlich Anaximandala
 
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Beiträge: 1.190

Hey Mohrel, freut mich das zu lesen

Unklar bleibt es, weil die Gedanken in verschiedene Richtungen gehen, vielleicht hätte ein Ansatz alleine da mehr Sicherheit gegeben xD
Aber am Ende ist die Unklarheit auch eher Ergebnis von dem Blick in die falsche Richtung, ich glaube dass in der Königs(w/b)ürde etwas negatives liegt und der Aufbruch zu etwas anderem Leichtigkeit mit sich bringt, ist sehr klar. Einen Grund braucht es garnicht unbedingt, damit sich ein gutes Bild ergibt und damit beschränkt sich dein Gedicht nicht auf eine Möglichkeit, sondern hält das Spektrum offen, so dass es alles sein könnte

Ein Gefühl zu beschreiben, oder etwas, dass aus dem Un(ter)bewussten aufblitzt, ist wirklich spannend, aus solchen Versuchen sind einige meiner liebsten Gedichte entstanden
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.10.2021, 01:38   #9
Ex-Pennywise
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Beiträge: 599

Übrigens meine ich, das erste Mal Amphibrachys bei Dir zu lesen. Und sie klingen verdammt gut.
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.10.2021, 07:53   #10
weiblich Mohrel
 
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Beiträge: 670

Zitat:
Zitat von Anaximandala Beitrag anzeigen
Ein Gefühl zu beschreiben, oder etwas, dass aus dem Un(ter)bewussten aufblitzt, ist wirklich spannend, aus solchen Versuchen sind einige meiner liebsten Gedichte entstanden
Das geht mir irgendwie immer so!

Ich danke dir!

@Pennywise

Ich staune ja immer wieder über deine Art Gedichte zu schreiben. Du hast, glaub ich, immer so einen Plan vor Augen, welches Metrum es z.B. werden soll, oder welches Thema..
Bei mir ist das meistens einfach der erste Vers, der den Rhythmus vorgibt. Unabhängig davon, wie sich das Metrum nennt. Ich mag einfach die Melodie, die durch das Gedicht entsteht.

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2021, 20:54   #11
männlich Luigi B
 
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Beiträge: 124

Standard Zu Mohrel

Nicht nur ein schönes Gedicht, bedeutend in der Grundaussage, ganz gleich wie man die Details interpretieren kann. Bis auf Winzigkeiten eine gute Sprache, aber was mir gefällt, sind die klaren Bilder und nicht, wie ich hier so oft lese, verschwommen, mysteriös hergeholte, die nicht zusammenpassen und von denen die Autoren oft nicht genau erklären können, was sie meinen.
Ich sehe neben der zitierten Macht auch die Schalheit von Ruhm und Selbstgefälligkeit. Ich sehe mit dem letzten Schluck das Ringen zwischen Festhalten am Bestehenden und Einsicht. Vergänglichkeit und Veränderung spielen auch eine Rolle in diesem Gedicht.
Die Bedeutung des Werkes liegt darin, dass es alle mahnen kann, die in Geltungssucht zu hoch hinaus wollen und in Hochmut im Überfluss leben.
Gruß
Luigi B
Luigi B ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.11.2021, 23:26   #12
weiblich Mohrel
 
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Beiträge: 670

Hab vielen Dank, lieber Luigi B,
fürs Lesen und für deine Antwort!

Dass du den letzten Schluck erwähnst, freut mich riesig, lag er mir beim Schreiben doch sehr am Herzen.
Das Ringen trifft es recht gut.
Der Hochmut allerdings, wird er auch oft genannt, war nicht beabsichtigt.
Aber vielleicht braucht es gerade davon eine nicht unerhebliche Prise, will man den letzten Tropfen leeren, selbst wenn die Lektion längst gelernt und das erneute Kosten der Bitterkeit unnötig ist.

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.12.2021, 13:34   #13
männlich Ex-Lichtsohn
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Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493

Liebe Mohrel,

inhaltsreich ohne überfüllt zu wirken, Metrik (zumindest das was ich
von ihr verstehe) in einer Reinheit und Klarheit ohne auch nur eine
Ecke oder Kante, spielerisch leicht komponiert wirkt es im Resultat
aber die Komposition war ganz sicher nicht leicht.

Eine Klitzekleinigkeit ist der "unreine Reim" von beiseite -> Seide
aber das ist Kleinkrämerei.

Imens starke Zeilen.

Alles Liebe
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.12.2021, 13:50   #14
weiblich Mohrel
 
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Beiträge: 670

Zitat:
Zitat von Lichtsohn Beitrag anzeigen
Liebe Mohrel,

inhaltsreich ohne überfüllt zu wirken, Metrik (zumindest das was ich
von ihr verstehe) in einer Reinheit und Klarheit ohne auch nur eine
Ecke oder Kante, spielerisch leicht komponiert wirkt es im Resultat
aber die Komposition war ganz sicher nicht leicht.

Imens starke Zeilen.

Alles Liebe
Lieber Lichtsohn,

ich fühl mich sehr geehrt!

Dankeschön!!!

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.12.2021, 18:43   #15
männlich Georg C. Peter
 
Benutzerbild von Georg C. Peter
 
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Ort: Karlsruhe
Beiträge: 833

Zitat:
Zitat von Mohrel Beitrag anzeigen
Denn vor mir der Kelch, fast zur Neige getrunken,
birgt nur einen Schluck noch im goldenen Schoß,
ermahnt mich zur Einsicht und Umkehr, versunken
in Stille stellt sich die Vergänglichkeit bloß.
Hallo Mohrel,

ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Sehr gelungen!
Mir gefällt vor allem die gewählte Begrifflichkeit, die Deine Zeilen zeitlos werden lässt:
Das könnte eine Herrscherin aus der Antike sein oder eine noble Dame, die heute noch gar nicht geboren ist.
Sehr fein und mit Würde verfasst. Mehr davon!

Viele Grüße von Georg
Georg C. Peter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.12.2021, 22:05   #16
weiblich Mohrel
 
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Beiträge: 670

Lieber Georg,

über deine Antwort freue ich mich riesig!!

Dankeschön

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.12.2021, 00:06   #17
männlich Phantom87
 
Benutzerbild von Phantom87
 
Dabei seit: 12/2021
Ort: irgendwo in Österreich
Alter: 36
Beiträge: 35

Hallo Mohrel,
wow! Einfach nur wow...
Großartig geschrieben.

Das kann ich nur mit einer kleinen Passage ergänzen.
Nicht, dass es ergänzungswürdig wäre. Ganz und gar nicht - Es ist perfekt so wie es ist

Mir war nur grad danach was passendes niederzuschreiben:

Wenn man mich nach der Zeit und dem Ruhme vergisst,
bin ich Seelenallein ohne Freund und Geleit.
Dann verstehe ich endlich, was Vergänglichkeit ist
denn vergänglich ist nicht mal die Ewigkeit (oder doch die "Vergänglichkeit"??? Man weiß es nicht so genau...)


Liebe Grüße aus Österreich
Phantom87 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.12.2021, 10:17   #18
weiblich Mohrel
 
Benutzerbild von Mohrel
 
Dabei seit: 11/2018
Beiträge: 670

Oh, liebes Phantom87,
ich freu mich riesig!!

Ich danke dir!
Auch für den Favoriten

Zitat:
Zitat von Phantom87 Beitrag anzeigen
Wenn man mich nach der Zeit und dem Ruhme vergisst,
bin ich Seelenallein ohne Freund und Geleit.
Dann verstehe ich endlich, was Vergänglichkeit ist
denn vergänglich ist nicht mal die Ewigkeit (oder doch die "Vergänglichkeit"??? Man weiß es nicht so genau...)
Das hat was!
Es ist aber weniger eine Ergänzung, als vielmehr der Auftakt zu einem neuen Gedicht.
(Mit dem Titel: Ewig währt Vergänglichkeit,oder so.. ) Auf jeden Fall mega interessant.
Und dass dich mein Gedicht dazu inspiriert hat, macht mich schon ein wenig stolz!

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
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