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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
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30.07.2022, 10:17 | #1 |
Der Frost
Ich saß vor meinem Fenster, draußen wuchs
am Glas empor ganz unverfroren Eis wie Ranken spross es durch die klare Flur und teilte sich in kristallines Weiß es zog sich durch die Augen, wunderschön im Blick lag das Geflecht und mir wars heiß die Stirn schlug heftig an die Glace de Fleur zerbrach, auf schlag und unter kaltem Schweiß ran mir die Zeit vorweg in purem Rot das Eis nahm's eifrig auf in seinem Kreis so ist er wohl der Lauf vom schnellen Tod mein Atem schwelt im Blütenfrost, wird leis. |
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15.08.2022, 15:28 | #2 | |
Zitat:
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15.08.2022, 15:48 | #3 |
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Trotz des gelungenen Auftakts der ersten Strophe bin ich nicht restlos für das Gedicht zu begeistern. Zunächst nimmt das paradox klingende Wortspiel "ganz unverfroren Eis" den Leser gefangen. Mich hat es dazu veranlasst, zu forschen, was das Wort "unverfroren" eigentlich bedeutet, und habe herausgefunden, dass es zwar etwas mit frieren zu tun haben könnte, sich etymologisch aber wahrscheinlich vom mnd. "vorveren" = erschrecken, einschüchtern herleitet und dieses wiederum von "vare" = Gefahr. Man lernt nie aus.
Aber ab Strophe 2 wird es mir offen gesagt der schrägen Metaphern und Wortspiele zu viel. "... es zog sich durch die Augen ..." klingt unfreiwillig komisch, und bei dem "Geflecht im Blick" denkt man an die "mouches volant", die ab der Mitte des Lebens bei vielen Menschen auftreten und tatsächlich mit der Bildung von Hornfäden auf dem Auge zu tun haben. "Glace de Fleur" ist ein kleiner Rettungsanker, ein gelungenes Bild, das aber vom nächsten Vers kaputtgemacht wird: Was soll "auf schlag" bedeuten? Und der kalte Schweiß ist bei Hitze, die nicht durch Aufregung, sondern durch den Anblick von etwas Schönem entsteht (Wärme hätte es auch getan), für mich nicht glaubwürdig. Der 1. Vers der letzten Strophe beginnt bedauerlicherweise mit einem Schreibfehler - schade. Beim vorletzten Vers meine ich, dass der Genitiv stehen müsste ("so ist er wohl der Lauf des schnellen Tods"), und wenn dann auch noch der Atem im Frost "schwelt", ist es des Guten endgültig zu viel. Mit etwas dezenteren, besser dosierten Bildern hätte dieses Gedicht - gerade wegen der unerwarteten Dramatik, auf das es hinsteuert - etwas Tolles werden können. LG Ilka |
15.08.2022, 16:06 | #4 | |
Zitat:
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15.08.2022, 17:25 | #5 |
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Stimmt. Dafür liebe ich die deutsche Sprache und die Lyrik zu sehr. Aber zuweilen irre ich mich auch oder bin zu streng. Dann kann ich auch Widerspruch gut ertragen.
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15.08.2022, 17:47 | #6 | |
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Zitat:
"Lyrik ist für die Traurigen und für die Glücklichen gibt es Lieder" kommt nicht von ungefähr. Ein vernünftiger "Ton" in einem Gedicht, hebt die Literarizität um viele Stockwerke. Bei dem Werk von Monoton lässt sich dies noch relativ gut verdauen, wenn man ein Auge wohlwollend zudrückt, bei anderen Werken hier im Forum wiegt der Kontrast schwerer und gravierender. Hier eine Stelle aus dem Gedicht: es zog sich durch die Augen, wunderschön im Blick lag das Geflecht und mir wars heiß Ist kein schöner Ausdruck, wie ich finde. Die Kritik von Ilka mit "unverfroren" ist sehr berechtigt. Ansonsten gäbe es nur kleinere Dinge anzumerken, wie: ran mir die Zeit vorweg in purem Rot Zeit rennt in Rot weg? (Lyrischer Wert + Zeilenstil?) Gibt es Rot, das nicht pur ist? Ich stelle diese Fragen nicht, um zu sticheln. Ich finde es sehr wichtig. Jeder Autor sollte sich solchen Dingen stellen. Das ist beispielsweise die Kunst von versierten Expressionisten: Sie können jeden Reihen- und Zeilenstil ihrer Werke selbstreflektiert erläutern. |
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15.08.2022, 18:02 | #7 | |
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Zitat:
Und wer ist ein "versierter Expressionist"? Breton vielleicht? Der die Kunst des freien, unreflektierten Schreibens propagierte? Mir geht es um MonoTons Gedicht. Und eins ist klar: Er versuchte, mit der Sprache zu spielen und Metaphern aneinanderzureihen, die paradox sind. Kann man versuchen. Muss nicht unbedingt gelingen, aber es ist ein interessantes Experiment. Es hätte ja auch gelingen können, denn das Bild von dem vereisten Fensterglas, an dem sich eine Stirn bricht (weshalb?), die das Blut ihrer Wunde mit dem Weiß der Kristalle mischt und schließlich den Tod erfährt (oder zumindest erahnt), hat durchaus etwas Magisches. Aber statt auf diese Magie abzustellen, hat sich MonoTon in den einmal eingeschlagenen Weg der Pradoxien verbissen, anstatt sich davon zu lösen und eine andere Metaphern-Ebene anzusteuern. So empfinde ich es jedenfalls. Darin muss mir niemand folgen. Wem das Gedicht gefällt, kann offensichtlich damit mehr anfangen als ich. Der Versuch ist nicht schlecht, auch halte ich das Gedicht nicht für schlecht. Ich frage mich nur, ob es am Ende das geworden ist, was sich MonoTon vorgestellt hat. |
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15.08.2022, 18:43 | #8 |
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Es geht weniger um eine Erklärung, bevorzugt darum, dass man weiß wie man Sprache anwendet und warum. Ich schätze, vielleicht sind wir uns sogar einig.
Sachen wie folgendes Beispiel funktionieren in der Regel nicht gut, viel mehr entlarven sie den Laien, der mit Sprache so gut umgehen kann, wie ein Bär mit Partituren in der Mathematik: Gab Mut zum Stift aus dem erspürten Bilde, wie zaghaft tastete ich mich heran. Ich scheute, was die Landschaft im Gefilde an sanfter Wirklichkeit so bunt gewann. Die süße Morgenstimmung und im Dämmern, wenn schiere Wehmut aus den Zeilen steigt - das fand ich blöde, wollt den kram zerhämmern - hab grad den bogg nicht, der mir grad entsteigt. Diese Stilverunglimpfungen, die ich extrem fürchterlich finde, kannst du dutzendfach in der Lyrik von Anfängern finden. (Das Original der zwei Strophen (Wolfgang Altendorf) besitzt diese Abscheulichkeiten nicht) Ansonsten stimme ich Dir zu. In der Lyrik war/ist für mich Lerner einer der fähigen Expressionisten oder Herbert Hindringer. Lg und eine schöne Woche |
15.08.2022, 19:20 | #9 |
Forumsleitung
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Muss nicht sein. Wie gesagt, finde ich das Gedicht nicht schlecht. Was aber kein Kriterum sein kann, denn es ist nicht an mir, das letzte Wort darüber zu sprechen. Ich hatte nur ein paar Störpunkte.
Lassen wir doch einfach MonoTon Stellung nehmen ... so er will. Es liegt mir fern, ein Kreuzverhör zu eröffenen. Denn dafür ragt das Gedicht zu stark aus der Masse heraus. |
15.08.2022, 19:28 | #10 | |
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Zitat:
:-) Schlechte Gedichte sehen anders aus. lg |
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15.08.2022, 22:12 | #11 | |
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Zitat:
@ MonoTon Ich finde das sehr stark. Trifft natürlich auch genau meinen Geschmack und gerne verwendeten Themenstil. Eine klassische Szenerie, die auf einmal in einer Wendung ein völlig neues Bild ergibt. Und das in der Kürze eines Gedichtes. Ich finde das klasse. Sprachlich ist das auch gut umgesetzt. Ich lasse denke ich sogar einen Favoriten da. Gruß Pennywise |
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16.08.2022, 03:17 | #12 | |||||||||||||||
Zuerstmal "Was ist hier denn Los?"
Da ist man mal um 13 Uhr aus dem Haus gegangen und plötzlich ist man relevant. Hallo goedichte, Ilka-Maria, petrucci und Pennywise Gleich zu beginn möchte ich anmerken, dass ich eigene Gedichte ungerne vorgebe wie sie zu interpretieren sind. Vielleicht hilft beim Textverständnis der Zusatz, des Erfrierungstodes als dekodierer? Ich versuche mal der Reihe nach auf euch einzugehen. ---------------------- Hallo goedichte Zitat:
--------------------- Hallo Ilka-Maria Zitat:
Zitat:
Ein erfrieren wie im Kontext beschrieben dauert seine Zeit und so schön mir selbst das ganze "Wortgeklingel" erscheint und gefällt, erschwert es das hinein kommen. Kurz und knapp Strophe 1,2 und 3 sprechen von sogenanntem "Blitzeis" Verkehrsunfall /blitzfrost (Außerhalb) aufprall und bersten der Frontscheibe/ frieren und kälte als Hitze empfinden blutiges veratmen/ erfrierungstot und ausbluten (Zeit die in Rot gemessen wird, Lebenszeit/Blutverlust) Die verwendeten Metaphern (Wortspiele) die ich genutzt habe, lassen sich auch als Tropen verallgemeinern, da sie einen nahen sinnverwandten Bezug zum Kontext haben. Sie besitzen auch den Aspekt der Mehrdeutbarkeit auf Meta-Ebenen. Zitat:
Haben hier Menschen wirklich die Gabe etwas anzusehen und in sekundenbruchteilen sofort zu definieren? Ja, der ersteindruck zählt beim interpretieren sehr viel, ich weiß, aber oft kann ein Interpretationshergang am Text ganz neue Wege aufzeigen. Ich denke mir eigentlich schon etwas bei meinen Texten, wenn man dem nicht folgen kann habe ich das Gefühl ich wäre nicht ganz richtig im Kopf. An diesem Text saß ich 4 Wochen und bis auf bisher dargestellte "Vorlieben" im Dichten, habe ich keinen wirklichen kritikpunkt ausmachen können. Falls doch bin ich der Erste, der Einsicht zeigt und Texte sogar überarbeitet weil anderen der Inhalt nicht passt. Ich denke nicht, dass ich mich Handwerklich verstecken muss, aber klar stehe ich im Ausdruck auf einer anderen Buchseite als jemand der Seminare oder Unigänge besucht hat. Ich habe mir als Autodidakt vieles eigenständig beigebracht, aber mittlerweile sehe ich mich nicht mehr nur als Autodidakt, dafür ist mein Wissensschatz mittlerweile zu gefestigt und zu definiert. Mir fällt aber auf, dass ich oft dass selbe sage wie andere, es bei anderen aber eher auf toleranz trifft. Oft sage ich das selbe und man denkt ich rede gegenan und ich kann es mir nicht erklären. Zitat:
Nun...es ist ein weiterführender Strophenübergreifender Satz, warum sollte ich dort Groß schreiben? Falls es das ist was als "Fehler" bezeichnet wird? Oder wird "ran" anders geschrieben? Ich kämpfte mit mir selbst ob ich "rann" schreiben soll, da es ja von "rinnen" abgeleitet wird, aber das wirkte so deplaziert auf mich und ich fand tatsächlich nirgendwo Hilfe auf die richtige Schreibweise. Der Genitiv würde den Kreuzreim um einen "s-laut" zu scharf machen. Zudem wären 3 s-laute an 3 Zeilenenden sehr unschön. Also entschied ich mich bewusst für den Dativ, da mir sonst zu viele Zischlaute aufträten. Zitat:
Sorry für den langen Kommentar. Zitat:
-------------------------------- Hallo petrucci Zitat:
Vielleicht schaff ich es bald auf "Mitredend/beaufsichtigt" ich bin guter Dinge. Zudem denke ich nicht dass man mir Quantität eines "Hobby-Lyrikers" vorwerfen könnte, ich habe 25 Gedichte im Forum eingestellt und 200 Kommentare verfasst, die sich sehr oft um Metrik, Semantik, Ausdruck und konkreter Kritik bemühen. Das ist tatsächlich mehr als andere mit 5000 Kommentaren oft zustande bringen. Wovon die Hälfte eigene Gedichte sind und nochmal die Hälfte nur Kommentare unterm eigenen Gedicht als Antwort. Zitat:
Zitat:
Frost der sich durch Augen zieht, (da Augen überwiegend aus Wasser bestehen und trübe werden wenn sie erkalten), das schöne im Moment des Sterbens vor/im Auge/n haben. Das glasig/neblig werden des sterbenden/erblindenen Auges im Frost als erfrierendes Geflecht Warnehmen, da Augen die Fenster zur Seele darstellen. Nicht weiter blicken können als im rahmen seines eigenen Fensters, etwas ausgesetzt sein und zerschlagen. Das kalte als heiß Wahrnehmen, bzw einen Sprung machen und das Blut/Adrenalin aufkochen fühlen. Zitat:
Zitat:
Wenn das Blut rinnt, verrinnt mit dem Blut auch die eigene Zeit, wie eine Sanduhr nur in purem Rot und Eis/Frost/Schnee nimmt es auf. In deiner definition von Zeilenstil vergisst du die vorige Strophe in die Assoziation zu integrieren, die Semantik ist nicht nur Zeilenübergreifend, sondern Strophenübergreifend im Kontext. Im gesamten Text gibt es nur 4 Kommata und 1 Punkt, ihre Position ist nicht zufällig gewählt, sie sollen den Text entschleunigen. Ohne kommata wäre das Tempo zu stark und ein Etappen-sterben nicht möglich. Zitat:
--------------------------------- Hallo Pennywise Zitat:
Zitat:
Vielen dank an alle, ich hatte mit soviel Kommentar nicht gerechnet und hoffe ich bin allem einigermaßen gerecht geworden. Ich habe mich extrem gefreut über die nähere Auseinandersetzung mit meinem Text und hoffe ich konnte etwas zur Entwirrung beitragen. Lg Mono |
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16.08.2022, 09:19 | #13 | ||
Forumsleitung
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Zitat:
Bei Blitzeis bilden sich auch keine Kristalle auf irgendwelchen Oberflächen, was eine gewisse Zeit in Anspruch nähme, sondern in nullkommanix wird die Straße glatt, so dass man aus der Kurve getragen wird und im Gemüse oder an einer Leitplanke landet. Im übrigen ist es ratsam, sich anzuschnallen. Dann knallt man mit dem Kopf nicht an die Windschutzscheibe. Sollte heutzutage eigentlich Standard und bei Nichteinhaltung bußgeldbewehrt sein. Zitat:
Trotzdem: Man klebt daran, fummelt es zurecht, bis es in den Rahmen passt. Und dann kommt jemand daher und sagt, der Rahmen sei schief, habe die falsche Farbe, außerdem habe man mit der falschen Palette gearbeitet und an den Licht- und Schatteneffekten müsse man noch arbeiten. Nenne mir einen Dichter, Romancier, Filmemacher, Maler oder Bildhauer, dem es nicht so ergeht. |
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23.08.2022, 06:11 | #14 |
Lass dir nicht zuviel aus der Nase ziehen, lieber Mono Ton.
Offene Fragen dürfen durch die offensichtlichen Fenster wehen, die in Wirklichkeit vielleicht Windschutzscheiben sind. Irgend etwas Schreckliches ist passiert und die ForenSiker und Logiker werden es schon aufklären und wegwischen. Der Schock darf in der Schockgefrierung des Auges sichtbar werden, die den unbedarften Leser erstarren lässt. Auch wenn die unerbittliche Fraktion der Nachfrager Antworten auf inkonsistente Bilder und die Herleitung des Geschehens einfordert, so hoffe ich doch, dass trotz stammelnder Erklärungen genügend Ungereimtheiten verbleiben, die das mysteriöse Element dieses schönen Gedichtes nicht gänzlich zerschießt. So darf im puren Rot gerne noch ein wenig Purpur mitschwingen, wenn eine Blutlache zwischen Eisblumen gefriert. mit Schauer gelesen. Donna Geändert von Donna (23.08.2022 um 13:50 Uhr) |
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