Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Kolumnen, Briefe und Tageseinträge

Kolumnen, Briefe und Tageseinträge Eure Essays und Glossen, Briefe, Tagebücher und Reiseberichte.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 28.10.2022, 14:36   #1
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.043

Standard Kommentare zu Dr.Frankensteins "KI-Philosophie"

Zunächst der Link zu dem Faden, der unter "Kolumnen, Briefen und Tagebucheinträge" steht und den Dr.Frankenstein seit einer Weile beharrlich auffüllt:
https://www.poetry.de/showthread.php?t=99781

Bisher hat noch niemand gewagt, die Texte zu kommentieren. Ich habe darüber nachgedacht, woran das liegen könnte, und bin zu dem Eregebnis gekommen: Sie zu lesen und zu kommentieren macht angesichts der Fülle zu viel Arbeit, und außerdem möchte man in diesem fortgeschrittenen Stadium den Fluss der Geschichte nicht mit Kommentaren unterbrechen.

Vielleicht gibt es noch andere Gründe, aber sie zu erfahren ginge eben nur über Kommentare.

Deshalb habe ich hier einen Begleitfaden aufgemacht für diejenigen User, die vielleicht doch kommentieren möchten. Einfach zum Kommentar die Episode in Dr.Frankensteins Faden verlinken, auf die er sich bezieht.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.10.2022, 15:51   #2
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.043

Standard Tier und Mensch

Ich mache den Anfang:

In seinem Text #1 beschreibt Frankie eine Diskussion zwischen Nietzsche und Tesla. Wer diese beiden Protagonisten sind, dürfte bekannt sein.

Zitat:
Nietzsche: "Einerseits ist der Mensch ein Wesen aus Fleisch und Blut, und als solches unterliegt er denselben Naturgesetzen wie alle anderen Geschöpfe. Andererseits ist der Mensch einzigartig, weil er über die Fähigkeit zur Vernunft und zur Sprache verfügt und somit in der Lage ist, komplexe Kulturen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Was den Marktwert betrifft, so würde ich sagen, dass der Mensch mehr wert ist als jedes andere Lebewesen auf diesem Planeten."
Zitat:
Tesla: "Der Mensch ist sicherlich zu großen Dingen fähig, aber das sind andere Tiere auch. ... Ameisen sind in der Lage, in großer Zahl zusammenzuarbeiten, um komplexe Nester zu bauen und nach Nahrung zu jagen. Außerdem sind sie in der Lage, durch chemische Signale miteinander zu kommunizieren. Was den Marktwert angeht, so würde ich sagen, dass Ameisen mehr wert sind als Menschen.

Die Frage, die Frankie durch seine Protagonisten aufwirft, ist alt und bis heute Gegenstand unterschiedlicher Meinungen: Ist der Mensch (noch) ein Tier? Oder steht er trotz aller Ähnlichkeiten mit den Primaten auf einer eigenen Stufe, die den Begriff "Mensch" als Abgrenzung vom "Tier" rechtfertigt? Ist er gar näher an Gott als an der Fauna? Immerhin hatte Gott den Menschen gemäß Überlieferung "nach seinem Ebenbild geschaffen". Aber wie sah dieser Gott aus, von dem man sich angeblich kein Bild machen darf?

Schwierige, heikle und widersprüchliche Fragen, die Frankie aufgeworfen hat.

Ich nehme mal den Begriff "Tier". Was ist das? Es ist die gesamte Welt des organischen Lebens, das nicht zu den Pflanzen und Mikroben gehört, also alles vom Einzeller in der Pfütze bis zum Fisch, zur Krabbe und zum Wurm, zum Vogel und zum Huftier, zu den Primaten und Frühmenschen und zum Cro-Magnon. Und alles Mögliche dazwischen, das Jahrmillionen überlebt hat oder ausgestorben ist.

Der Gedanke, wir Menschen seien Tiere, ist naheliegend, wenn wir uns mit den Primaten vergleichen, denn in vielen Verhaltensweisen ähneln wir uns. Doch die Genetiker behaupten, wir seien den Schweinen genetisch näher verwandt als den Primaten. Ist das nicht seltsam?

Doch was ist, wenn wir uns mit anderen Wesen vergleichen, die auch als "Tiere" gelten? Verhalten wir uns wie Spinnen, weben Netze und verfüttern die Männchen an unsere Brut? Tänzeln wir wie die Bienen umeinander herum, um uns mitzuteilen, wo der Nektar fließt? Trompeten wir durch die Nase, um unsere Gegner einzuschüchtern? Können wir uns in die Lüfte erheben, oder stürzen wir bei dem Versuch wie Ikarus in den Tod? Setzen wir uns wie die Fliegen auf die Exkremente anderer Tiere und laben uns anschließend am Kuchen auf der Kaffeetafel? Werfen wir Erde auf wie der Maulwurf? Schicken wir wie die Löwen die Weiber auf die Jagd? Werden wir zwei neue Lebewesen wie der Regenwurm, wenn er zerteilt wird? Können wir wie der Einzeller Verhaltensweisen ohne Gehirn lernen? Oder noch lernen wie eine Schabe, deren Kopf abgeschlagen wurde?

Das alles leisten Tiere in diesem großen Sammelbegriff, in dem alles vorhanden ist, vom Einzeller bis zum Orang-Utan. Genau genommen gibt es nämlich "das Tier" überhaupt nicht. Es gibt nur Arten, Gattungen usw., oder nenne man es "Spezis". Und wir Menschen sind eine davon, die sich klar und deutlich abgrenzt, nämlich durch Sprache, abstraktes Denken, Kultur und Wissenschaft.

Wir sind nicht "göttlich". Aber wir grenzen uns deutlich von dem ab, was man unter "Tier" versteht. Meiner Meinung nach ist eine Verallgemeinerung wie "das Tier" überholt und die Zeit gekommen, jede Spezis für sich zu betrachten und für sich gelten zu lassen. Wenn wir die einzelnen Arten und Gattungen als einzigartig begreifen würden, gingen wir vielleicht anders mit ihnen um. Dann wäre ein Schwein nicht nur ein Schwein und eine Futterquelle für uns, sondern eine Spezis.

Wir müssen davon wegkommen, Lebewesen außerhalb des Menschseins unter dem inferioren Sammelbegriff "Tier" zu betrachten über das sich der Mensch erhebt. Jede Art steht für sich und hat das Recht, für seine Lebensweise einen Raum zu beanspruchen, so zu agieren, wie es für sein Überleben angemessen ist und auf seine Art respektiert zu werden. Pferde sind für mich keine Tiere, sondern Pferde. Fliegen sind Fliegen, Spinnen sind Spinnen, und Vögel sind Vögel. Und Menschen sind Menschen. Wir alle sind Lebewesen einer besonderen Art, aber keine Tiere. Man sagt, "Tiere" könnten nicht weinen. Aber wer einmal eine Kuh gesehen hat, der Tränen geflosssen sind, als man ihr das Kalb wegnahm, kommt vielleicht ins Grübeln.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.10.2022, 17:20   #3
männlich Dionysos von Enno
 
Benutzerbild von Dionysos von Enno
 
Dabei seit: 07/2021
Alter: 47
Beiträge: 274

Hi Dr. Frankenstein,

in Deinem locker geschriebenen Austausch zwischen Nietzsche und diversen Heroen der älteren und jüngeren Zeitgeschichte findet sich in der Tat in der Neugier und Unbedarftheit des "Fragen-stellens" eine nicht zu verbergende "Liebe zur Weisheit".

Neben allerlei Albernheiten kommen auch tiefer greifende Themen zur Sprache, ebben auf, verschwinden wieder in der Gischt der flapsig-witzigen Dialoge. Stellenweise hat mich die Improvisation an Helge Schneider erinnert, stellenweise an Quentin Tarantino, stellenweise an Udo Jürgens.

Am schönsten fand ich die Szenen mit Nietzsche und Osho und Nietzsche und Tesla. Manchmal liest es sich wie ein post-pubertärer Erguß, manchmal wie eine schöne Gute-Nacht-Geschichte. Manche Stellen würden zum Krimi taugen, oder zur Cyberpunk Dystopie. Selten liest man ein derartiges "Genre Hopping", das auch im Wording ohne jeglichen Kompromiß bleibt: Mal siezen sich die Figuren, dann duzen sie sich wieder, dann heißt er Tesla, dann Teslas usw. Eine gewisse Rotzigkeit im Ausdruck wechselt sich wieder mit fast schon naiv-infantilen Sentenzen ab und machen das ganze Opus völlig unberechenbar und in diesem Sinne frisch und spannend wie eine Achterbahnfahrt.

Sehr gut gefällt mir Dein Ton. Du hast hier eine fast schon eigene Sprache entwickelt, die Du konsquent durchhälst und die auch total authentisch rüber kommt. Mir gefällt das sehr ! Du hast auch brav darauf geachtet, dass genügend Konflikte deine -zwar kurzen- aber dennoch für Leseabbruch anfälligen Szenen laufen lassen. Anfällig, weil der geneigte Leser bald im Feuerwerk der Themen und angedachten Schlagworte unterzugehen droht, bald die Äuglein zufallen lässt ob mancher Fülldialoge, denen hin und wieder der Pfiff fehlt, wie er in anderen Bereichen wiederum wunderbar eingearbeitet worden ist. Manchmal erscheinen die Herleitungen in den Dialogen zu künstlich, zu banal oder nicht authentisch etwa wenn Kirk und Nietzsche über den Sex-Drive außerirdischer Frauen sinnieren. Warum Nietze Osho erst unter der Dusche verschont, ih dann aber später im Ashram erwürgen will erschließt sich nicht so recht. Die ganze Osho Szene ist aber einfach göttlich witzig geschrieben und hat einige Höhepunkte.

Dein Ausflug in die Brieffreundschaft zwischen NIetzsche und seinen Kontakten hat mit gut gefallen und ich bin gespannt, ob mehr kommt und der geneigte Leser noch einen roten Faden aufspüren wird.

mes compliments

Dionysos
Dionysos von Enno ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Kommentare zu Dr.Frankensteins "KI-Philosophie"

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche


Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Diskussion:"Soziale Intelligenz" Ilka-Maria Sonstiges und Small Talk 25 04.10.2021 22:44
"Das Schwert" "Inferno" "Infinitum" Nekro Gefühlte Momente und Emotionen 0 18.05.2021 13:33
Frankensteins Jesus Monster dr.Frankenstein Fantasy, Magie und Religion 1 18.01.2018 16:19
"Himmel der Hoffnung" oder "Zufluchtsort" Sehnsucht Gefühlte Momente und Emotionen 0 03.05.2009 13:28
Künstliche Gedanken,... natürlich David Geschichten, Märchen und Legenden 1 02.01.2007 10:19


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.