Ich hab dich gesehen (Kriminelli)

[Candlebee]

Ich habe dich gesehen
Arm in Arm mit diesem Mann.
Da war's um mich geschehen
und ich schmiedete den Tötungsplan.

Gern hätte ich verhindert
den Sturz aus Turmeshöhe.
Doch nichts hat meine Wut gelindert.
Jetzt fällst du - und ich gehe.

Aus einer Reihe meiner Kriminellis.
Candlebee

[Manni M.]

Hallo Candlebee,

eine wahrhaft düstere Entscheidung, die das LI da getroffen hat. Noch viel düsterer wäre es, wenn es die Sache mit dem ‚Arm in Arm‘ letzten Endes vielleicht noch missinterpretiert hätte. Frei nach dem Motto: Erst schießen, dann fragen.

Beste Grüße
Manni

[Ilka-Maria]

Guten Abend, Candlebee,

imponiert hat mir deine Idee, kurze Gedichte unter einem eigenen Genre "Kriminellis" zu schreiben. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass dies deine Kreation ist. Das finde ich super und spannend für die Leser.

Inhaltlich ist mir das Gedicht jedoch zu einfach und zu unplausibel, und zwar aus psychologischer Perspektive.

Zitat von Candlebee

Ich habe dich gesehen
Arm in Arm mit diesem Mann.
Da war's um mich geschehen
und ich schmiedete den Tötungsplan.

Ob ein Racheplan mit Tötungsabsicht derart schnell entsteht, halte ich für fragwürdig, vor allem, wenn der vermeintlich Betrogene nicht sicher weiß, was hinter dem "Arm-in-Arm" steckt. Es könnte sich um ein Missverständnis handeln. Normalerweise gehört ein komplexes Gemisch aus Emotionen dazu, das sich durch Dauerstress zu einer Kurzschlusshandlung aufbaut. So etwas kann passieren, wenn es zu einer Trennung kommt, die einseitig vollzogen wird, also mit Liebes- und Machtverlust einhergeht. Das sind die Momente, wo auf den ehemaligen Partner unvermittelt geschossen wird oder man ihn mit dem Messer oder der Axt attackiert.

Die Planung einer Tötung hat meistens andere Motive, wie z.B. die Aneignung von Vermögen oder die Befreiung aus einer unerträglich gewordenen, gewaltbetonten Beziehung, das Loswerden von Erpressern oder Mitwissern oder die Tötung eines Rivalen, der von der Gefahr, in der er schwebt, keine Ahnung hat. Das kann die Geliebte sein, die eine Ehefrau töten will, damit ihr Mann für sie frei wird.

Zitat von Candlebee

Gern hätte ich verhindert
den Sturz aus Turmeshöhe.
Doch nichts hat meine Wut gelindert.
Jetzt fällst du - und ich gehe.

Nein, diese Strophe ist nicht glaubwürdig. Der Täter hätte nicht "gerne verhindert", dass es zu seinem Tötungsentschluss kommt, sondern "gerne gehabt", dass es gar nicht erst zum Motiv für die Katastrophe kommt. Wenn aber in der Strophe zuvor von Planung die Rede ist, kann nicht in der nächsten Strophe die Rede davon sein, sie gerne verhindert zu haben. Das klingt wie Herausgerede nach dem Motto: Ich konnte gar nicht mehr anders. Stimmt aber nicht, denn man hat immer eine Wahl.

Der Schluss des Gedichts lässt darauf schließen, dass der Täter die ungetreue Partnerin oder den ungetreuten Partner zu töten trachtet, nicht den neuen Liebhaber. Was mit "und ich gehe" gemeint ist, bleibt offen. Der Täter taucht unter oder lässt sich nach vollbrachter Tat und Erlangung seiner Befriedigung in Gewahrsam mitnehmen?

Das ist alles unausgegoren. Mit zwei Strophen mehr hätte man ein derart komplexes Thema vielleicht in den Griff bekommen können.

Zu Form und Reim:
Daran könnte man auch noch arbeiten.

Wie gesagt, finde ich die Idee zu den "Kriminellis" gut. Aber ich halte das auch für eine Herausforderung. Und dafür ist mir das obige Gedicht zu oberflächlich. Das soll nicht heißen, dass du künftig ganze Polzeiakten in Epik umwandeln sollst. Man kann alles auf den Punkt bringen. Aber es sollte halt in sich stimmig sein.

LG
Ilka

[Candlebee]

Hallo Manni M. und Ilka-Maria,

die Idee der Kriminellis stammt hundertpro von mir. Allerdings ist dies eine hier schon vor Jahren geschrieben worden und das erste, das ich in ein Forum gestellt habe. Ich wollte einfach mal hören, wie es ankommt. Mir selbst fehlte etwas dran und eure Antworten geben Aufschluss.

Ilka-Maria, du hast dir echt viele Gedanken gemacht. Dafür dank dir sehr.

Nette Grüße, Candlebee

[Heinz]

Liebe Candlebee,
o wie kann ich es der Betrogenen nachfühlen!
Sie könnte sich hinsichtlich der Umarmungsszene geirrt haben?
Mitnichten!!!
Das kommt nur in Operetten vor, wo die Umarmte, wie sich später herausstellt, die Schwester des Geliebten ist.
Eifersucht ist eine starke Triebfeder und ich bin mal mit den folgenden Versen hochgegangen wie eine Tellermine:

Hätte ich sie doch mit Behagen
einfach kurz und klein geschlagen
oder mich nicht so geniert
und sie einfach massakriert.
Leider ließ ich sie am Leben
statt ihr den Todesstoß zu geben,
sie mit Lust zu garrottieren,
ließ ich mich lieber kujonieren;
das passiert mir nicht noch mal,
solch ein Leben ist fatal.

Liebe Grüße,
Heinz